OGH 11Os144/11b

OGH11Os144/11b12.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kopinits als Schriftführer, in der Strafsache gegen Eva L***** wegen Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. August 2011, GZ 83 Hv 87/11p-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eva L***** der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie (zusammengefasst) in Wien als Diplomrechtspflegerin des Bezirksgerichts Leopoldstadt, sohin als Beamtin, mit dem Vorsatz, Heinrich L***** und weitere im Urteil genannte Betroffene (US 6) in ihrem konkreten Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, an denen diese Personen ein schutzwürdiges Interesse haben (§ 1 DSG), zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass sie ohne dienstliches Erfordernis zu privaten Zwecken im elektronischen Abfragesystem der Justiz (VJ) Daten zum Sachwalterschaftsverfahren ***** (vormals *****) des Bezirksgerichts L***** hinsichtlich des Betroffenen Heinrich L***** ermittelte, und zwar

1./ vom 16. März 2009 bis 23. August 2010 in 353 Angriffen unter Eingabe der Aktenzahl ***** des Bezirksgerichts L*****;

2./ vom 15. Jänner 2009 bis 5. Oktober 2010 in 63 Angriffen durch die Namensabfragen „l***** heinrich“, „l***** hein“, „l***** hei“, „l***** h“ sowie „l*****“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Indem die Mängelrüge (Z 5) die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite unter Bezugnahme auf die in die Überlegungen der Tatrichter miteinbezogene, aber als Schutzbehauptung gewertete (US 8 ff) leugnende Verantwortung der Angeklagten bekämpft, verkennt sie den von einer Schuldberufung verschiedenen Anfechtungsrahmen.

Der weitere Vorwurf (Z 5), wonach die den Schädigungsvorsatz betreffenden Feststellungen unrichtig seien, entspricht keiner der von § 281 Abs 1 Z 5 StPO vorgegebenen Anfechtungskategorien.

Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) verstößt der aus den unbefugten Abfragen und der Datenweitergabe gezogene Schluss der Tatrichter, wonach die Angeklagte auch mit Schädigungsvorsatz gehandelt habe (US 9 f), weder gegen Logik noch gegen allgemeine Erfahrungssätze und ist demnach unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Der Vollständigkeit halber ist dem gegen einen Schadenseintritt gerichteten Vorbringen zu erwidern, dass der Missbrauch der Befugnis bereits in der ohne dienstliches Interesse erfolgten Abfrage von personenbezogenen Daten und die konkrete Schädigung eines Dritten in der damit verbundenen Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz (§ 1 DSG) liegt. Richtet sich der mit dem Fehlgebrauch verbundene Vorsatz des Täters darauf, jene Person, deren personenbezogenen Daten er zielgerichtet erlangt, in ihrem Grundrecht auf Datenschutz zu schädigen, bedarf es aus dem Blickwinkel des § 302 Abs 1 StGB keines darüber hinausgehenden Offenbarungs- oder Verwertungsvorsatzes (Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch4 § 302 StGB Rz 24a; 12 Os 28/10z).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert, die Angeklagte habe keine personenbezogenen Daten zur Kenntnis genommen, übergeht sie die zum Schädigungsvorsatz getroffenen Feststellungen und entzieht sich damit einer meritorischen Erwiderung. Gleiches gilt, wenn sie urteilsfremd (vgl US 6 f) behauptet, die Beschwerdeführerin hätte nicht erkennen können, dass sie sich durch ihre Abfragen eine für sie nicht vorgesehene Information verschaffe.

Ausgehend von den Urteilsannahmen ermittelte die Angeklagte ohne dienstliches Erfordernis rein zu privaten Zwecken personenbezogene Daten, wie etwa Namen, Geburtsdaten, Gesundheitszustand und Wohnadressen Dritter (US 6). Die Behauptung der Rechtsrüge, diese stünden unter keinem rechtlichen Schutz, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte