OGH 7Ob202/11y

OGH7Ob202/11y30.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** T*****, vertreten durch Niederbichler Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei A*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. Juli 2011, GZ 3 R 116/11w-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 19. April 2011, GZ 34 Cg 110/10d-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit die Beklagte zur Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen auf Verdienstentgang verpflichtet wurde, als Teilurteil bestätigt.

Die Entscheidung über die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen wird dem Endurteil vorbehalten.

Im Übrigen - betreffend die Verpflichtung zur Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schmerzengeld und hinsichtlich der Kostenentscheidungen - werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Polizist. Er wurde mit 31. 12. 2009 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Er behauptet, krank und schließlich dienstunfähig geworden zu sein, weil er während seiner Dienstzeit von Vorgesetzten und Kollegen jahrelang systematisch schikaniert und beleidigt („gemobbt“) worden sei. Die Republik Österreich (gemeint: der Bund) sei ihm im Wege der Amtshaftung zu Schadenersatz verpflichtet, weil sie es, gegen ihre Fürsorgepflichten als Dienstgeberin verstoßend, unterlassen habe, ihn vor diesem Mobbing zu schützen. In einem im April 2010 an die Republik gerichteten Aufforderungsschreiben schilderte der Kläger Geschehnisse aus dem Jahre 1989 (Einleitung eines Disziplinarverfahrens samt Disziplinarerkenntnis aufgrund einer ungerechtfertigten Anzeige) sowie aus den Jahren 2003 (abermals ungerechtfertigte Anzeige), April 2005 (ungerechtfertigtes Disziplinarerkenntnis), Dezember 2008 (Vorenthaltung einer Jubiläumszulage), April 2009 (ungerechtfertigte Ermahnung) und November 2009 (ungerechtfertigtes Einfordern von Ersatzansprüchen). Er forderte vom Bund als Dienstgeber vergeblich den Ersatz seines Verdienstausfalls bis zum Eintritt des Regelpensionsalters (111.600 EUR) und bis zu seinem statistischen Sterbealter (72.800 EUR) sowie ein Schmerzengeld von 100.000 EUR.

Der Kläger ist seit 2. 8. 2007 bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung der Allianz Elementar Versicherungs-AG (ARB 2003 der Allianz Elementar Versicherungs-AG“; im Folgenden ARB) zugrunde, die unter anderem folgende hier maßgebliche Bestimmungen aufweisen:

„Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

1. Im Schadenersatz-Rechtsschutz (Artikel 17.2.1., Artikel 18.2.1., Artikel 19.2.1. und Artikel 24.2.1.4.) gilt als Versicherungsfall das dem Anspruch zugrundeliegende Schadenereignis. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalles gilt der Eintritt dieses Schadenereignisses.

[..]

3. In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften. Der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalls außer Betracht bleiben. […].

Artikel 3

Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung?

(Zeitlicher Geltungsbereich)

1. Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten.

[…]

Artikel 9

Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?

Was hat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Art der Vorgangsweise oder die Erfolgsaussichten zu geschehen?

(Schiedsgutachterverfahren)

[…]

2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts - und Beweislage zum Ergebnis,

2.1. dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren im angestrebten Umfang zu obsiegen, hat er sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Artikel 6 (Versicherungsleistungen) bereit zu erklären;

2.2. dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d.h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;

2.3. dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.

[…]

Artikel 19

Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz für den Privat-, Berufs- und Betriebsbereich

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Privat-, Berufs- und/oder Betriebsbereich

[…]

2. Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfasst

2.1. Schadenersatz-Rechtsschutz

für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens.

[…]

3. Was ist nicht versichert?

3.1. Zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutz-Bausteinen umfasst der Versicherungsschutz insbesondere nicht

[..]

3.1.2. die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG (versicherbar in Artikel 20);

[…]

Artikel 20

Arbeitsgerichts-Rechtsschutz

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Berufs- und/oder Betriebsbereich,

1. Wer ist in welcher Eigenschaft versichert?

Versicherungsschutz haben

1.1. Im Berufsbereich

der Versicherungsnehmer und seine Familienangehörigen (Artikel 5.1.) in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG gegenüber ihrem Arbeitgeber für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von oder zur Arbeitsstätte eintreten;

[…]

2. Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfasst

2.1. die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Verfahren vor österreichischen Gerichten als Arbeitsgerichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Arbeits- oder Lehrverhältnissen;

2.2. bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen bezüglich dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlicher Ansprüche sowie abweichend von Artikel 7.1.2.6. auch für Disziplinarverfahren.

[…].“

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte schuldig sei, ihm im Rahmen des Versicherungsvertrags Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung seiner Schadenersatzansprüche gegen den Bund zu gewähren. Er erleide aufgrund seiner vorzeitigen Pensionierung per 31. 12. 2009 Einkommenseinbußen, weshalb er beabsichtige, entsprechende Forderungen und auch Schmerzengeldforderungen im Gesamtausmaß von 284.400 EUR aus dem Titel der Amtshaftung zu stellen.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Mobbing sei ein arbeitsrechtliches Phänomen. Die Ansprüche des Klägers fielen daher unter den Arbeitsrechtsschutz. Der Versicherungsvertrag der Streitteile schließe aber Schadenersatzansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus. Da die behaupteten Mobbinghandlungen bereits seit Ende der 80iger Jahre vorgenommen worden seien, liege ein sogenannter Zweckabschluss der Rechtsschutzversicherung vor. Im Übrigen sei die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung aussichtslos.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger wolle Amtshaftungsansprüche gegen den Bund durchsetzen. Amtshaftungsansprüche zählten nach der Judikatur zum Rechtsschutz-Baustein nach Art 19 ARB. Art 20 ARB meine nur das Wahrnehmen von rechtlichen Interessen aus Arbeits- oder Lehrverhältnissen in Verfahren vor österreichischen Gerichten als Arbeitsgerichten mit den Verfahrensbesonderheiten des ASGG. Für Amtshaftungsansprüche, die nach § 50 JN, § 9 Abs 1 AHG vor den Gerichtshöfen erster Instanz zu verhandeln seien, sei das ASGG unanwendbar. Nach objektiven Gesichtspunkten und gemessen am Verständnis durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer dürfe aber nicht unterstellt werden, dass die ARB für eine derartige Klage keinen Versicherungsschutz gewähren wollten. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer habe vielmehr davon ausgehen können, dass für solche Ansprüche ein Versicherungsschutz nach Art 19 ARB gegeben sei. Vorvertraglichkeit wende die Beklagte zu Unrecht ein. Als Versicherungsfall gelte nach Art 2.1. ARB der Eintritt des Schadensereignisses. Das Kausalereignis interessiere dabei nicht. Der behauptete Vermögensschaden des Klägers sei mit dem Versetzen in den Ruhestand am 31. 12. 2009 eingetreten. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei auch nicht aussichtslos, weil der Kläger seinen Anspruch durch den Hinweis auf Mobbinghandlungen und die daraus abgeleiteten Ansprüche ausreichend konkret dargelegt habe.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die vom Kläger beabsichtigte Anspruchsverfolgung betreffe unstrittig einen Amtshaftungsanspruch. Der Oberste Gerichtshof subsumiere Amtshaftungsansprüche dem Baustein des Art 19.2.1. der ARB „Schadenersatzanspruch aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens“. Zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutz-Bausteinen schließe Art 19.3.1.2. ARB den Rechtsschutz für das Geltendmachen von „Schadenersatzansprüchen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Sinne des § 51 ASGG (versicherbar in Art 20)“ aus. Ob solche Schadenersatzansprüche vorliegen, hänge, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 178/00b ausgeführt habe, davon ab, ob das Verfahren vor einem Arbeitsgericht zu führen sei. Dies sei hinsichtlich der Amtshaftungsansprüche des Klägers gegen den Bund nicht der Fall. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei Art 19 ARB dahin auszulegen, dass der Risikoausschluss nach Punkt 3.1.2. nicht im Wege der Amtshaftung durchsetzbare Schadenersatzansprüche betreffe, auch wenn der zum Schadenersatz Verpflichtete der Arbeitgeber des Versicherungsnehmers sei. Die Rechtsmeinung des Erstgerichts, die beabsichtigte Amtshaftungsklage sei dem Rechtsschutz-Baustein nach Art 19 ARB zu subsumieren, sei daher zu billigen. Zutreffend habe das Erstgericht auch die Einwände der Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Klagsführung und der Vorvertraglichkeit verworfen. Für den Eintritt des Versicherungsfalls sei nach Art 2.1. ARB der Zeitpunkt des Schadenseintritts maßgebend. Der vom Kläger behauptete Vermögensschaden könne erst mit dem Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Jahres 2009 eingetreten sein. Schließlich habe der Kläger neben dem Ersatz materieller Schäden auch den Ersatz immaterieller Schäden verlangt, weil er durch das Mobbing krank geworden sei. Die Gesundheitsstörung sei nach seinen Darlegungen nicht bereits zu Beginn des Mobbings, sondern erst während der Dauer des Versicherungsvertrags eingetreten; sie müsse zum Zeitpunkt einer ärztlichen Untersuchung am 27. 10. 2009 bereits vorgelegen sein.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige; weiters, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil ein vergleichbarer Fall noch nicht an den Obersten Gerichtshofs herangetragen worden sei, bei dem im Zusammenhang mit einem Amtshaftungsverfahren die Versicherungsbausteine „Allgemeiner Rechtsschutz“ einerseits und „Arbeitsgerichts-Rechtsschutz“ andererseits beurteilt hätten werden müssen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel seiner Prozessgegnerin entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise auch berechtigt.

Keine Berechtigung kommt dem in der Revision aufrecht erhaltenen Einwand der Beklagten zu, für die vom Kläger beabsichtigte Anspruchsverfolgung bestehe keine Rechtsschutzdeckung, weil die behaupteten Ansprüche gegen den Bund nicht dem - zwischen den Streitteilen unstrittig vereinbarten - „Schadenersatz-Rechtsschutz“ nach Art 19.2.1. ARB unterfielen. Der Ansicht des Berufungsgerichts, die behaupteten Ansprüche des Klägers gegen den Bund seien im Wege der Amtshaftung durchzusetzende Schadenersatzansprüche, widerspricht die Revisionswerberin ohnehin nicht; dies bedarf daher keiner weiteren Erörterung (vgl nur den von Ziehensack, AHG - Praxiskommentar, § 1 Rz 1465 dargestellten, ganz ähnlichen Rechtsfall). Oberstgerichtlicher Judikatur folgend ist das Berufungsgericht weiters davon ausgegangen, dass Amtshaftungsansprüche den „Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts“ im Sinn der ARB zuzurechnen sind (RIS-Justiz RS0123768) und die Ansprüche, die der Kläger verfolgen will, daher vom Schadenersatz-Rechtsschutz nach Art 19.2.1. ARB umfasst sind. Dass im vorliegenden Fall Deckung nach dem Arbeitsgerichts-Rechtsschutz gemäß Art 20 ARB nicht gegeben sein kann, stellt die Revisionswerberin an sich nicht mehr in Abrede. Ob zwischen den Streitteilen auch dieser Rechtsschutz-Baustein vereinbart wurde, konnte vom Berufungsgericht daher dahingestellt gelassen werden.

Der Auffassung der Beklagten, im Hinblick auf den in Art 19.3.1.2. ARB vereinbarten Risikoausschluss und weil der Kläger seine Arbeitgeberin in Anspruch nehmen wolle, scheide auch Rechtsschutzdeckung nach Art 19.2.1. ARB aus, ist zu widersprechen. Richtig ist zwar, dass die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit und der Größe des Rechtskostenrisikos im gesamten Bereich des privaten wie auch öffentlichen Rechts nur Teilgebiete abdecken (RIS-Justiz RS0114605). Dagegen, dass nicht dem Arbeitsgerichts-Rechtsschutz unterfallende, im Wege der Amtshaftung geltend zu machende Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber nach dem Verständnis der Maßfigur des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0050063) auch vom Schadenersatz-Rechtsschutz ausgenommen sein sollten, spricht allerdings schon die Formulierung des Art 19.3.1., wonach die dort genannten Risikoausschlüsse - unter anderem nach Art 19.3.1.2. ARB - (nur) „zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutz-Bausteinen“ erfolgen.

Im demnach hier vom Kläger zu Recht beanspruchten Schadenersatz-Rechtsschutz nach Art 19.2.1. ARB gilt gemäß Art 2.1. ARB als Versicherungsfall das dem Anspruch zugrundeliegende Schadensereignis und als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der Eintritt dieses Schadensereignisses. Dem entsprechend hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionswerberin zu Recht bei den Verdienstentgangsansprüchen des Klägers den Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung als Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls angenommen. Die Gegenmeinung der Beklagten, bereits die zur vorzeitigen Pensionierung führende Erkrankung stelle (auch) hinsichtlich des Verdienstentgangs den Versicherungsfall dar, ist verfehlt, weil die Gesundheitsschädigung allein noch zu keiner Einkommenseinbuße des Klägers führte. Erst dessen krankheitsbedingte Versetzung in den Ruhestand hat jene Einkommensminderungen nach sich gezogen, deren Ersatz begehrt wird. Hinsichtlich der Forderung auf Ersatz von Verdienstentgang ist der Versicherungsfall also mit der Pensionierung des Klägers mit Ablauf des 31. 12. 2009 eingetreten. Da der Kläger die Rechtsschutzversicherung bei der Beklagten bereits im Jahr 2007 abgeschlossen hat, geht der Einwand der Vorvertraglichkeit hinsichtlich der Verdienstentgangsansprüche demnach ins Leere. Auch ein von der Revisionswerberin weiterhin behaupteter sogenannter Zweckabschluss scheidet aus.

Unberechtigt ist auch der in der Revision ebenfalls aufrecht erhaltene Einwand der Aussichtslosigkeit der vom Kläger beabsichtigten Prozessführung. Die Revisionswerberin meint, ein Vorgehen des Klägers gegen die „Republik Österreich“ sei ohne Aussicht auf Erfolg, weil ihr als Arbeitgeberin das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 ASVG zugutekomme, das einen Schadenersatzanspruch wegen einer Gesundheitsschädigung des Dienstnehmers auf vorsätzliches Vorgehen des Arbeitgebers beschränke. Dem hält der Kläger in der Revisionsbeantwortung zu Recht entgegen, dass § 333 ASVG auf den Kläger als Beamten nach § 5 Abs 1 Z 3 ASVG unanwendbar ist. Auch betrifft § 333 ASVG nur Körperverletzungen infolge eines Arbeitsunfalls oder durch eine in der Berufskrankheitenliste taxativ aufgeführte (10 ObS 105/04w ua) Berufskrankheit. Dass beim Kläger eine solche vorgelegen sei, wurde von keiner der Parteien behauptet. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Rechtsschutzversicherung im Übrigen kein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0081929). Die Beurteilung ist aufgrund einer Prognose nach dem im Zeitpunkt der Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Material vorzunehmen, wobei eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung nicht in Betracht kommt (vgl RIS-Justiz RS0124256). Die Ansicht der Beklagten, dass sie im Sinn des Art 9.2.3. ARB die Kostenübernahme zur Gänze ablehnen könne, weil keine Aussicht auf Erfolg einer Amtshaftungsklage gegen den Bund bestehe, ist schon angesichts der schlüssigen Begründung der Ansprüche durch den Kläger verfehlt (vgl dazu die bereits vom Berufungsgericht erwähnte Glosse von Ertl, Prozessvorbereitung in der Rechtsschutzversicherung - Zur E des OGH 7 Ob 103/08k, ecolex 2010, 16f). Dies gilt gleichermaßen für die Verfolgung der Ansprüche auf Verdienstentgang wie für das vom Kläger ebenfalls beabsichtigte Begehren auf Schmerzengeld.

Zutreffend macht die Revisionswerberin hingegen geltend, dass eine Differenzierung hinsichtlich des Schmerzengeldanspruchs insofern vorzunehmen ist, als das diesem Anspruch zugrunde liegende Schadensereignis nicht erst die vorzeitige Pensionierung, sondern bereits die diese Pensionierung bedingende Gesundheitsschädigung darstellt. Hat doch diese Gesundheitsschädigung dem Kläger nach seinem Vorbringen jene Schmerzen verursacht, deren Ersatz er von seiner ehemaligen Arbeitgeberin verlangen will. Eine Beurteilung der Frage der Vorvertraglichkeit im Bezug auf den Schmerzengeldanspruch setzt daher die Kenntnis voraus, wann der Kläger krankheitsbedingt jene Schmerzen erlitten haben will, die ihm sein Arbeitgeber ersetzen soll. Zu Recht wird nun von der Revisionswerberin bemängelt, dass Feststellungen, die eine verlässliche Beurteilung dieser Frage erlaubten, von den Vorinstanzen nicht getroffen wurden. Unklar ist insbesondere geblieben, ob sich das Schmerzengeldbegehren des Klägers lediglich auf die Zeit nach dem Abschluss des Versicherungsvertrags beschränkt oder, was nach dem einen viele Jahre lang fortschreitenden Prozess behauptenden Klagsvorbringen näherliegend erscheint, sich auch auf Zeiträume davor bezieht. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass Schmerzengeld nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich global zu bemessen ist und nicht in einzelne, bestimmten Verletzungen und Folgeerscheinungen zuzuordnende Teilbeträge zerlegt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0031191). Um über den Einwand der Vorvertraglichkeit in Bezug auf das Schmerzengeldbegehren entscheiden zu können, ist das Verfahren daher noch ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht wird im aufgezeigten Sinn die Sache mit den Parteien zu erörtern und allenfalls die Sachverhaltsbasis hinsichtlich des Eintritts der Gesundheitsstörungen und der damit verbundenen Schmerzperioden zu verbreitern haben.

Während die Deckungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Verdienstentgangsansprüche feststeht und die Entscheidungen der Vorinstanzen daher insoweit als Teilurteil zu bestätigen sind, müssen sie daher im Übrigen aufgehoben werden; dem Erstgericht ist insofern eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Kostenaussprüche gründen sich auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

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