OGH 1Ob214/11v

OGH1Ob214/11v24.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Mihaela R*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Land Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 21.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. August 2011, GZ 14 R 127/11s-34, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Mai 2011, GZ 32 Cg 12/09h-30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin, eine Ärztin für Allgemeinmedizin, macht Amtshaftungsansprüche im Zusammenhang mit der von der beklagten Partei verfügten (teilweisen) Sperre ihrer Ordinationsräumlichkeiten geltend.

Die Vorinstanzen verneinten die Berechtigung dieser Ansprüche, weil die angeordnete Sperre sowie deren Aufrechterhaltung aufgrund der hygienischen Missstände auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruhe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

§ 56 Abs 2 ÄrzteG 1998 verpflichtet den Amtsarzt der Bezirksverwaltungsbehörde, die Ordinationsstätte eines Arztes zu überprüfen, wenn Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Ordinationsstätte nicht den hygienischen Anforderungen entspricht. Kommt bei der Überprüfung zutage, dass Missstände vorliegen, die für das Leben und die Gesundheit von Patienten eine Gefahr mit sich bringen können, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde nach § 56 Abs 3 ÄrzteG 1998 die Sperre der Ordinationsstätte bis zur Behebung dieser Missstände zu verfügen.

Die Klägerin interpretiert die zuletzt genannte Bestimmung dahin, dass die Gefährdung des Lebens und jene der Gesundheit von Patienten kumulativ vorliegen müssten. Ob diese Auslegung der Formulierung „für das Leben und die Gesundheit von Patienten“ die richtige wäre, ist in diesem Amtshaftungsverfahren aber nicht entscheidend. Nicht jede objektiv unrichtige Entscheidung begründet schon einen Amtshaftungsanspruch (RIS-Justiz RS0049955 [T5]). Eine bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände vertretbare Rechtsanwendung mag zwar rechtswidrig sein, stellt aber kein Verschulden im Sinne des § 1 Abs 1 AHG dar (RIS-Justiz RS0050216 [T1]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0110837).

Die Überprüfung der Ordinationsstätte der Klägerin, in der auch operative Eingriffe (Schwangerschaftsabbrüche) durchgeführt wurden, ergab schwerwiegende hygienische Mängel insbesondere bei der Reinigung der verwendeten Instrumente. Nach den Feststellungen des Erstgerichts konnte in dieser hygienischen Situation eine Gefährdung der Gesundheit und letztlich auch - durch in der Folge möglicherweise auftretende Infektionen - des Lebens von Patientinnen nicht ausgeschlossen werden. Dass das Berufungsgericht bei dieser Situation die verfügte Sperre als vertretbare Vorgangsweise ansah, bedeutet keineswegs eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung.

Der gegen die Organe der beklagten Partei erhobene Vorwurf, diese hätten der Überprüfung der Ordinationsstätte einen Amtsarzt beigezogen, der weder Facharzt für Frauenheilkunde noch für Krankenhaushygiene, Betriebshygiene und Mikrobiologie gewesen sei, noch über Erfahrungen bei der Überprüfung von Ordinationen mit einem frauenheilkundlichen Leistungsspektrum oder über die dem Gefährdungspotential entsprechenden Hygienevorgaben verfügt hätte, ist schon deshalb irrelevant, weil sich die Einschätzung der hygienischen Situation durch den Amtsarzt nach den Feststellungen des Erstgerichts als richtig erwies. Zudem ordnet § 56 Abs 2 ÄrzteG 1998 ausdrücklich die Überpüfung durch den Amtsarzt an, ohne die Beiziehung eines fachspezifischen Arztes zu fordern.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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