OGH 1Ob228/11b

OGH1Ob228/11b24.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖBB-Infrastruktur AG, Wien 2, Praterstern 3, vertreten durch Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Land Vorarlberg, vertreten durch Sutterlüty Klagian Brändle Lercher Rechtsanwälte-Partnerschaft in Dornbirn, wegen Rechnungslegung und 1.006.347,73 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 16. September 2011, GZ 1 R 196/11z-59, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 1. Juni 2011, GZ 56 Cg 2/11y-55, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im August 2005 beschädigte ein Hochwasser Eisenbahnanlagen der ÖBB-Infrastruktur Bau AG (unter anderem) in Vorarlberg. Dieses Unternehmen war so wie die ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG aufgrund des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003, BGBl I 2003/138, gegründet worden. Beide Unternehmen wurden durch § 29a Bundesbahngesetz idF BGBl I 2009/95 zur ÖBB-Infrastruktur AG (klagende Partei) verschmolzen.

Diese behauptete Ansprüche auf Beihilfen zur Abgeltung ihrer Hochwasserschäden gegen den Bund (vormals erstbeklagte Partei), gegen den das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, und das Land Vorarlberg (beklagte Partei). Beihilfen zur Behebung von Hochwasserschäden seien der klagenden Partei im Gegensatz zu anderen Geschädigten nicht gewährt worden.

Die Vorinstanzen verneinten die Berechtigung derartiger Ansprüche.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

Nach den von der beklagten Partei erlassenen Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen zur Behebung von Elementarschäden (RL), deren Anwendung auf diesen Fall die Revisionswerberin nicht bezweifelt, besteht auf die Gewährung einer Beihilfe kein Rechtsanspruch. Eine Beihilfe wird nach Pkt 3.1. der RL nur dann gewährt, wenn a) das beschädigte oder zerstörte Objekt die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Betroffenen bildet oder einem lebensnotwendigen Bedürfnis des Betroffenen dient und die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen durch den Schaden erheblich beeinträchtigt wird, b) der Betroffene den Schaden innerhalb nützlicher Frist beheben und c) dem Betroffenen zur Behebung des Schadens nicht andere Mittel, zB aus einer gesetzlich verankerten Bundesbeihilfe, zur Verfügung stehen. Anträge um die Gewährung einer Beihilfe sind nach Pkt 7.1. der RL spätestens 6 Monate nach Eintritt bzw Feststellung des Schadensereignisses im Wege der Gemeinde, in der sich der Schaden ereignete, bei der Agrarbezirksbehörde Bregenz einzubringen. Diese hat zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe gegeben sind. Über die von der Agrarbezirksbehörde entscheidungsreif vorbereiteten Ansuchen entscheidet nach Pkt 7. 2. der RL die Landesregierung.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen der in der RL geforderten Voraussetzungen (auch) mit dem Argument, dass die ÖBB-Infrastruktur Bau AG als damalige Eigentümerin der Schieneninfrastruktur zwar fristgerecht Anträge auf Gewährung einer Beihilfe zur Behebung von Elementarschäden gestellt hätte, aber nicht mit den Schäden belastet und deshalb keine „betroffene Person“ im Sinne der RL gewesen wäre. Aus den maßgeblichen Bestimmungen der §§ 25, 26, 29, 31 und 42 Abs 1 erster Satz Bundesbahngesetz idF des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003, BGBl I 2003/138, ergebe sich eine gesetzlich angeordnete Schadensverlagerung: Nicht die antragstellende ÖBB-Infrastruktur Bau AG, sondern die ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG sei zur Erhaltung einer bedarfsgerechten und sicheren Schieneninfrastruktur und damit auch zur Instandsetzung beschädigter Schieneninfrastruktur auf ihre Kosten verpflichtet gewesen. Sei aber der Schaden nicht im Vermögen der Antragstellerin eingetreten, so sei die (zuletzt im Jahr 2007 erfolgte) Ablehnung des Förderungsansuchens durch die beklagte Partei nicht zu beanstanden. Die im Jahr 2009 erfolgte Verschmelzung der beiden Unternehmen zur nunmehr klagenden Partei könne nichts daran ändern, dass eine rechtzeitige Antragstellung einer die Kriterien der RL erfüllenden „betroffenen Person“ nicht erfolgt sei.

Diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts kritisiert die klagende Partei in ihrer außerordentlichen Revision überhaupt nicht. Sie legt mit keinem Wort dar, inwieweit die Auslegung der Bestimmungen des Bundesbahngesetzes und der RL unrichtig sein sollte, obwohl das Bundesbahngesetz in der hier anzuwendenden Fassung (insbesondere) in den §§ 26 und 31 eine eindeutige Zuordnung des jeweiligen Aufgabenbereichs im Verhältnis zwischen der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG (Bereitstellung, Betrieb und Erhaltung [Wartung, Inspektion und Instandsetzung]) und der ÖBB-Infrastruktur Bau AG (im Wesentlichen Planung und Bau von Schieneninfrastruktur einschließlich von Hochleistungsstrecken und von damit im Zusammenhang stehenden Projekten) vornahm. Dass der Oberste Gerichtshof zu den relevanten, bereits zitierten Normen noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, begründet daher noch keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0042656).

Eine willkürliche, gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende Verweigerung der Gewährung von Beihilfen als Voraussetzung für einen direkten, im Zivilverfahren geltend gemachten Leistungsanspruch der klagenden Partei (vgl RIS-Justiz RS0117458; vgl RS0038110 [T3]) hat das Berufungsgericht also aufgrund einer nicht bekämpften (und auch nicht zu korrigierenden Rechtsansicht) verneint, die klagende Partei habe aufgrund der Schadensverlagerung nicht die maßgeblichen Förderungskriterien erfüllt. Damit ist es auch nicht erforderlich, die den Kern der Argumentation der Klägerin bildende Frage zu behandeln, ob die Gewährung von Beihilfen zur Behebung der Hochwässerschäden iSd Pkt 3.1. lit c der RL deshalb ausgeschlossen wäre, weil die antragstellende ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG iSd §§ 42 und 47 Bundesbahngesetz in der hier anzuwendenden Fassung für die Erfüllung ihrer Aufgaben vom Bund Zuschüsse erhielt (im Jahr 2005 in der Höhe von rund 1.006.100.000 EUR laut Ersturteil). Dasselbe gilt für den in der Revision noch geltend gemachten Rechtsgrund einer Auslobung nach § 860 ABGB: Auch ein daraus abgeleiteter Anspruch würde - wie die Revisionswerberin selbst erkennt - jedenfalls voraussetzen, dass die Förderungswerberin die Voraussetzungen der RL erfüllt hätte.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte