OGH 4Ob161/11x

OGH4Ob161/11x22.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** S*****, vertreten durch Waltl & Partner Rechtsanwälte in Zell am See, wider die Beklagte M***** S*****, vertreten durch Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwalt in Zell am See als Verfahrenshelfer, wegen Unterlassung und Feststellung (Gesamtstreitwert 10.000 EUR) über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 6. Juli 2011, GZ 22 R 173/11m-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 28. Februar 2011, GZ 2 C 1659/10f-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Eigentümer angrenzender Liegenschaften. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagten kein Recht zustehe, sein näher bezeichnetes Grundstück zu nutzen, sowie die Verpflichtung der Beklagten, jegliche Nutzung dieses Grundstücks zu unterlassen.

Die Beklagte beruft sich auf ein ihrem Rechtsvorgänger im Eigentum eingeräumtes Recht, auf dem betreffenden Grundstück zu fahren und Fahrzeuge abzustellen.

Nach den Feststellungen gehörte das nunmehrige Grundstück des Klägers zunächst dessen Vater, der einen landwirtschaftlichen Betrieb führte. Er schenkte seinem Bruder (dem Ehemann der Beklagten) daraus eine Parzelle, die auf drei Seiten vom nunmehrigen Grundstück des Klägers umschlossen wird. 1982 begann der Ehemann der Beklagten mit dem Bau eines Hauses samt Garage. Sein Bruder räumte ihm vertraglich das Recht ein, in einem Bereich von etwa 2,5 m entfernt von der nördlichen, bis an die Grundstücksgrenze reichenden Hausmauer über das nunmehrige Grundstück des Klägers zufahren und dort im Bedarfsfall einen LKW abstellen zu dürfen. Beide Brüder errichteten einen Feldweg, der allerdings mehr als 2,5 m von der nördlichen Grenze des Grundstücks des Ehemanns der Beklagten entfernt ist und nicht direkt zur Garage, sondern weiter ins nunmehrige Grundstück des Klägers hineinführt. 1987 starb der Vater des Klägers. Da seine Kinder noch minderjährig waren und die Witwe kein Interesse an der Fortführung des Betriebs hatte, kaufte der Ehemann der Beklagten die Erbschaft nach seinem Bruder unter der Bedingung, sie nach Volljährigkeit des jüngsten Kindes seines Bruders dem für den Betrieb am besten geeignetsten Kind zu übergeben. Nach einem langen Rechtsstreit wurde schließlich der Kläger als Eigentümer des betreffenden Grundstücks einverleibt. 2006 bekam die Beklagte das daran angrenzende Grundstück von ihrem Mann übergeben; ein Geh-, Fahr- oder Parkrecht zugunsten ihres Grundstücks wurde nie grundbücherlich eingetragen. Seit 1983 fahren die Beklagte, ihr Mann und ihre vier Kinder auf dem Weg zur Garage und nutzen den Nahbereich zum Abstellen von Fahrzeugen; die Kinder fahren auch öfters mit Motorcrossmaschinen und kleinen Geländefahrzeugen („Quads“) abseits des Weges auf dem Grundstück des Klägers.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Ehemann der Beklagte sei durch Erbschaftskauf Gesamtrechtsnachfolger seines Bruders geworden. Aufgrund der dadurch bewirkten Vereinigung von Schuldner- und Gläubigerstellung sei das nicht verbücherte Fahr- und Parkrecht gemäß § 1445 ABGB erloschen. Der Ehemann der Beklagten habe das zuvor bestehende Recht somit nicht mehr an seine Rechtsnachfolgerin übertragen können.

In ihrer Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung führte die Beklagten aus, die Anwendung des § 1445 ABGB möge zutreffen, jedoch habe das Erstgericht die baubehördliche Bewilligung der Garage nicht berücksichtigt, die eine dingliche Wirkung entfalte und sich auf die Zufahrt zur Garage erstrecke.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Die Beklagte stelle die auf § 1445 ABGB gegründete rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht in Frage. Die in der Berufung aufgeworfene Frage sei eine unzulässige Neuerung. Davon abgesehen könne eine Baubewilligung als öffentlich-rechtliche Zulässigerklärung niemals privatrechtliche Einwendungen präjudizieren; die Baubehörde sei nicht berufen, über Privatrechte zu entscheiden. Ein Baubewilligungsbescheid berühre die zivilrechtliche Position des aus einer Servitut berechtigten Eigentümers nicht. Das Berufungsgericht sprach - auf Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 1445 ABGB auch dann anwendbar sei, wenn nur auflösend bedingtes Eigentum erworben worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

Wurde die Entscheidung erster Instanz von der unterlegenen Partei nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten (oder die gesamte Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt), dann sind diese Versäumnisse im Revisionsverfahren nicht mehr nachholbar, und andere Punkte können in der Rechtsrüge der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (stRsp; siehe E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 503 Rz 27; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 Rz 56 iVm 191, je mwN; RIS-Justiz RS0043573 [T29, T36]).

Die Berufung der Beklagten enthält nur Ausführungen zur behaupteten dinglichen Wirkung einer baubehördlichen Bewilligung, lässt jedoch die Beurteilung nach § 1445 ABGB unbekämpft. Es ist den Beklagten deshalb nach dem zuvor Gesagten verwehrt, die Berechtigung ihres Begehrens unter dem Aspekt der Anwendbarkeit von § 1445 ABGB im Fall eines aufschiebend bedingten Erbschaftskaufs in dritter Instanz überprüfen zu lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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