Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Juni 2011, GZ 152 Hv 87/11w‑44, verletzt § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2, § 28a Abs 1, Abs 4 Z 3 SMG und § 270 Abs 2 Z 5 StPO.
Dieses Urteil wird ebenso wie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss nach § 494a StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. Juni 2011, GZ 152 Hv 87/11w‑44 wurde David S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I) sowie (richtig:) mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien vorschriftwidrig Heroin,
(I) vom 1. September 2009 bis 24. Februar 2011 in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Quantität von insgesamt 3.900 Gramm in Teilmengen zehn im Urteilstenor namentlich genannten Personen und weiteren unbekannt gebliebenen Abnehmern durch gewinnbringenden Verkauf überlassen und
(II) bis zum 24. Februar 2011 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.
Die dazu getroffenen Feststellungen in den Entscheidungsgründen erschöpfen sich in einem Verweis auf „die im Spruch näher bezeichneten Straftaten, auf welche zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen wird“. Beweiswürdigend stützte sich das Schöffengericht auf die ‑ mit den „übrigen Ermittlungsergebnissen“ im Einklang stehende ‑ „vollinhaltlich geständige Verantwortung“ des Angeklagten und kam rechtlich zu dem Schluss, dieser habe „die im Spruch angeführten Tatbestände in subjektiver und objektiver Hinsicht zu verantworten“.
Während der Angeklagte auf Rechtsmittel dagegen verzichtete (ON 43 S 19), erhob die Staatsanwaltschaft Berufung (ON 46, 47), über die vom Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden wurde.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt ‑ mit dem Gesetz nicht in Einklang:
Nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO hat das Gericht in den Entscheidungsgründen in gedrängter Darstellung ‑ unter anderem ‑ anzugeben, welche Tatsachen es als erwiesen angenommen hat; zum objektiven Tathergang somit den für den Schuldspruch und den anzuwendenden Strafsatz entscheidungswesentlichen Sachverhalt und korrespondierende Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Danek, WK-StPO § 270 Rz 30, 35).
Ein Schuldspruch nach einem der Tatbestände des § 28a SMG setzt voraus, dass der Täter zumindest eine der in § 28a Abs 1 SMG beschriebenen Handlungen in Bezug auf eine Suchtgiftquantität setzt, welche die sogenannte Grenzmenge übersteigt. Als deren Bezugspunkt definiert das Gesetz die Reinsubstanz des jeweiligen Wirkstoffs (§ 28b SMG), aus welchem Grund ein Schuldspruch nach § 28a SMG Feststellungen genau dazu erfordert (RIS-Justiz RS0111350; Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 28b Rz 10).
Eine Aussage zum Wirkstoffgehalt des anderen überlassenen Heroins (I) lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Die Nennung der Bruttomengen im Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) mit dem Beifügen, es handle sich hiebei um eine „das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigende“ Quantität reicht zur Beurteilung einer tatverfangenen Suchtgiftmenge als groß (§ 28b SMG) oder übergroß (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) nicht aus (RIS-Justiz RS0111350; Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 28b Rz 10).
Darüber hinaus fehlen hinsichtlich sämtlicher den beiden Schuldsprüchen zugrunde liegenden Taten Feststellungen zur subjektiven Tatseite, die eine Beurteilung, ob der Vorsatz des Angeklagten (§ 5 Abs 1 StGB) die Tatbildmerkmale des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I), insbesondere auch den an die bewusst kontinuierliche Tatbegehung geknüpften Additionseffekt (RIS-Justiz RS0088096), sowie jene des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 und 2 SMG (II) erfasste, ermöglichen (Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 27 Rz 3; § 28a Rz 37; § 28b Rz 40 ff).
Da sich diese Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO), das Urteil ‑ weil derartige Konstatierungen vom Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden können ‑ ebenso aufzuheben wie den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist damit gegenstandslos.
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