Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 462,31 EUR (darin 77,05 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin war bei der Zweitbeklagten, einem integrativen Betrieb dessen Unternehmensgegenstand die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist, vom 2. 1. 2000 bis zum 14. 6. 2009 als Sozialarbeiterin im fachbegleitenden Dienst tätig. Eine Mitarbeiterin der Zweitbeklagten, die seit längerem Differenzen mit der Erstbeklagten als Vorarbeiterin hatte, erzählte der Klägerin, die Erstbeklagte habe im Februar 2008 gefragt, ob die Klägerin auch lesbisch sei und sie aufgefordert, mit ihr einen Kaffee trinken zu gehen; wenn sie begrapscht würde, sei klar, dass auch die Klägerin eine Lesbe sei. Die von der Klägerin eingeschaltete Arbeiterkammer forderte die Erstbeklagte zur Zahlung von 1.440 EUR wegen sexueller Belästigung im Sinne des GlBG auf. Tatsächlich hatte der Vorfall nicht stattgefunden. Die Erstbeklagte wandte sich an den Betriebsratsvorsitzenden und dieser an den Schulungsleiter, der bereits davor vermehrt Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern der Zweitbeklagten mit der Arbeit der Klägerin festgestellt hatte. Auch die Geschäftsführung der Zweitbeklagten war mit der Betreuung der Klägerin nicht zufrieden. Zum Teil war dies darin begründet, dass die Klägerin bei der Präsentation ihrer Diplomarbeit das Unternehmen der Zweitbeklagten nach dem Eindruck der Geschäftsführer negativ dargestellt hatte. Überdies hatte sie gegen die Zweitbeklagte eine Klage bezüglich ihrer kollektivvertraglichen Einstufung angestrengt. Im Februar 2009 ersuchte die Klägerin, die einen Arbeitgeberwechsel beabsichtigte, die Vorsitzende des Aufsichtsrats der Zweitbeklagten um Unterstützung bei einer Bewerbung. Am 24. 3. 2009 erteilte der von der Arbeitsweise der Klägerin und vom Konflikt informierte Aufsichtsrat der Geschäftsführung einen Handlungsauftrag. Da die Geschäftsführer den Eindruck hatten, die Zusammenarbeit mit der Klägerin funktioniere nicht mehr und das Gefühl hatten, die Klägerin selbst wolle nicht mehr bei der Zweitbeklagten arbeiten, schlugen sie ihr die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses vor. Sie erklärten ihr auch, dass die Belegschaftsvertreter zu ihr kein Vertrauen mehr haben, und es auch Spannungen mit den Führungskräften gebe. Am 23. 4. 2009 vereinbarten die Klägerin und die Zweitbeklagte mit einem von der Klägerin verfassten Text die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses.
Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin, die Zweitbeklagte aufgrund von Verletzungen des Gleichbehandlungsgesetzes zu einer Schadenersatzzahlung von 1.440 EUR zu verpflichten, ab. Die Klagsabweisung gegenüber der Erstbeklagten ist nicht mehr verfahrensgegenständlich.
Im Hinblick auf den in der Revision alleine thematisierten Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der §§ 13 und 27 GlBG erachtete das Berufungsgericht den Umstand, dass die Klägerin im Zusammenhang mit den Spekulationen über ihre sexuelle Orientierung mit Hilfe der Arbeiterkammer Forderungen nach dem Gleichbehandlungsgesetz gegen die Erstbeklagte erhoben hatte, als wesentlichen Auslöser für die Reaktion der Zweitbeklagten. Die einvernehmliche Auflösung erfülle jedoch mangels einer unzulässigen Druckausübung auf die Klägerin, der Zusage einer freiwilligen Abfertigung von einem zusätzlichen Monatsgehalt und aufgrund des Umstands, dass die Klägerin schon im Februar 2009 gegenüber der Aufsichtsratsvorsitzenden zum Ausdruck gebracht hatte, ihre Tätigkeit bei der Zweitbeklagten beenden zu wollen, nicht den Tatbestand einer „anderen Benachteiligung“ der Klägerin iSd §§ 13 bzw 27 GlBG. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Entschädigungsbetrags infolge eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot der §§ 13 und 27 GlBG idF BGBl I Nr 2008/98 nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig:
Die §§ 13 und 27 GlBG normieren ein allgemeines Benachteiligungsverbot, dem zufolge ein/e Arbeitnehmer/in als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens (Betriebs) oder als Reaktion auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots vom Arbeitgeber nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden darf. Das Benachteiligungsverbot dient als Maßnahme zur Verstärkung des Schutzes vor Diskriminierungen, wobei die Bestimmungen die Viktimisierungsverbote in der Rahmengleichbehandlungs‑RL 2000/78/EG (Art 11) und der Antirassismus‑RL 2000/43/EG (Art 9) umsetzen. Hauptziel des Antidiskriminierungsrechts ist die Sicherstellung eines effektiven Rechtschutzes, der auch den Schutz vor Repressalien einschließen muss (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 6).
Als unzulässige Viktimisierungshandlungen des Arbeitgebers werden in § 13 GlBG Entlassungen, Kündigungen und ‑ vom Gesetzgeber nicht näher präzisierte ‑ andere Benachteiligungen von Arbeitnehmern als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots genannt. Wie Hopf/Mayr/Aichinger, GlBG § 13 Rz 9, ausführen, eröffnet die Formulierung „anders benachteiligt“ einen ausreichenden Spielraum für die Rechtsanwendung, weil dem unbestimmten Begriff „Benachteiligung“ vielfältige Verhaltensweisen der Arbeitgeber, etwa bei Fragen des beruflichen Aufstiegs, des Zugangs zu betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen oder der Ausgestaltung der konkreten Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern, unterstellt werden können. Ob im Einzelfall eine Benachteiligung nach § 13 GlBG vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Es reicht daher nicht aus, wenn ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers vom betroffenen Arbeitnehmer lediglich subjektiv als benachteiligend empfunden wird. Da die Bestimmung damit deutlich über einen bloßen Kündigungs‑ oder den ursprünglichen Entlassungsschutz (vgl Kletečka in Rebhahn, GlBG § 13 Rz 1) hinausgeht, ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch eine einvernehmliche Auflösung eine „andere Benachteiligung“ darstellen kann.
Allerdings ist nicht jede kausale Reaktion des Arbeitgebers auf die Geltendmachung von Abwehransprüchen zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots eine verbotene Viktimisierungshandlung. Um angesichts des Einverständnisses des Arbeitnehmers zu einer einvernehmlichen Auflösung von einer „Benachteiligung“ sprechen zu können, müssen Umstände vorliegen, in denen sich der dem Benachteiligungsverbot zugrunde liegende Gedanke des Schutzes vor Repressalien oder einer Viktimisierung des Arbeitnehmers widerspiegelt. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses Ergebnis einer unzulässigen Druckausübung durch den Arbeitgeber, nicht aber, wenn sie Ausdruck einer selbstbestimmten Entscheidung des Arbeitnehmers ist.
Ob eine einvernehmliche Auflösung dergestalt eine Viktimisierung des Arbeitnehmers darstellt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Wenn eine solche im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht verneint wurde, weil es dem Geschehensablauf keine unzulässige Druckausübung auf die Klägerin entnehmen konnte, so liegt darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es in diesem Zusammenhang auch nicht unbedeutend, dass sie bereits im Februar 2009 eine andere Stelle angestrebt und die Aufsichtsratsvorsitzende der Zweitbeklagten um Unterstützung dabei ersucht hatte, weil ihr Eigeninteresse an einem Arbeitgeberwechsel gegen die Unfreiwilligkeit ihrer Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses und damit gegen ihre Viktimisierung spricht.
Damit geht auch das Argument der Klägerin, dass ein Schadenersatzanspruch nach den §§ 13, 27 GlBG auch bei Vorliegen geringfügiger Benachteiligungen („Bagatellen“) nicht ausgeschlossen ist, ins Leere: Zwar hat das Berufungsgericht bei der Erörterung des Begriffs „Benachteiligung“ ausgeführt, dass dieser ein Mindestmaß an negativen Auswirkungen auf die Lebenssituation der betroffenen Personen immanent sei, sodass „Bagatellfälle“ nicht tatbestandsmäßig seien (so auch Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 9). In der Folge hat es eine tatbestandsmäßige Benachteiligung aber nicht wegen einer „Bagatelle“, sondern deshalb verneint, weil es nach den Umständen des Falls an sich keine Viktimisierungshandlung erkennen konnte. Danach bedarf es auch nicht der angeregten Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ob das allgemeine Diskriminierungsverbot des Unionsrechts einer Unterscheidung zwischen geringfügigen und nicht geringfügigen Benachteiligungen entgegensteht.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, der ungeachtet der Umstände des Einzelfalls erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zukäme, ist die Revision daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Entlohnung iSd TP3 Anm 5 liegen jedoch nicht vor, weil die Zweitbeklagte der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung nur mit kurzer Begründung entgegengetreten ist (vgl 6 Ob 110/06d).
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