OGH 4Ob91/11b

OGH4Ob91/11b19.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Ebert Huber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. I***** GmbH, *****, und 2. G***** W*****, beide vertreten durch Anwaltskanzlei Thiele GmbH in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Mai 2011, GZ 6 R 77/11b-8, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28. März 2011, GZ 30 Cg 7/11z-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin vertreibt PINs für Wertkartenhandys. Deren Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin vertreibt auch als Einzelunternehmen gleichartige Produkte.

Die Erstbeklagte vertreibt ebenfalls PINs für Wertkartenhandys, Geschäftsführer der Erstbeklagten ist der Zweitbeklagte. Dieser ist überdies auch Geschäftsführer und (indirekt) Gesellschafter eines Gemeinschaftsunternehmens der Streitteile, das ebenfalls PINs für Wertkartenhandys vertreibt. Die Erstbeklagte tritt als Großhändlerin auf und vertreibt keine Produkte an Endkunden.

Am 28. Oktober 2010 brachte die Erstbeklagte gegen die Klägerin beim Landesgericht Wiener Neustadt einen Konkursantrag ein. Dass es den Beklagten nur darum gegangen wäre, die Klägerin zu schädigen, konnte nicht bescheinigt werden. Mit Beschluss vom 17. November 2010 wies das Landesgericht Wiener Neustadt den Konkurseröffnungsantrag über das Vermögen der Klägerin mangels Bescheinigung ihrer Zahlungsunfähigkeit ab.

Der Zweitbeklagte behauptete als Geschäftsführer der Erstbeklagten gegenüber Kunden und Geschäftspartnern in der Branche, insbesondere am 25. und 27. Oktober 2010, dass gegen die Klägerin ein Konkursantrag gestellt worden sei. Über diesen Sachverhalt informierte er auch seine Mitarbeiter, außerdem erwähnte er, dass die Geschäftsführerin der Klägerin ihm Geld unterschlagen hätte.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, zu Zwecken des Wettbewerbs oder über das Unternehmen der Klägerin unwahre Tatsachen zu behaupten oder zu verbreiten, die geeignet seien, den Betrieb oder den Kredit der Klägerin zu schädigen, insbesondere, dass gegen die Klägerin ein Konkursantrag gestellt worden sei, insbesondere, wenn dadurch der Eindruck erweckt werde, die Klägerin sei insolvent, oder sinngleiche Behauptungen. Der Zweitbeklagte habe am 27. Oktober 2010 einem bestimmten Mitarbeiter einer Lieferantin der Klägerin mitgeteilt, dass er (gegen die Klägerin) einen Konkursantrag gestellt hätte und der Lieferant „schauen solle, dass er das Geld bekomme“. Die Behauptungen des Zweitbeklagten, die er namens der Erstbeklagten abgegeben habe, seien unwahr und herabsetzend, weil sie den unrichtigen Eindruck erweckt hätten, die Klägerin sei insolvent. Dass die Erstbeklagte tatsächlich einen Konkursantrag gegen die Klägerin eingebracht habe, hätte nur als „Feigenblatt“ dienen sollen, um behaupten zu können, es sei wahr, dass ein Konkursantrag gestellt worden sei, zumal der Konkursantrag in der gestellten Form keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Die Beklagten wendeten ein, es bestünde zwischen den Streitteilen kein Wettbewerbsverhältnis, weil die Erstbeklagte ausschließlich Großhändlerin sei. Die Beklagten hätten nicht zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, sondern ausschließlich in Sorge um die Vermögenswerte der Erstbeklagten. Die Klägerin versuche Entscheidungen nach dem UWG herbeizuführen, bevor Entscheidungen in über wechselseitige Leistungsansprüche anhängigen Gerichtsverfahren vorliegen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es sei erweislich wahr, dass die Erstbeklagte einen Konkursantrag gegen die Klägerin gestellt habe. Das Unterlassungsbegehren sei auch zu weit und zu wenig konkret.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Abweichung von der oberstgerichtlichen Judikatur nicht zulässig sei. Wahre Tatsachenbehauptungen über das Unternehmen eines anderen seien erlaubt, selbst wenn diese Behauptungen für den anderen schädlich seien. Dem Beklagten könne die Behauptung und das Verbreiten der wahren Tatsache, das gegen die Klägerin ein Konkursantrag gestellt worden sei, selbst dann nicht verboten werden, wenn dies für das Ansehen der Klägerin nachteilig sei. Das Verbreiten der wahren Tatsache allein, dass ein Konkursantrag gestellt worden sei, sage nichts darüber aus, ob die Klägerin tatsächlich insolvent sei oder ob der Konkursantrag mangels der Voraussetzungen für ein Insolvenzverfahren abgewiesen werde. Es komme daher nicht darauf an, ob sich der Mitarbeiter der Lieferantin Sorgen um die Bonität der Klägerin gemacht habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist infolge korrekturbedürftiger Auslegung des Klagevorbringens durch die Vorinstanzen zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Nach den Klagebehauptungen äußerte sich der Zweitbeklagte namens der Erstbeklagten ab 25. Oktober 2010 gegenüber Geschäftspartnern, insbesondere einem bestimmten Mitarbeiter eines Lieferanten der Klägerin, dahin, dass er gegen die Klägerin ein Konkursantrag gestellt hätte und der Lieferant „schauen solle, dass er das Geld bekomme“. Beanstandet wird daher die Behauptung, dass gegen die Klägerin ein Konkursantrag gestellt worden sei, wodurch der unrichtige Eindruck erweckt worden sei, die Klägerin sei insolvent. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin zielt - abgesehen davon, dass es zunächst unbestimmt und zu weit ganz allgemein die Untersagung, unwahre Tatsachen zu behaupten oder zu verbreiten, die geeignet seien, den Betrieb oder den Kredit der Klägerin zu schädigen, erfasst - offenbar darauf ab, dem Beklagten die unwahre/herabsetzende Behauptung zu verbieten, die Klägerin sei insolvent.

In ihrer Äußerung zum Sicherungsantrag bestritten die Beklagten den von der Klägerin vorgebrachten Sachverhalt in Bezug auf die beanstandeten Behauptungen bloß allgemein, stellten die Information von der Stellung eines Konkursantrags nicht in Abrede und argumentierten auch nicht konkret gegen das Klagevorbringen, durch die Information über die Antragstellung den Eindruck erweckt zu haben, die Klägerin sei insolvent.

Die Vorinstanzen nahmen die Information des Geschäftspartners der Klägerin über den gestellten Konkursantrag als bescheinigt an, trafen aber keine Feststellungen zu der weiteren Klagebehauptung, der Zweitbeklagte habe dem Lieferanten nahegelegt, zu schauen, dass er zu seinem Geld komme. Es wird lediglich eine Negativfeststellung zur von der Klägerin behaupteten bloßen Schädigungs-/Wettbewerbsabsicht getroffen.

§ 7 Abs 1 UWG regelt (ua) den Unterlassungsanspruch des Verletzten gegenüber dem, der zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind.

Es kommt beim Begriff der Unwahrheit von Tatsachen iSd § 7 UWG nicht auf die objektive Unrichtigkeit, sondern darauf an, wie die betreffende objektiv vielleicht richtige Äußerung im Geschäftsverkehr aufgefasst wird. Auch eine objektiv wahre Mitteilung kann iSd § 7 UWG unwahr sein (RIS-Justiz RS0079684). Herabsetzende Tatsachenbehauptungen können auch durch bloße Andeutungen und Umschreibungen verbreitet werden (RIS-Justiz RS0078959; vgl Handig in Wiebe/G. Kodek, UWG, § 7 Rz 114). Wer eine mehrdeutige Äußerung macht, muss die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RIS-Justiz RS0079648); sofern diese Auslegung noch ernstlich in Betracht kommt (4 Ob 18/04g). Bei der Beurteilung kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an (4 Ob 204/03h); es ist nicht zielführend, einzelne Formulierungen unter grammatikalischen bzw logischen Gesichtspunkten zu analysieren, zumal für den Adressaten nicht erkennbar ist, in welchen Sätzen der werbende Unternehmer die „maßgeblichen“ Informationen untergebracht hat (1 Ob 303/02v = SZ 2003/20).

Diesen Grundsätzen folgend sind entgegen dem von den Vorinstanzen vertretenen Standpunkt nicht allein die Mitteilung über den Konkurseröffnungsantrag maßgebend, sondern auch die Begleitumstände dieser Äußerung bzw die damit im Zusammenhang stehenden allfälligen weiteren Behauptungen. Es mag schon sein, dass die bloße Information über die Konkursantragstellung nicht zwingend den Eindruck erweckt, der von der Antragstellung Betroffene sei tatsächlich insolvent, aufgrund des Zusammenhangs in dem diese Information gestellt wird, kann die Mitteilung aber - im Sinn des Klagevorbringens - sehr wohl diesen Eindruck vermitteln. Die Information über die Konkursantragstellung, wenn sie von einem Gläubiger kommt, vor allem aber, wenn sie mit dem Rat verbunden wird, sich auch hinsichtlich eigener Forderungen und deren Einbringlichmachung zu bemühen, erweckt den Eindruck, der von der Konkursantragstellung Betroffene sei tatsächlich insolvent, jedenfalls aber in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Erklärungsempfänger nimmt wohl nicht von vornherein an, ein Konkursantrag sei bloß „ins Blaue“ gestellt worden oder werde gar von vornherein missbräuchlich eingesetzt. Sollte die mit der Information über die Konkursantragstellung nach dem Klagevorbringen verbundene (oder eine gleichartige) Äußerung, der Lieferant solle schauen, dass er sein Geld bekomme, tatsächlich gemacht worden sein, erwiese sich die beanstandete Äußerung in ihrem Zusammenhang nicht nur als herabsetzend iSd § 7 Abs 1 UWG, sondern es müsste auch der dem Beklagten obliegende Wahrheitsbeweis im Hinblick auf die Abweisung des Konkursantrags mangels Bescheinigung der Zahlungsunfähigkeit als nicht erbracht angesehen werden. Der Wahrheitsbeweis ist zwar schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RIS-Justiz RS0079693), die Insolvenzbehauptung wird aber durch die bloße Konkursantragstellung, insbesondere wenn diese nicht zur Verfahrenseröffnung führt, auch nicht bloß im Wesentlichen bestätigt. Es bedarf daher der Überprüfung des Klagevorbringens im Hinblick auf die behaupteten mit der beanstandeten Äußerung im Zusammenhang stehenden Umstände und weiteren Äußerungen.

Darüber hinaus wird zu beachten sein, dass sich das Unterlassungsgebot immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren hat. Es ist daher auf die konkrete Verletzungshandlung sowie auf ähnliche Fälle einzuengen. Auf § 7 UWG gestützte Unterlassungsgebote sind eng zu fassen und auf die konkrete Behauptung sowie Behauptungen gleichen Inhalts zu beschränken (RIS-Justiz RS0115334). Sollten die in ihrer Gesamtheit und im Gesamtzusammenhang noch festzustellenden Äußerungen der Beklagten daher im Sinn des Klagevorbringens als bescheinigt angenommen und als unwahr und herabsetzend iSd § 7 UWG beurteilt werden, wäre das von der Klägerin erhobene Unterlassungsbegehren daher auf das Verbot der unrichtigen Behauptung zu beschränken, die Klägerin sei insolvent oder sinngleiche Behauptungen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 393 Abs 1 EO.

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