OGH 13Os107/11a

OGH13Os107/11a13.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Gordana S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 30. März 2011, GZ 607 Hv 4/10h-91, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden) Urteil wurde Gordana S***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (1) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat sie am 31. Mai 2010 in Wien

1) Ilse E***** vorsätzlich getötet, indem sie ihr mit einem Messer drei Stiche in die linke Halsseite und einen Stich in den Brustbereich versetzte, wodurch diese Läsionen der linken Halsschlagader und der Drosselblutader, eine linksseitige Luftbrustfüllung und eine Blutung in der Brusthöhle erlitt,

2) Ilse E***** fremde bewegliche Sachen, nämlich im Urteil näher beschriebene Schmuckstücke, durch Eindringen in deren Wohnung mit einem widerrechtlich aus einem Schlüsseltresor erlangten Wohnungsschlüssel mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Angeklagten aus Z 4 und 12 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) reklamiert Nichtigkeit (§ 159 Abs 3 StPO), weil im Ermittlungsverfahren getätigte Angaben des Psychotherapeuten der Angeklagten (ON 13 S 293 f), der nicht über sein Recht auf Verweigerung der Aussage nach § 157 Abs 1 Z 3 belehrt wurde (und angekündigt hatte, dieses in der Hauptverhandlung zu beanspruchen; ON 87 [ON 90 S 49]), vom einverständlichen (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) Vortrag der erheblichen Aktenstücke nach § 252 Abs 2a StPO nicht ausgenommen wurden (ON 90 S 77). Solcherart behauptet sie aber nicht Nichtigkeit aus Z 4, sondern eine aus Z 3 beachtliche Verlesung eines nichtigen Ermittlungsaktes, für welchen Nichtigkeitsgrund es allerdings am Erfordernis rechtzeitigen Widerspruchs mangelt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 238 f).

Im Übrigen hat die Angeklagte selbst ausgiebigen Konsum von Alkohol und Medikamenten in überhöhter Dosis vor der von ihr zugestandenen Tat geschildert (ON 13 S 339 f, ON 90 S 7, 15 ff und 37), sodass auch nicht erkannbar wäre, inwiefern die Aussage des Psychotherapeuten, der lediglich die von der Angeklagten zur Tatzeit benötigten Medikamente bezeichnet und ein angebliches Eingeständnis der Tat ihm gegenüber nicht bestätigt hat, für die Angeklagte hinsichtlich der in der Rüge thematisierten Frage ihrer Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt oder sonst nachteilig hätte sein können (§ 345 Abs 3 StPO).

Die zu 2 eine Verurteilung wegen Diebstahl nach § 127 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 12) leitet mit der Behauptung, die Angeklagte sei „ursprünglich berechtigt“ gewesen, den Code, der ihr „für ihre Tätigkeit als Heimkrankenhilfe vom Arbeitgeber bekannt gegeben“ worden war, „einzutippen um den Schlüssel zur Wohnung zu erlangen“, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS-Justiz RS0118429), weshalb der Schlüssel, der von der Angeklagten ohne aktuelle Berechtigung mittels Code aus dem Tresor erlangt wurde, rechtmäßig in deren Gewahrsam gelangt sein soll (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0093818).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur von einer nicht geltend gemachten, der Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend das Einziehungserkenntnis überzeugt (§ 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO).

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298), die hinsichtlich des im Urteil nicht näher konkretisierten „sichergestellten Messers“ nicht beurteilt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0082031).

Da die Staatsanwaltschaft Berufung zum Nachteil der Angeklagten erhoben hat und sich die Berufung der Angeklagten allein gegen die Strafe richtet, war die Nichtigkeit vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 344, 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung der die Einziehung betreffenden Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 13 StPO zu Gunsten der Angeklagten verwehrt ist (vgl RIS-Justiz RS0100042, 13 Os 148/10d).

Der Kostenausspruch, der sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte