OGH 6Ob211/11i

OGH6Ob211/11i13.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** F*****, vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A***** F*****, vertreten durch Dr. Anton Becker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abberufung eines Geschäftsführers (Streitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juni 2011, GZ 1 R 74/11a-58, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage, ob ein „wichtiger Grund“ für die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers iSd § 16 Abs 2 GmbHG iVm §§ 117, 127 UGB vorliegt, hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass diese regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0118175).

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Allgemeinen ein wichtiger Grund dann gegeben, wenn die Umstände das Verbleiben des Geschäftsführers unzumutbar machen. Dabei sind insbesondere im Hinblick auf die Interessen der Gesellschaft die Gesamtumstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen sämtlicher Gesellschafter zu würdigen (RIS-Justiz RS0118175 [T2, T3], RS0059623 [T1, T4], RS0059403, RS0059537). Zu würdigen ist dabei auch das Schadenspotential der Fehlentwicklung sowie ihr vorübergehender oder dauernder Charakter.

2.2. Das Vorliegen wichtiger Gründe iSd §§ 117, 127 UGB hat schon nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger zu beweisen (6 Ob 63/03p). Die in der Revision vertretene Auffassung, dass der Beklagte unter Beweis hätte stellen müssen, dass der Verkauf nicht zu einem gravierenden Missverhältnis zum zu erwartenden Erfolg der Durchführung des Projekts gestanden sei, steht mit dieser Beweislastverteilung nicht in Einklang.

3.1. Auch in Fällen, in denen ein Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag vorliegt, weil entgegen den Bestimmungen der Satzung der erforderliche Mehrheitsbeschluss nicht eingeholt wird, kommt es darauf an, ob dieser Pflichtverletzung insgesamt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein solches Gewicht beigemessen werden kann, dass von einer so wesentlichen Verletzung gesprochen werden kann, dass der weitere Verbleib des Geschäftsführers unzumutbar ist (vgl GmbHR 1991, 197).

3.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte der Kläger 90.000 EUR kurzfristig von der Gesellschaft entlehnt und diesen Betrag nicht rechtzeitig zurückgezahlt, sodass der Gesellschaft Liquiditätsprobleme drohten. Jedenfalls in Anbetracht dieses Umstands ist in der Auffassung des Berufungsgerichts, dass im konkreten Fall ausgehend von den Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft die Vorgangsweise des Beklagten, die im Eigentum der Gesellschaft stehende Liegenschaft ungeachtet der fehlenden Zustimmung des Klägers zu veräußern, kein für die Bejahung eines Abberufungsgrundes erforderliches gravierendes Fehlverhalten darstellt, keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

4. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen handelt es sich bei der veräußerten Liegenschaft um die einzigen Aktiva der Gesellschaft. Die im Rahmen der Rechtsrüge enthaltenen Ausführungen zur angeblichen Verpflichtung zur Weiterleitung der lukrierten Mietzinse stellen lediglich einen unzulässigen und damit unbeachtlichen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zu bekämpfen. Das Berufungsgericht hat sich mit den in der Berufung im Rahmen der Tatsachenrüge erhobenen Argumenten ausführlich auseinandergesetzt und nachvollziehbar begründet, dass im konkreten Fall keine derartige Verpflichtung bestand.

5. Die Ausführungen der Revision über angebliche Verfahrensmängel bzw Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit dem Betrag von 90.000 EUR stellen in Wahrheit im Revisionsverfahren unzulässige Versuche dar, die erstgerichtliche und vom Berufungsgericht überprüfte Beweiswürdigung in Frage zu stellen, um von den Feststellungen der Vorinstanzen abweichende Tatumstände der vom Kläger gewünschten rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren aber nicht geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043371); der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden.

6. Damit bringt der Kläger aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Stichworte