OGH 10Ob54/11f

OGH10Ob54/11f4.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H***** GmbH, *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Bruno Binder ua Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Mag. D***** K*****, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, wegen 127.500 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. März 2011, GZ 3 R 199/10w-29, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 13. August 2010, GZ 1 Cg 179/09b-24, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird wie aus dem Kopf dieser Entscheidung ersichtlich berichtigt.

2. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.207,70 EUR (davon 367,95 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

1. Das Sanierungsverfahren über das Vermögen der klagenden Partei ist durch den rechtskräftigen Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 17. 3. 2011, AZ 14 S 64/10z, dass der am 1. 3. 2011 angenommene Sanierungsplan bestätigt wird, aufgehoben. Gemäß § 59 IO trat die Schuldnerin wieder in das Recht ein, über ihr Vermögen frei zu verfügen.

Rechtliche Beurteilung

2. Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gemäß der Regelung des letzten Satzes des § 510 Abs 3 ZPO, der kraft Größenschlusses auch für die Zurückweisung eines von der zweiten Instanz wegen einer - in Wahrheit nicht vorliegenden - erheblichen Rechtsfrage zugelassenen Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss im Berufungsverfahren nach § 519 Abs 2 ZPO gilt (RIS-Justiz RS0043691), kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht hat die Willenserklärungen der Streitteile vom 7. 1. 2008 nicht als konstitutives Anerkenntnis des Beklagten, sondern als Vergleich (§ 1380 ABGB) der Streitteile über die strittige Höhe der Werklohnforderung der klagenden Partei qualifiziert. Beim Vergleich setzten die Parteien an die Stelle einer streitigen oder zweifelhaften Verbindlichkeit durch gegenseitiges Nachgeben eine neue, eindeutige (RIS-Justiz RS0032681). Ein Recht ist dann strittig oder zweifelhaft, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können, ob oder in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht (RIS-Justiz RS0032654). Die Auffassung des Beklagten, dass bei einem Vergleich das ursprüngliche Rechtsverhältnis dem Grunde nach strittig sein müsse, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat diese Leitlinien der Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Seine Auslegung der Erklärungen der Streitteile nach den Gesamtumständen des Anlassfalls ist eine Frage des Einzelfalls und begründet daher - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0044358; RS0042936). Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedenfalls vertretbar. Der Sachverhalt, der der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 730/89 zugrunde lag, ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, in dem davon auszugehen ist, dass die Streitteile über die Höhe der Werklohnforderung stritten.

Die Festlegung des Umfangs der Bereinigungswirkung eines Vergleichs liegt in der Hand der Parteien (Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ § 1380 Rz 8 mwN). „Im Zweifel“ erstreckt sie sich auf alle gegenseitigen Forderungen, an die die Parteien denken konnten (RIS-Justiz RS0032453 [T18]). Diese Bereinigungswirkung tritt auch dann ein, wenn in den Vergleich keine Generalklausel aufgenommen wurde (RIS-Justiz RS0032453 [T20]).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass nach diesen Grundsätzen und den konkret bezeichneten Gesamtumständen des Falls die Bereinigungswirkung des Vergleichs „im Zweifel“ die Pönaleforderung des Beklagten, seine allfällige Gegenforderung für Ersatzvornahmen und Gewährleistungsansprüche mit Ausnahme jener umfasste, die bei Abschluss des Vergleichs noch nicht ersichtlich und ihrer Art nach auch nicht konkret zu erwarten waren, ist eine nicht korrekturbedürftige Vertragsauslegung im Einzelfall.

Wenn das Berufungsgericht im Hinblick auf §§ 182, 182a ZPO das Vorbringen des Beklagten über Mängel des Bauwerks für erörterungsbedürftig erachtete, um beurteilen zu können, ob Gewährleistungsansprüche aus diesen Mängeln von der Bereinigungswirkung des Vergleichs erfasst sind oder nicht, so kann dem der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, so sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet ein Kostenersatz statt, wenn - wie hier - der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0123222; RS0035976 [T2]).

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