OGH 8Ob89/11p

OGH8Ob89/11p29.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der nichtigkeitsklagenden Partei Dr. G***** F*****, vertreten durch Mag. Alexandra Schwarz, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Mag. Dr. Christian Gepart, Rechtsanwalt in Wien, gegen die nichtigkeitsbeklagte Partei F***** Familienstiftung, *****, wegen Nichtigerklärung der im Verfahren AZ ***** des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien ergangenen Entscheidungen erster, zweiter und dritter Instanz, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsklage wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom *****, wurde die (ua) gegen die Nichtigkeitsklägerin (als Erstbeklagte im Vorverfahren) erhobene gerichtliche Aufkündigung vom 27. 3. 2007 für rechtswirksam erklärt und die Nichtigkeitsklägerin zur Räumung der betreffenden Mietwohnung samt Fahrnissen verpflichtet. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom *****, nicht Folge gegeben. Die außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom *****, gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage bekämpft die Nichtigkeitsklägerin die im Vorverfahren ergangenen Entscheidungen des Erstgerichts, des Berufungsgerichts und des Obersten Gerichtshofs aus dem Grund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO mit der Begründung, dass der Rechtsvertreter der Nichtigkeitsbeklagten (Klägerin im Vorverfahren) zur Führung des Aufkündigungsverfahrens nicht bevollmächtigt und die Nichtigkeitsbeklagte daher nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Der damals Zeichnungsberechtigte der Nichtigkeitsbeklagten habe erklärt, den Rechtsvertreter nicht mit der Aufkündigung bevollmächtigt zu haben. Zu der vom Rechtsvertreter vorgelegten Vollmacht vom 7. 10. 2002 habe er weder das Datum noch die Echtheit seiner Unterschrift zweifelsfrei bestätigen können. Zudem habe er erklärt, aus Anlass seines Ausscheidens aus dem Stiftungsrat der Nichtigkeitsbeklagten sämtliche von ihm erteilten Vollmachten zurückgezogen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dazu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

1. Gemäß § 529 Abs 1 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch die eine Sache erledigt ist, durch Nichtigkeitsklage angefochten werden. Die Sache wird „erledigt“ durch Urteile und ihnen gleichgestellte Entscheidungen, die abschließend über ein Rechtsschutzbegehren absprechen. Darunter fallen alle in Beschlussform ergehenden Sachentscheidungen, aber auch Beschlüsse, die das Verfahren abschließend beenden. Mit der Entscheidung 2 Ob 6/03a wurde klargestellt, dass dazu auch Beschlüsse des Obersten Gerichtshofs auf Zurückweisung einer außerordentlichen Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zählen. Damit ist gemäß § 532 ZPO die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung über die vorliegende Nichtigkeitsklage gegeben, weil mit dieser auch seine „Endentscheidung“ bekämpft wird (2 Ob 6/03a; 5 Ob 208/06h).

2.1 Gemäß § 538 Abs 1 ZPO ist die Nichtigkeitsklage ohne Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen, wenn kein tauglicher Anfechtungsgrund geltend gemacht wird oder ein Zurückweisungsgrund vorliegt. Letzteres ist ua der Fall, wenn die Beschwer des Rechtsmittelklägers fehlt oder die Nichtigkeitsklage nicht rechtzeitig erhoben wurde (Jelinek in Fasching/Konecny 2 § 538 ZPO Rz 13).

2.2 In Bezug auf die Beschwer ist zu beachten, dass zur Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO grundsätzlich nur jene Partei berechtigt ist, auf deren Seite einer der in der genannten Gesetzesstelle bezeichneten Mängel vorgelegen war (RIS-Justiz RS0044428). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat somit selbst der im Vorprozess Unterlegene dann kein Klagerecht, wenn er vom Rechtsmittelklagegrund nicht betroffen ist. Dies gilt etwa für die Prozessunfähigkeit der Gegenpartei und ebenso für den Fall, dass der Rechtsvertreter der Gegenpartei zur Prozessführung nicht bevollmächtigt und die Gegenpartei daher nicht (ordnungsgemäß) vertreten war.

Mit der Frage der Berechtigung der vom Nichtigkeitsgrund formell nicht betroffenen Partei zur Erhebung der Nichtigkeitsklage hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 10/02f unter Auseinandersetzung mit den einschlägigen Lehrmeinungen ausführlich beschäftigt. Aus dieser Entscheidung folgt, dass ein Klagerecht der „anderen Partei“ nur dann bejaht werden kann, wenn sich der nur den Gegner betreffende Rechtsmittelklagegrund zumindest im Exekutionsverfahren zum Nachteil des (im Anlassverfahren siegreichen) Nichtigkeitsklägers auswirkt (vgl auch 8 Ob 80/03b). Derartiges ist hier nicht der Fall.

Nach diesen Erwägungen mangelt es der Nichtigkeitsklägerin am Klagerecht bzw an der Beschwer. Die Nichtigkeitsklage war daher zurückzuweisen.

3. Nicht näher geprüft werden muss an sich die Frage der Heilung des behaupteten Vollmachtsmangels durch nachträgliche Genehmigung der Nichtigkeitsbeklagten (s dazu Jelinek aaO § 529 ZPO Rz 62). Dazu wird angemerkt, dass die Nichtigkeitsklägerin selbst ausführt, die fehlende Vertretungsmacht des Rechtsvertreters könne nur dann einen Nichtigkeitsgrund begründen, wenn die Prozessführung nicht nachträglich (ordnungsgemäß) genehmigt worden sei.

Nach dem Vorbringen der Nichtigkeitsklägerin wurde die Nichtigkeitsbeklagte noch während des Revisionsverfahrens im Vorprozess um Aufklärung ersucht, ob deren Rechtsvertreter zur Führung des Verfahrens bevollmächtigt gewesen sei, was diese (mit Schreiben vom 14. 2. 2011) bejaht habe. Demnach hatte die Nichtigkeitsbeklagte schon vor rechtskräftiger Erledigung des Vorverfahrens von der Prozessführung durch den Rechtsvertreter Kenntnis; die Nichtigkeitsbeklagte stimmte der Prozessführung auch ausdrücklich zu.

Stichworte