OGH 2Ob61/11a

OGH2Ob61/11a16.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Legat, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagten Parteien 1. A***** A*****, und 2. U***** AG, *****, beide vertreten durch Mag. Johannes Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 18.139,90 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 12.123,40 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2011, GZ 11 R 248/10m‑38, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 2010, GZ 60 Cg 262/09d‑27, teilweise aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00061.11A.0916.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 922,07 EUR (darin enthalten 153,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte von den Beklagten Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall in Höhe von 18.139,90 EUR sA. Nach Erhebung von Einspruch durch die Beklagten brachte die Klägerin ‑ nach Aufforderung durch das Erstgericht ‑ einen vorbereitenden Schriftsatz ein, der die Überschrift „Aufgetragener Schriftsatz-Klagseinschränkung“ trug. Darin erklärte sie, das Klagebegehren zu modifizieren, berechnete dieses neu und bezifferte das „restliche Klagebegehren“ mit 6.016,50 EUR. Der daraufhin anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung blieb die Klägerin bzw ihr Vertreter fern.

Das Erstgericht wies mit negativem Versäumungsurteil das Klagebegehren über 18.139,90 EUR samt Zinsen ab.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Versäumungsurteil infolge Berufung der Klägerin im Umfang der Abweisung eines Klagebegehrens von 12.123,40 EUR sA ersatzlos auf und bestätigte es im Umfang der Abweisung von 6.016,50 EUR sA. Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob eine in erster Instanz mit Schriftsatz erklärte Klagseinschränkung mündlich vorgetragen werden müsse, um wirksam zu werden, in jüngerer Zeit nicht Stellung genommen habe und das Berufungsgericht der dazu vorliegenden älteren höchstgerichtlichen Judikatur nicht gefolgt sei. Das Berufungsgericht erachtete das Erfordernis des Vortrags der (im Schriftsatz vorgebrachten) Klagseinschränkung in der mündlichen Verhandlung für nicht gegeben. Es sei zwar richtig, dass für Klagsausdehnungen diese Wirksamkeitsvoraussetzung bestehe, weil § 232 Abs 2 ZPO den Eintritt der Streitanhängigkeit für erst während des Verfahrens geltend gemachte Ansprüche an den Vortrag in der mündlichen Verhandlung knüpfe. Auf Klagseinschränkungen sei diese Bestimmung aber schon ihrem Wortlaut nach nicht anzuwenden. Für Klagseinschränkungen könne nichts anderes gelten wie für die Zurücknahme einer Klage nach § 237 ZPO. Diese Prozesshandlung könne in Form eines Schriftsatzes oder mündlich in der Streitverhandlung vorgenommen werden. Die schriftliche Klagerücknahme bedürfe zu ihrer Wirksamkeit keines Vortrags in der mündlichen Verhandlung. Die Überlegung, dass das Verfahren nach einer Klagerücknahme abgeschlossen sei, während im Fall einer Klagseinschränkung ohnedies noch eine (weitere) mündliche Verhandlung durchzuführen sei, treffe nur den Regelfall einer Klagerücknahme in erster Instanz, nicht aber jene Fälle, in welchen ‑ wie etwa hier ‑ ausnahmsweise keine Streitverhandlung mehr stattfinde. Gerade im Fall eines negativen Versäumungsurteils sei nicht einzusehen, weshalb zwar die schriftlich erklärte Klagseinschränkung mündlich vorgetragen werden müsste, nicht aber die ebenfalls nur schriftlich vorliegende Klage, die doch den Gegenstand der Entscheidung bilde. Diesbezüglich ergebe sich also schon aus dem Gesetz eine Ausnahme vom Mündlichkeitsprinzip. Eine mündliche Erörterung der Streitpunkte finde im Säumnisfall niemals statt. Im Übrigen würden auch Klagseinschränkungen in Rechtsmittelschriften für zulässig erachtet. Auch dort werde am Erfordernis der Mündlichkeit nicht festgehalten. Das Berufungsgericht ging daher davon aus, dass die Klagseinschränkung mit Zugang des Schriftsatzes wirksam wurde. Das damit fallengelassene Begehren sei im Zeitpunkt der Entscheidung bereits aus dem Prozessrechtsverhältnis ausgeschieden. Am Umfang des aufrecht erhaltenen Zahlungsbegehrens habe nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin ‑ auch ohne Neuformulierung des (auch Zinsen umfassenden) Leistungsbefehls ‑ kein Zweifel bestehen können. Die dieses Begehren überschreitende Sachentscheidung des Erstgerichts habe gegen § 405 ZPO verstoßen. Sie sei daher in diesem Umfang aufzuheben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben. Nur die Klagsrücknahme könne auch durch einen dem Beklagten zugegangenen Schriftsatz erfolgen, nicht jedoch die Klagseinschränkung. Dies deshalb, weil das Verfahren nach einer Klagsrücknahme abgeschlossen sei, sodass keine Verhandlung mehr erforderlich sei. Auch wenn eine Klagseinschränkung auf Kosten vorgenommen werde, müsse das Gericht noch eine Kostenentscheidung fällen, für welche jedenfalls noch eine mündliche Verhandlung anzuberaumen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 176 ZPO verhandeln die Parteien vor dem erkennenden Gericht über den Rechtsstreit mündlich. Der ‑ auch in Art 90 B-VG verankerte ‑ Mündlichkeitsgrundsatz ist in der Zivilprozessordnung jedoch nicht in reiner Form verwirklicht, sondern mit Elementen der Schriftlichkeit kombiniert. Jeder Zivilprozess wird grundsätzlich durch schriftliche Klage eingeleitet. Ebenso ist das Verfahren vor der mündlichen Verhandlung schriftlich (Fasching in Fasching/Konecny 2 II/1 Einl Rz 24-26). Beschränkungen der Mündlichkeit ergeben sich auch durch Untätigkeit der Parteien. So entfällt die mündliche Verhandlung mit beiden Parteien, wenn eine von ihnen, bevor sie sich durch mündliches Vorbringen zur Hauptsache in den Streit eingelassen hat, zur Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erscheint (Schragel in Fasching/Konecny 2 § 176 ZPO Rz 7).

2. Im Hinblick auf den Verfahrensgrundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht kann in Schriftsätzen enthaltenes Vorbringen grundsätzlich nur dann berücksichtigt werden, wenn es in der Verhandlung mündlich vorgetragen wurde (RIS-Justiz RS0036700). Hievon wird nach der Rechtsprechung jedenfalls im Falle einer Klagsrücknahme eine Ausnahme gemacht (RIS‑Justiz RS0039798).

In der Entscheidung 4 Ob 605, 606/81 (= EvBl 1982/141; ihr folgend 7 Ob 6/04i) wurde ausgeführt, dass die Klagsrücknahme im Gegensatz zur Klagseinschränkung und Klagsausdehnung nicht nur durch eine in der Verhandlung abgegebene Erklärung, sondern auch durch einen dem Beklagten zuzustellenden Schriftsatz erfolgen könne. Dieser Regelung liege der Umstand zu Grunde, dass das Verfahren nach einer Klagsrücknahme abgeschlossen sei, so dass eine Verhandlung nicht mehr erforderlich sei.

In der Entscheidung 7 Ob 707, 708/88 (verstärkter Senat) wurde ausgesprochen, dass die Klagsausdehnung mittels Schriftsatz auch nach Streitanhängigkeit zulässig sei und mit dem Einlangen bei Gericht die Verjährung unterbreche. Die Endgültigkeit der Unterbrechungswirkung sei allerdings vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 235 Abs 2 und 3 ZPO sowie von jenen Umständen abhängig, die auch für die Klage gelten; dazu gehöre der spätere Vortrag in der mündlichen Verhandlung.

3. Für den vorliegenden Fall ist zu klären, ob der Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens der Wirksamkeit der mittels Schriftsatz vorgenommenen Klagseinschränkung trotz unterbliebenen Vortrags in der ‑ von der Klägerin unbesucht gebliebenen ‑ mündlichen Verhandlung entgegen steht.

In der Lehre wird die Klagseinschränkung als partielle Klagsrücknahme erachtet (Rechberger/Klicka in Rechberger 3 §§ 237-238 ZPO Rz 13 mwN). Dem ist im gegebenen Zusammenhang zuzustimmen, ist doch kein Grund ersichtlich, der es erfordern würde, die (bloße) Einschränkung der Klage hier höheren Anforderungen zu unterwerfen als die gänzliche Zurücknahme derselben. Dass im Fall einer Klagseinschränkung ohnedies noch eine (weitere) mündliche Verhandlung stattfinde, ist gerade im vorliegenden Fall nicht gegeben. Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass im Fall eines negativen Versäumungsurteils auch der Klagsschriftsatz nicht mündlich vorgetragen wird sowie dass eine Klagseinschränkung selbst noch im (regelmäßig schriftlichen) Revisionsverfahren zulässig ist (2 Ob 275/05p mwN).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass eine Klagseinschränkung auch durch Schriftsatz erklärt werden kann und sie ‑ entgegen der bisherigen Rechtsprechung ‑ zu ihrer Wirksamkeit nicht des Vortrags in der mündlichen Verhandlung bedarf. Davon bleibt jedoch der für Klagsausdehnungen geforderte Vortrag in der mündlichen Verhandlung unberührt.

Der Revision der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50 und 41 Abs 1 ZPO.

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