OGH 6Ob81/11x

OGH6Ob81/11x14.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****-GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Bruckmüller Zeitler Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Einwilligung (Streitwert 1.000.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Februar 2011, GZ 3 R 27/11b-14, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Dezember 2010, GZ 5 Cg 72/10y-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei und die beklagte Partei sind seit 18. 5. 2004 (klagende Partei) bzw 10. 2. 2007 (beklagte Partei) jeweils zu 50 % Gesellschafter der Firma H***** GmbH (in der Folge kurz: H*****).

Rechtsvorgängerin der beklagten Partei war die S***** Holding GmbH.

Vor dem Eintritt der klagenden Partei als Gesellschafterin der H***** war die M***** GmbH zu 50 % Gesellschafterin. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 26. 4. 2004 wurde die H***** als übernehmende Gesellschaft mit der M***** GmbH als übertragene Gesellschaft verschmolzen.

Die vormaligen Gesellschafter der H***** (M***** GmbH und S***** Holding GmbH) fassten in der Gesellschafterversammlung vom 21. 11. 2003 einen Generalversammlungsbeschluss, mit welchem der Gesellschaftsvertrag der H***** ua wie folgt geändert wurde:

12. Vorkaufs- und Aufgriffsrecht

...

(13) Die Gesellschafter C***** und S***** Holding räumen sich wechselseitig eine Option auf den Erwerb für 1 % Nominale der Geschäftsanteile ein, wenn bei C***** oder S***** Holding ein Gesellschafterwechsel oder eine Verpfändung von Anteilen erfolgt. Der Kaufpreis beträgt 1 % des jeweiligen Nominalkapitals. Von dieser Option ausgeschlossen ist die Übertragung der Geschäftsanteile von C***** oder S***** Holding an bisherige Gesellschafter der jeweiligen Gesellschaften bzw Ehegatten und eheliche Kinder.“

Der Generalversammlungsbeschluss und die Änderung des Gesellschaftsvertrags wurden notariell beurkundet. Ein Notariatsakt wurde nicht errichtet. Dieser Generalversammlungsbeschluss samt neuer Fassung des Gesellschaftsvertrags wurde am 4. 12. 2003 im Firmenbuch eingetragen.

Mit Verschmelzungsvertrag vom 29. 9. 2006 wurde die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei (S***** Holding GmbH) als übertragende Gesellschaft mit der beklagten Partei als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Dieser Generalversammlungsbeschluss wurde mit Beschluss des Firmenbuchgerichts vom 6. 10. 2006 in das Firmenbuch eingetragen.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Einwilligung in einen im Klagebegehren näher umschriebenen, in Form eines Notariatsakts zu errichtenden Abtretungsvertrag. Dazu brachte sie zusammengefasst vor, dass sich die Gesellschafter der H***** (die klagende Partei und die S***** Holding GmbH) bei der am 21. 11. 2003 abgehaltenen Generalversammlung wechselseitig eine Option auf den Erwerb von 1 % der Nominale eines Geschäftsanteils zu einem Kaufpreis in Höhe von 1 % des jeweiligen Nominalkapitals für den Fall eingeräumt hätten, dass es auf Seiten eines Gesellschafters zu einem Gesellschafterwechsel kommen sollte. Durch die mit Generalversammlungsbeschluss vom 29. 9. 2006 erfolgte Verschmelzung der S***** Holding GmbH mit der beklagten Partei sei dieser Optionsfall eingetreten, sodass die klagende Partei nunmehr berechtigt sei, 1 % der Geschäftsanteile der H***** einzufordern.

Die klagende Partei sei im Mai 2007 in Ausübung dieses Optionsrechts an die beklagte Partei herangetreten und habe diese aufgefordert, 1 % des Geschäftsanteils der H***** an die klagende Partei zu übertragen. Dies sei von der beklagten Partei abgelehnt worden. Die dafür angeführte Begründung (Unwirksamkeit der Optionsvereinbarung wegen Mangels in den Formvorschriften) sei unrichtig. Eine notarielle Beurkundung des satzungsändernden Gesellschaftsbeschlusses sei ausreichend. Jedenfalls sei jedoch dieser allfällige Formmangel dadurch geheilt, dass der Generalversammlungsbeschluss vom 21. 11. 2003 am 27. 2. 2004 in das Firmenbuch eingetragen wurde. Aus diesem Grund sei das zwischen den Streitteilen vereinbarte Aufgriffsrecht wirksam. Eine Nichtigkeit der vertraglichen Abtretungsverpflichtung sei nicht gegeben.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, dass das zwischen den Streitteilen vereinbarte Aufgriffsrecht wegen eines Formfehlers - mangelnder Notariatsakt - nichtig und daher nicht wirksam sei. Ein Formmangel wegen Fehlens eines Notariatsakts könne nur durch einvernehmliche Errichtung eines Notariatsakts geheilt werden. Die von der klagenden Partei herangezogene Bestimmung des § 200 Abs 1 AktG, wonach die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses durch die Eintragung in das Firmenbuch heilen würde, sei hier nicht anwendbar. Der Heilungstatbestand dieser Bestimmung betreffe nur einen Formmangel bei einer notariellen Beurkundung. Daher könne bei Fehlen des zwingend vorgesehenen Notariatsakts dieser Heilungstatbestand nicht greifen.

Das Aufgriffsrecht sei nicht als Option, sondern in Form eines Vorvertrags eingeräumt worden. Die Jahresfrist des § 936 ABGB, die durch außergerichtliches Begehren nicht gewahrt werden könne, sei nach dem Vorbringen der klagenden Partei bereits mit 23. 1. 2008 (ein Jahr nach Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch) abgelaufen, sodass mangels rechtzeitiger Klagseinbringung das Recht auf Abschluss des Abtretungsvertrags aus der vertraglichen Abtretungsverpflichtung präkludiert sei.

Im Übrigen sei die klagende Partei nicht zur Geltendmachung des Aufgriffsrechts berechtigt, weil sie bei der Gesellschafterversammlung am 21. 11. 2003 nicht anwesend gewesen sei und daher weder verpflichtet noch berechtigt habe werden können. Zudem liege kein Gesellschafterwechsel im Sinne des vereinbarten Aufgriffsrechts vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das im Gesellschaftsvertrag eingeräumte Aufgriffsrecht sei einer Option auf den Erwerb von Gesellschaftsanteilen zu vergleichen. Diese Vereinbarung bedürfe gemäß § 76 Abs 2 GmbHG der Notariatsaktsform.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die klagende Partei habe kein Vorbringen erstattet, wie es trotz des Umstands, dass sie am 21. 11. 2003 gar nicht anwesend war, zur Einräumung eines Aufgriffsrechts gekommen sei. Das Aufgriffsrecht stehe der klagenden Partei sohin schon mangels einer Vereinbarung, auf die sie sich im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich gestützt habe, nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.

1.1. Bereits in der Klage brachte die klagende Partei vor, dass sich die klagende Partei und die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei bei der am 21. 11. 2003 abgehaltenen Generalversammlung der H***** wechselseitig eine Option auf den Erwerb von 1 % der Nominale eines Gesellschaftsanteils zu einem Kaufpreis in Höhe von 1 % des jeweiligen Nominalkapitals eingeräumt hätten, dies für den Fall, dass es auf Seiten eines Gesellschafters zu einem Gesellschafterwechsel kommen sollte.

1.2. Ebenfalls bereits in der Klage wies die klagende Partei darauf hin, dass diese Option in Punkt 12 Abs 13 des Gesellschaftsvertrags aufgenommen wurde. Die Klage enthielt auch bereits das Vorbringen, dass die klagende Partei im Mai 2007 an die beklagte Partei herangetreten sei und sie aufgefordert habe, ihrer vertraglichen Verpflichtung im Gesellschaftsvertrag nachzukommen und der klagenden Partei 1 % des Gesellschaftsanteils der beklagten Partei zu übertragen.

1.3. Bereits im vorbereitenden Schriftsatz vom 6. 10. 2010 brachte die klagende Partei zudem vor, dass für das klagsgegenständliche Aufgriffsrecht die notarielle Beurkundung des satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses ausreichend sei.

1.4. Damit hat das Berufungsgericht das Vorbringen der klagenden Partei in der Klage sowie im zitierten vorbereitenden Schriftsatz grob unzutreffend ausgelegt (RIS-Justiz RS0042828 [T15, T11 und T31]).

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der ausführlich begründeten Entscheidung 6 Ob 63/10y ausgesprochen, dass für ein Aufgriffsrecht in der Satzung die notarielle Beurkundung ausreicht. Eine „doppelte Formvorschrift“ dahingehend, dass zusätzlich zur für die Satzungsänderung erforderlichen notariellen Beurkundung auch die Notariatsaktspflicht des § 76 Abs 2 GmbHG einzuhalten sei, wurde ausdrücklich abgelehnt.

2.2. Im Hinblick auf die Entscheidung 6 Ob 63/10y ist der Rechtsstandpunkt der beklagten Partei, dass auf formelle Satzungsbestandteile auch dann nicht die Vorschriften über die Änderung des Gesellschaftsvertrags anzuwenden seien, wenn ein Aufgriffsrecht betroffen ist, überholt.

2.3. Soweit die beklagte Partei versucht, die Entscheidung 6 Ob 63/10y auf „echte“ statutarische Aufgriffsrechte zu beschränken, findet diese Einschränkung ebenso wie die Auffassung von Kraus in seiner Entscheidungsanmerkung (wbl 2011/125), der Parteiwille könne der Einordnung eines in die Satzung aufgenommenen Aufgriffsrechts als materieller Satzungsbestandteil entgegenstehen, in der Entscheidung keine Grundlage. Vielmehr spricht der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung davon, dass es sich bei Aufgriffsrechten meist um materielle Satzungsbestandteile handle. Damit geht die Entscheidung aber implizit davon aus, dass die notarielle Beurkundung auch für bloß formelle Satzungsbestandteile ausreicht; dieser Grundsatz wird in der Entscheidung gerade nicht auf materielle Satzungsbestandteile beschränkt. Dadurch erübrigen sich auch mitunter heikle Abgrenzungsfragen.

2.4. Die in der Entscheidung 6 Ob 63/10y entwickelten Grundsätze gelten auch dann, wenn in die Satzung ein Aufgriffsrecht Dritter aufgenommen wird (vgl Foglar-Deinhartstein, GesRZ 2011, 121 [126]). Weder unter dem Aspekt der Verhinderung eines börseartigen Handels der Gesellschaftsanteile noch in Hinblick auf die übrigen Zwecke der Notariatsaktspflicht des § 76 Abs 2 GmbHG ist in diesem Fall die Einhaltung der Notariatsaktspflicht geboten (Foglar-Deinhartstein aaO; vgl auch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 76 Rz 19).

2.5. Dass die Aufnahme eines solchen Gestaltungsrechts in die Satzung zulässig ist, ist in Rechtsprechung und Lehre völlig unbestritten (vgl SZ 38/87; 8 Ob 631/90 ecolex 1992, 481; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 4 Rz 20; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I² Rz 1/55). Zwar werden in der Praxis Vorkaufsrechte in der Regel Mitgesellschaftern eingeräumt (Weismann, Übertragungsbeschränkungen bei GmbH-Geschäftsanteilen [2008] 135); es ist jedoch nicht ausgeschlossen, derartige Rechtspositionen auch Dritten einzuräumen. Dies muss um so mehr dann gelten, wenn - wie sich aus der vorwegnehmenden Bezeichnung der C***** als „Gesellschafterin“ in der zitierten Satzungsänderung ergibt - schon bei Einräumung des Aufgriffsrechts vorgesehen ist, dass der betreffende Dritte unabhängig von der Ausübung des Aufgriffsrechts selbst Gesellschafterstellung erlangen soll.

2.6. Im Übrigen wäre, selbst wenn man im Sinne des Rechtsstandpunkts der beklagten Partei die zitierte Satzungsbestimmung nicht als „echten“ (materiellen) Satzungsbestandteil versteht, sondern als bloße vertragliche Vereinbarung, daraus für die beklagte Partei nichts zu gewinnen, weil die Vereinbarung diesfalls als Vertrag zu Gunsten eines Dritten, nämlich der im Gesellschaftsvertrag bereits ausdrücklich angeführten C*****, sohin der klagenden Partei, zu verstehen wäre.

2.7. Die gegenständliche Satzungsbestimmung kann auch nicht als Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB verstanden werden, sodass die Jahresfrist des § 936 Satz 2 ABGB im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle spielt.

3. Das Vorbringen der beklagten Partei, es fehle an einer Anspruchsgrundlage, übersieht, dass das Aufgriffsrecht der klagenden Partei in der Satzung statuiert ist. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über dieses Aufgriffsrecht noch nicht Gesellschafterin war, schadet nach dem Gesagten nicht. Das Vorbringen der beklagten Partei, wonach keine Vereinbarung zwischen der klagenden Partei und ihr vorliege, verkennt, dass die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei (S***** Holding GmbH) als übertragende Gesellschaft mit der beklagten Partei als übernehmende Gesellschaft verschmolzen wurde, sodass insoweit ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge vorliegt.

4.1. Allerdings fehlen bisher Feststellungen zur Gesellschafterstruktur der Gesellschafter der H*****, sodass nicht beurteilt werden kann, ob der Ausschluss des Aufgriffsrechts in Art 12 Abs 13 der Satzung, wonach die Übertragung der Geschäftsanteile an bisherige Gesellschafter die Option nicht auslöst, zur Anwendung kommt.

4.2. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat sich das Berufungsgericht im vorliegenden Fall auch nicht mit den anderen Einwendungen, insbesondere dem Einwand der Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB wegen des starren Abtretungspreises und dem Einwand der laesio enormis (§ 934 ABGB) auseinandergesetzt.

4.3. Daher war in Stattgebung der Revision das angefochtene Urteil spruchgemäß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen. Dabei war zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen die Zurückweisung an das Berufungsgericht auszusprechen, zumal die erforderlichen ergänzenden Feststellungen voraussichtlich aufgrund von Urkunden (Firmenbuchauszügen) getroffen werden können.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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