Spruch:
1. Es wird die Befangenheit sämtlicher Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck mit Ausnahme der Richter Dr. B***** und Dr. T***** festgestellt.
2. Zur (Verhandlung und) Entscheidung als Berufungsgericht im Verfahren 14 Cg 151/08p des Landesgerichts Innsbruck wird das Oberlandesgericht Linz als zuständig bestimmt (§ 30 JN).
Text
Begründung
Die Klägerin brachte beim Landesgericht Innsbruck eine Klage ein, mit der sie die Bezahlung von (ausgedehnt) 52.827,98 EUR sA an Schadenersatz wegen eines beim Reitunterricht in der vom Beklagten betriebenen Reitschule erlittenen Reitunfalls verlangt; ferner begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte für alle zukünftigen Schäden aus dem Reitunfall zu haften habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 37.114,78 EUR sA sowie im Umfang des Feststellungsbegehrens statt und wies das Leistungsmehrbegehren ab.
Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien Berufung.
Zur Entscheidung über die Rechtsmittel ist das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht zuständig.
Am 4. Juli 2011 legte der Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 23 JN sowie zur allfälligen Delegation der Rechtssache an ein anderes Gericht gleicher Gattung gemäß § 30 JN vor.
Rechtliche Beurteilung
Wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergibt, erklärten sich die zu diesem Zeitpunkt am Oberlandesgericht Innsbruck ernannten Zivil- und StrafrichterInnen (mit Ausnahme der am 1. Juli 2011 dort neu ernannten Richter Dr. B***** und Dr. T*****) mit der Begründung für befangen, dass sie jeweils entweder mit der Klägerin selbst, mit der Schwester der Klägerin (einer Richterin des Oberlandesgerichts Innsbruck) oder dem Ehemann der Klägerin (einem Richter eines im Sprengel des Oberlandesgerichts Innsbruck gelegenen Bezirksgerichts) freundschaftlich oder zumindest kollegial verbunden sind.
Ist ein Gericht aus einem der in § 19 JN vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert, so hat dasselbe diese Behinderung dem im Instanzenzug übergeordneten Gerichte anzuzeigen. Dieses hat über die Befangenheit zu befinden und gegebenenfalls ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen (§ 30 JN). In Senatssachen ist § 30 JN anzuwenden, wenn nicht mehr genügend Richter für die Bildung eines Senats zur Verfügung stehen, also nur mehr ein oder zwei Richter nicht befangen oder ausgeschlossen sind (8 Ob 53/73 RZ 1973/128).
Im vorliegenden Fall haben die Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck (mit Ausnahme der neu ernannten Richter Dr. P***** und Dr. L*****) Umstände angezeigt, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit einem Zweifel auszusetzen. Die bekanntgegebenen privaten persönlichen Beziehungen begründen die aus den äußeren Umständen abgeleitete Besorgnis, dass bei der Entscheidung andere als rein sachliche Motive eine Rolle spielen könnten. Bei der Selbstanzeige einer Befangenheit durch den Richter ist unter Beachtung des Interesses am Ansehen der Justiz kein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen und grundsätzlich die Befangenheit zu bejahen (RIS-Justiz RS0045943 [T3]).
Da das Oberlandesgericht Innsbruck durch das Ausscheiden der befangenen Richter beschlussunfähig geworden ist, hat der Oberste Gerichtshof über die Befangenheit zu erkennen (§ 23 JN).
Im Hinblick darauf, dass das Oberlandesgericht Innsbruck über die Berufungen im Dreirichtersenat zu entscheiden hätte, nach der derzeitigen Verfahrenslage für eine Entscheidung aber lediglich zwei Richter in Betracht kämen, ist das Oberlandesgericht Innsbruck im Sinne des § 30 Satz 1 JN an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert (RIS-Justiz RS0113796). Gemäß § 30 Satz 2 JN war unter einem ein anderes Oberlandesgericht als Gericht gleicher Gattung (als Berufungsgericht) zur Entscheidung zu bestimmen. Die Delegierung an das benachbarte Oberlandesgericht Linz ist zweckmäßig.
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