OGH 1Ob159/11f

OGH1Ob159/11f1.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Beck Krist Bubits & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei W***** KG, *****, vertreten durch Dr. Josef Olischar und Dr. Johannes Olischar, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am 17. November 2010 verstorbenen DDr. Franz S*****, vertreten durch Mag. Dr. Hans Spohn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erteilung der Zustimmung zu baulichen Änderungen, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2010, GZ 41 R 201/08z-85, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 27. Juni 2008, GZ 25 C 929/03d-78, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „Verlassenschaft nach dem am 17. 11. 2010 verstorbenen DDr. Franz S*****“ berichtigt.

2. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

ad 1. Der rechtsanwaltlich vertretene Beklagte DDr. Franz S***** ist am 17. 11. 2010 verstorben. Das Verlassenschaftsverfahren ist zu AZ ***** des Bezirksgerichts Josefstadt anhängig; eine Einantwortung ist noch nicht erfolgt. Die Bezeichnung der beklagten Partei ist aufgrund der Bekanntgabe durch die Verlassenschaft gemäß § 235 Abs 5 ZPO auf diese zu berichtigen.

ad 2. Die Vorinstanzen verpflichteten den beklagten Vermieter und Eigentümer in Auslegung des mit der Klägerin abgeschlossenen Mietvertrags zur Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Umbaumaßnahmen sowie einem Bauansuchen und zur Abgabe einer konkreten Erklärung gegenüber der Baupolizei.

Das Berufungsgericht führte zum in der außerordentlichen Revision allein aufrecht erhaltenen Einwand des nicht bewilligungsfähigen Bauvorhabens aus, dass eine solche Prüfung durch das Gericht nicht stattzufinden habe. Darüber habe ausschließlich die zuständige Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Nur dann, wenn ausgeschlossen wäre, eine notwendige Zustimmung der Baubehörde zu erhalten, könnte der Vermieter nicht dazu verhalten werden, einem Bauvorhaben zuzustimmen, dem von vornherein Vorschriften der Bauordnung entgegenstünden. Dies wäre dann der Fall, wenn eine Bewilligung rechtlich geradezu unvertretbar und - ordnungsgemäße Rechtsanwendung vorausgesetzt - denkunmöglich wäre. Davon könne hier nicht die Rede sein und dies werde vom Beklagten in der Berufung auch nicht näher dargestellt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten stellt sich die Frage, ob § 9 MRG (analog) auf die Vermietung von Grundstücken zur Errichtung eines Superädifikats anzuwenden sei, schon deshalb nicht, weil die Klägerin ihren Anspruch auf die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung stützt. Bei der Vertragsauslegung im streitigen Rechtsweg spielt ein im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machender Anspruch gemäß § 9 MRG keine Rolle.

Die Auslegung einer Vereinbarung stellt keine Rechtsfrage dar, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme, es sei denn, die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhte auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage, sodass die Revision aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit für zulässig zu erachten wäre. Dies gilt selbst bei Vertretbarkeit (auch) der vom Rechtsmittelwerber angestrebten Vertragsauslegung (6 Ob 259/03m mwN; RIS-Justiz RS0112106 [T3]). Eine aus diesem Grund aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass die Auslegung des Berufungsgerichts mit dem Wortsinn oder den Gesetzen der Logik oder der Übung des redlichen Verkehrs nicht in Einklang zu bringen wäre, ist nicht zu erkennen. Das erkennbare Verständnis der Vertragsbestimmung, wonach die Mieterin bei der Errichtung einer Verkaufshalle nur an die Bestimmungen der Bauordnung für Wien gebunden ist, dahin, dass die Zustimmungsverpflichtung des Beklagten lediglich dann entfiele, wenn die baubehördliche Bewilligungsfähigkeit „ausgeschlossen“ sei, ist im konkreten Einzelfall vertretbar.

Soweit der Beklagte, ohne das zu belegen, auf Beweisergebnisse im anhängigen Wiederaufnahmeverfahren Bezug nimmt, steht dem das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) entgegen. Mit seinen Behauptungen, beim Bauvorhaben würden - nicht näher genannte - öffentlich-rechtliche Bauvorschriften nicht eingehalten, die „vorgesehene Mindestbauhöhe“ um mehrere Meter unterschritten und Stellplätze „anstelle eines mehrstöckig gewidmeten Gebäudes“ errichtet, zeigt der Beklagte nicht konkret auf, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde keinesfalls gerechnet werden kann. Zu seiner Argumentation mit der Schlussfolgerung eines Privatgutachtens, wonach „eine rechtlich einwandfreie Baubewilligung für den Restteil der Halle“ nicht möglich sei, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Zl 2007/05/0287) zur Teilbewilligung eines Bauvorhabens zu verweisen. Danach ist ein Bauvorhaben (zwar) grundsätzlich ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Baubehörde bewilligt oder abgelehnt werden kann. Im Fall, dass die Bewilligungsvoraussetzungen nur für einen Teil des eingereichten Bauvorhabens vorliegen und dieser Teil vom übrigen Vorhaben trennbar ist, hat die Behörde (aber) im Zweifel davon auszugehen, dass eine Teilbewilligung vom Parteibegehren mitumfasst ist. In der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Erteilung der Baugenehmigung für das Bauvorhaben nicht ausgeschlossen sei, liegt daher keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte