OGH 7Ob160/11x

OGH7Ob160/11x31.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. F***** K*****, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Dr. Y***** L*****, vertreten durch Mag. Florian Mitterbacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 16. Juni 2011, GZ 4 R 202/11i-20, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat die auf § 405 ZPO gestützte Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Hinblick auf die geltend gemachten Ehescheidungsgründe verneint. Die bereits verneinte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann daher nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

2. Unstrittig ist für die Beurteilung des Scheidungsbegehrens - beide Streitteile sind Staatsangehörige der Volksrepublik China - chinesisches Recht heranzuziehen (§ 20 Abs 1 iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG). Bei dieser Verweisung handelt es sich um eine Gesamtverweisung (§ 5 IPRG) auf chinesisches (Kollisions-)Recht. Art 147 der Allgemeinen Grundsätze des Zivilrechts der Volksrepublik China (AllGdZ) kommt nicht zur Anwendung, weil beide Ehepartner chinesische Staatsangehörige sind. Nach Nr 188 erster Satz der Richtlinie/Ansichten des Obersten Volksgerichts vom 26. 1. 1988 zur Durchsetzung und Anwendung der AllGdZ wird in Ehescheidungsfällen mit Auslandsberührung, die von chinesischen Gerichten angenommen werden, (ua) auf die Scheidung chinesisches Recht angewandt. Mangels ausdrücklicher Regelung der Frage des anzuwendenden Rechts auf die Scheidung von Ehen chinesischer Staatsangehöriger vor einem ausländischen Gericht fehlen hier Anhaltspunkte für eine Zurückverweisung auf österreichisches Recht (idS auch Amtsgericht Duisburg 21. 4. 2010, 54 F 200/09 = BeckRS 2010, 16617).

3. Das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des anzuwendenden fremden (hier: chinesischen) Rechts reicht für die Annahme einer qualifizierten Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht aus (10 Ob 371/99b mwN). Dem Obersten Gerichtshof kommt nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0042948 [T16]; RS0042940 [T3]). Die außerordentliche Revision wäre aus Gründen der Rechtssicherheit nur dann zulässig, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht missachtet worden wäre oder Subsumtionsfehler unterlaufen wären, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssten (RIS-Justiz RS0042948 [T3, T4, T7 und T21]; RS0042940 [T1 und T9]). Der Beklagte vermag nicht aufzuzeigen, dass die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht von einer gefestigten Rechtsanwendung im fremden Staat abgewichen wäre.

3.1. Die „außergerichtliche Schlichtung“ gemäß § 32 Abs 1 chinesisches EheG ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - während des Prozesses weder notwendig noch zwingend. Den Parteien steht es frei, ob sie zunächst eine „außergerichtliche Schlichtung“ durchführen oder ohne diesen Schritt direkt eine Scheidungsklage beim Gericht erheben wollen. Die Scheidungsklage kann nicht deshalb abgelehnt werden, weil vorher keine „außergerichtliche Schlichtung“ durchgeführt wurde (Wei, Die Scheidung und ihre Folgen in China im Vergleich mit dem deutschen Recht [2009] 31 f).

Die gemäß § 32 Abs 2 chinesisches EheG zwingend vorgesehene „gerichtliche Schlichtung“ nahm das Erstgericht in der Verhandlung vom 24. 3. 2011 in hinreichender Weise vor (vgl zum Versöhnungsversuch nach dem damaligen Recht von Bosnien-Herzegowina 8 Ob 1644, 1645/91).

3.2. Das EheG der Volksrepublik China geht vom Zerrüttungsprinzip aus. Gemäß § 32 Abs 3 Z 1 chinesisches EheG muss die Scheidung nach erfolgloser Schlichtung „bei Mehrfachehe, und wenn, wer einen Gatten hat, mit jemand anders zusammenlebt“, gewährt werden. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten handelt es sich dabei nicht um Scheidungsgründe, die kumulativ vorliegen müssen. Die Scheidung ist im Sinn dieser Gesetzesstelle begründet, wenn ein Ehegatte in Bigamie oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt (Süß in Rieck, Ausländisches Familienrecht, VR China Rn 13; Wei aaO 42; Liu, Internationale Heirat, Scheidung und Adoption nach dem Recht der VR China [2005] 56). Da die Klägerin seit Oktober 2010 mit einem Mann in Lebensgemeinschaft lebt, ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - dieser Scheidungsgrund verwirklicht. Wenn die Vorinstanzen weiters damit argumentieren, dass die wechselseitigen Gefühle der Ehegatten füreinander erloschen seien und damit die Ehe zerrüttet sei, weil die Klägerin vom Beklagten auf jeden Fall geschieden werden möchte und der Beklagte seinerseits im Dezember 2009 aus dem ehelichen Haushalt in Kärnten auszog und nach Wien übersiedelte, ist diese Rechtsansicht jedenfalls vertretbar.

4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Kosten des Berufungsverfahrens ist unanfechtbar (RIS-Justiz RS0044233 [T23]).

5. Zusammenfassend zeigt die außerordentliche Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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