OGH 7Ob110/11v

OGH7Ob110/11v31.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** W*****, vertreten durch Mag. Robert Stadler, Rechtsanwalt in Gallneukirchen, gegen die beklagte Partei W***** Versicherungs‑AG, *****, vertreten durch Dr. Hawel, Dr. Eypeltauer, MMag. Gigleitner, Mag. Sallrigler, Rechtsanwälte in Linz, wegen 9.609,20 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. März 2011, GZ 16 R 20/11s‑18, womit das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 14. Dezember 2010, GZ 8 C 565/10t‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben eine „Eigenheimversicherung S*****“ abgeschlossen, die unter anderem eine Sturmschadenversicherung und den erweiterten Elementargefahrenschutz umfasst. Zugrunde liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmschaden‑Versicherung (AStB 1995). Diese lauten auszugsweise:

„Art 1

Versicherte Gefahren und Schäden

(1) Der Versicherer gewährt nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Versicherungsschutz gegen Schäden durch Sturm, Hagel, Schneedruck, Felssturz, Steinschlag und Erdrutsch.

(2) Im Sinne dieser Bedingungen sind

a) Sturmschäden

Schäden, die an den versicherten Sachen durch einen außerordentlich heftigen Wind (Stundengeschwindigkeit von mehr als 60 km) verursacht werden. Für die Feststellung der Stundengeschwindigkeit ist im einzelnen Fall die Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik maßgebend;

(3) Der Versicherer ersetzt den Wert bzw die Wertminderung der zerstörten oder beschädigten versicherten Sachen, wenn die Zerstörung oder Beschädigung

a) auf der unmittelbaren Einwirkung eines der in Abs (1) genannten Schadenereignisse beruht oder

b) nachweisbar die unvermeidliche Folge eines solchen Ereignisses ist, auch wenn die Zerstörung oder Beschädigung auf Niederschlagswasser, Schnee oder Hagel zurückzuführen ist, die durch die ‑ im Zusammenhang mit einem versicherten Ereignis ‑ beschädigten oder zerstörten Dach‑ oder Mauerteile, bzw durch zerstörte oder beschädigte, ordnungsgemäß geschlossene Fenster oder Außentüren eindringen oder

c) dadurch hervorgerufen wird, dass Teile der versicherten oder benachbarten Gebäude oder andere Gegenstände (wie Bäume, Maste usw) durch das Schadenereignis auf die versicherten Sachen geworfen werden.

(7) Der Versicherer haftet nicht

a) für andere als die nach Abs (3) ersatzpflichtigen Schäden, insbesondere für entgangenen Gewinn;

b) für Schäden durch Brand, Blitzschlag, Explosion, Sturmflut, Lawinen und Lawinenluftdruck, Sog‑ und Druckwirkung von Flugobjekten, Hochwasser, Überschwemmungen und Vermurungen, auch wenn diese Ereignisse bei einem Sturm, Hagelschlag, Schneedruck, Felssturz, Steinschlag oder Erdrutsch auftreten bzw deren Folge sind;

c) für Wasserschäden, die auf andere Art als in Abs (3) lit b beschrieben, verursacht werden, zB Schäden durch Niederschlags‑, Schmelz‑ oder Sickerwasser, die nicht auf eines der versicherten Schadenereignisse zurückzuführen sind;

…“

Weiters vereinbarten die Parteien die Besonderen Bedingungen für die Eigenheimversicherung S***** für den erweiterten Elementargefahrenschutz.

Punkt 12 lautet:

„Schäden durch Überschwemmung, Oberflächenwasser, Vermurung, Rückstau, Lawinen‑ und Lawinenluftdruck sowie Erdbeben

12.1 Schäden am Gebäude

In Erweiterung von Art 1 AStB sind Schäden durch Überschwemmung, Oberflächenwasser, Vermurungen und Rückstau als Folge von Witterungsniederschlägen und Hochwasser, Lawinen‑ und Lawinenluftdruck sowie durch Erdbeben mitversichert.

...“

Am 7. 7. 2009 fand in der Zeit zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr ein Gewitter im Bereich des versicherten Hauses des Klägers statt. Im Garten stand ein mit Wasser gefülltes rundes Schwimmbecken aus Plastik mit aufblasbarem Wulst. Das Erdreich des Gartens war am Abend des 8. 7. 2009 durch Niederschlagswasser bereits so weit gesättigt, dass es kein weiteres Wasser aufnehmen konnte. Durch eine Beschädigung der Plastikhaut durch als Folge des Sturms herumfliegende Gegenstände (vielleicht Äste) verlor der das Schwimmbecken stützende aufgeblasene Wulst zwischen den Abendstunden des 8. 7. 2009 und den Morgenstunden des 9. 7. 2009 so viel Luft, dass er einsackte und in der Folge ca zwei Kubikmeter Wasser aus dem Becken ausliefen. Das ausgetretene Wasser drang über den Lichtschacht eines geöffneten (gekippten) Kellerfensters in den Keller ein und überflutete ihn. Am 8. 7. 2009 herrschte von 19:00 Uhr bis 07:00 Uhr am nächsten Tag eine maximale Windgeschwindigkeit von 63 km/h.

Der Kläger begehrt den Klagsbetrag, den er zur Behebung des Wasserschadens aufgewendet habe. Der Schaden sei auf die heftigen Niederschläge vom 7. 7. bis 9. 7. 2009 und den damals herrschenden Sturm zurückzuführen. Etwa zwei Kubikmeter Wasser seien „im Zusammenhang mit dem heftigen Sturm schlagartig“ aus dem im Garten des Hauses aufgestellten aufblasbaren Schwimmbecken ausgetreten und mit dem Niederschlagswasser in den Keller gelangt. Hauptursache des Schadens sei jedenfalls das Wasser aus dem Swimmingpool gewesen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Schadensfall lasse sich unter keinen Tatbestand der vereinbarten Versicherungsbedingungen subsumieren. Es sei weder ein außerordentlich heftiger Sturm noch eine dadurch verursachte Beschädigung des Swimmingpools festzustellen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung von 158,40 EUR sA statt. Der Deckungsanspruch könne nicht aus den AStB 1995 abgeleitet werden, weil der Schaden nicht unmittelbar durch einen Sturm verursacht worden sei und das Wasser auch nicht durch vom Sturm beschädigte Teile des Hauses eingetreten sei. Der Anspruch lasse sich aber aus Punkt 12 der Bedingungen für den erweiterten Elementargefahrenschutz ableiten. Zweck dieser Bestimmung sei eine Erweiterung des Deckungsschutzes von Art 1 AStB. Es sei dem Wortlaut der Klausel nicht eindeutig zu entnehmen, ob Schäden durch Überschwemmung oder Oberflächenwasser nur zu ersetzen seien, wenn sich diese Ereignisse als Folge von Witterungsniederschlägen darstellten. Bei grammatikalischer Auslegung könne die Einschränkung „als Folge von Witterungsniederschlägen“ auch allein auf die Schadensereignisse „Vermurungen und Rückstau“ bezogen werden. Damit verblieben zumindest Unklarheiten bei der Auslegung, die sich nach ständiger Rechtsprechung zu Lasten des Versicherers auswirke.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil in eine gänzliche Klagsabweisung ab. Der Kläger könne seinen Anspruch ‑ dem Erstgericht folgend ‑ nicht auf Art 1 AStB 1995 stützen. Er ergebe sich aber auch nicht aus Punkt 12 der Besonderen Bedingungen. Es liege weder eine Überschwemmung noch ein Oberflächenwasser im Sinn der Bedingung vor. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch lasse sich das als Sekundärfolge eines Sturmgeschehens aus dem Swimmingpool austretende Wasser unter keinen der beiden Begriffe subsumieren. Der Umstand, dass sich im Swimmingpool auch Niederschlagswasser angesammelt habe, das für den Schaden mitursächlich gewesen sei, führe nicht zur Deckung durch den Versicherer, weil durch das Aufstellen des Schwimmbeckens eine technische Vorrichtung geschaffen worden sei, die das Niederschlagswasser zurückgehalten habe. Auf solche Umstände werde in den Versicherungsbedingungen kein Bezug genommen. Oberflächenwasser rühre von Niederschlägen her, das oberirdisch auf befestigten oder versiegelten Flächen rinne. Da mangels geologischen Zusammenhangs weder die Voraussetzungen für eine Überschwemmung noch für Oberflächenwasser gegeben sei, bestehe der Anspruch nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Fragen der Auslegung von Versicherungsbedingungen grundsätzlich revisibel seien.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass der Schadensfall nicht als Versicherungsfall nach Art 1 AStB 1995 beurteilt werden kann. Nach Art 1 AStB 1995 gehören Wasserschäden ohne Bezug auf eines der versicherten Risken wie Sturm, Hagel, Schneedruck, Felssturz, Steinschlag und Erdrutsch nicht zu den versicherten Gefahren. Sturmschäden werden in Art 1 Abs 3 lit a AStB so definiert, dass es sich um Schäden handeln muss, die auf die unmittelbare Einwirkung von (hier) Sturm beruhen. Unmittelbares Einwirken ist gegeben, wenn die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache für den Schaden ist (7 Ob 152/97x). Auch für den deutschen Rechtsbereich wird vertreten, dass unmittelbare Sturmeinwirkung vorliegt, wenn der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens ist (Armbrüster in Prölss/Martin 28 §§ 1 bis 14 AStB 2008 Rn 2). Führt aber das Naturereignis nur auf einem Umweg zu einem Sachschaden an versicherten Sachen, so haftet der Versicherer nur dann, wenn die Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorsehen, dass Entschädigung auch geleistet wird, wenn die Schäden Folgen des versicherten Risikos sind (7 Ob 152/97x mwN). Nach den Feststellungen ist der Schaden nicht durch eine unmittelbare Einwirkung des Sturms entstanden. Vielmehr trat das Wasser deshalb aus, weil eine Beschädigung an der Poolhaut, mag diese auch durch einen durch den Wind herumgewirbelten Gegenstand entstanden sein, eingetreten ist. Der Wind war damit weder die einzige noch die letzte Schadensursache.

Auf Art 1 Abs 3 lit b AStB 1995 kann sich der Kläger deshalb nicht berufen, weil nicht nur die unvermeidliche Folge eines Sturms Anspruchsvoraussetzung ist, sondern auch, dass das Wasser durch die im Zusammenhang mit dem versicherten Ereignis beschädigten oder zerstörten Dach‑ oder Mauerteile oder durch zerstörte oder beschädigte, ordnungsgemäß geschlossene Fenster oder Außentüren eindringt. Das Eindringen von Wasser durch zerstörte Teile des Hauses (vorher geschlossene Fenster) in den Keller steht nicht fest.

Da der Pool nicht Gegenstand der Eigenheimversicherung war, kommt auch nicht Art 1 Abs 3 lit c AStB 1995 in Betracht, weil der Schaden nicht durch vom Schadensereignis auf die versicherte Sache geworfene Gegenstände entstanden ist. Die Vorinstanzen haben also zutreffend erkannt, dass das Schadensereignis keinen Versicherungsfall nach Art 1 AStB verwirklicht hat.

Punkt 12.1 der Besonderen Bedingungen kann, auch wenn damit eine Erweiterung von Art 1 AStB bewirkt werden soll, zwanglos von jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer (RIS‑Justiz RS0008901, RS0050063) so ausgelegt werden, dass sowohl die Überschwemmung als auch das Oberflächenwasser, die Vermurung und der Rückstau nur dann als Risken vereinbart sind, wenn sie Folgen von (ua) Witterungsniederschlägen sind. Diese Wasserschäden wären sonst nach Art 1 AStB nicht umfasst. Es kann aber nicht übersehen werden, dass auch bei der Erweiterung des Versicherungsschutzes nicht jegliche Wasserschäden auf Grund von Naturereignissen versichert sein sollten, sondern nur die, die von Witterungsniederschlägen verursacht werden. Der Schadensfall war aber keine Folge von Witterungsniederschlägen, sondern davon, dass das Poolwasser ausgeronnen ist. Da „Hauptursache“ des Schadens das Wasser aus dem Swimmingpool war, und nicht feststeht, dass gerade das Niederschlagswasser (allein) ausschlaggebend für den Wassereintritt im Keller war, kann durch das Ereignis auch nicht ein Versicherungsfall nach Punkt 12 der Besonderen Bedingungen verwirklicht werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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