OGH 2Ob75/11k

OGH2Ob75/11k30.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Norman Dick, Dr. Michael Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günther Schmied, Mag. Markus Passer, Rechtsanwälte in Graz, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1.) I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Bazil, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) M***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Dr. Hanno Hofmann, Mag. Christian Hacker, Rechtsanwälte in Graz, wegen 19.664,54 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 10. März 2011, GZ 1 R 304/10p-33, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei hat als Haftpflichtversicherer Schadenersatzansprüche eines Kunden eines ihrer Versicherungsnehmer, der im Eingangsbereich eines vom Versicherungsnehmer geführten Geschäftslokals gestürzt war, befriedigt. Sie begehrt diese Beträge von der beklagten Partei als Grundstückseigentümerin zurück. Die Erstnebenintervenientin hat mit der beklagten Partei einen sogenannten Betriebsführungsvertrag abgeschlossen, der auch den Winterdienst umfasst, diesen hat sie ihrerseits vertraglich an die Zweitnebenintervenientin übertragen.

Das Berufungsgericht gab in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dem Klagebegehren statt. Die beklagte Partei hafte gemäß § 1096 ABGB, sodass es der Prüfung des § 93 StVO nicht weiter bedürfe. Der Einwand der Unzumutbarkeit der Streuung könne im Hinblick auf die Beteiligung der Beklagten als Nebenintervenientin im Vorprozess zwischen dem Geschädigten und ihrer Mieterin und der dort getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht mehr erhoben werden.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei.

1.) Zur Bindungswirkung des Urteils im Vorprozess:

Nach der ständigen Rechtsprechung erstrecken sich die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils soweit auf den einfachen Nebenintervenienten, als dieser als Partei eines Regressprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben darf, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses im Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind die Tatsachenfeststellungen des Urteils im Vorprozess bindend (RIS-Justiz RS0107338).

Notwendiges Element der Entscheidung im Vorprozess über die Haftung der Mieterin gegenüber dem zu Sturz gekommenen Geschädigten waren aber auch alle für die Beurteilung der Frage, ob die Streuung unter den damals gegebenen Witterungsverhältnissen für die Mieterin zumutbar war, wesentlichen Umstände.

Auch aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die Wettersituation am Tag des Unfalls ergäbe sich keinerlei Hinweis auf eine Unzumutbarkeit der Streupflicht.

2.) Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit der Wiedergabe des Inhalts des zwischen der Beklagten und der ersten Nebenintervenientin abgeschlossenen Betriebsführungsvertrags in Bezug auf den Winterdienst liegt schon deshalb nicht vor, weil sie für die Entscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Die Beklagte hat als Vermieterin gemäß § 1096 ABGB unter anderem auch für eine entsprechende Schneeräumung zu sorgen. Ob sie diese Verpflichtung an Samstagen an die zweitbeklagte Partei gar nicht übertragen hat und daher direkt nach § 1096 ABGB haftet, oder doch und daher für das Verschulden der Nebenintervenientin als Gehilfin nach § 1313a ABGB haftet, ist für das Ergebnis irrelevant.

3.) Soweit die Revision auf § 93 StVO Bezug nimmt, kommt es auf diese Bestimmung hier nicht an. Die Säuberungs- und Streupflicht gemäß § 93 StVO ist eine gegenüber der Allgemeinheit bestehende gesetzliche Obliegenheit zur Verkehrssicherung. Im Verhältnis des Bestandgebers zum Bestandnehmer ist die Streupflicht Vertragsverpflichtung gemäß § 1096 ABGB (RIS-Justiz RS0021318). Auf von der Revision zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshof zur Streupflicht gemäß § 93 StVO in Extremsituationen - die im Übrigen den Standpunkt der Revision nicht stützen sondern die Streupflicht sogar ausdehnen würde - braucht daher nicht eingegangen werden.

4.) Letztlich meint die Revision, dass die vertragliche Verkehrssicherungspflicht des Vermieters hinsichtlich des unmittelbaren Eingangsbereichs von Geschäftslokalen eingeschränkt sei, weil dort nach der Judikatur der Inhaber des Geschäftslokals aufgrund vorvertraglicher Schutz- und Verkehrspflichten gegenüber dem potentiellen Kunden die Verpflichtung der Säuberung und Bestreuung habe.

Abgesehen davon, dass die dazu zitierten Entscheidungen allesamt nur die Haftungssituation zwischen dem Geschädigten und dem Geschäftsinhaber, nicht aber zwischen diesem und dem Grundeigentümer behandeln, geht die Revision in diesem Zusammenhang nicht von den Feststellungen aus, wonach sich die Beklagte im Mietvertrag zur Schneeräumung verpflichtet hat und die entsprechenden Kosten auch als Betriebskosten vorschreibt. Eine räumliche Einschränkung dieser Verpflichtung ist der vertraglichen Vereinbarung nicht zu entnehmen und wurde auch nicht festgestellt.

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