OGH 9Ob77/10d

OGH9Ob77/10d29.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** S*****, Bestattungsunternehmer, *****, vertreten durch Dr. Manfrid Lirk und DDr. Karl Robert Hiebl, Rechtsanwälte in *****, gegen die beklagte Partei Mag. D***** K*****, Bestattungsunternehmer, *****, vertreten durch Mag. Gerald Hamminger, Rechtsanwalt in *****, wegen 485 EUR sA sowie Duldung und Unterlassung (Streitwert 7.200 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 25. August 2009, GZ 6 R 71/09x-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Braunau am Inn vom 14. Jänner 2009, GZ 2 C 1542/08v-8, teils abgeändert, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Die Schriftsätze der beklagten Partei vom 11. 3. 2010, 23. 6. 2010, 16. 11. 2010 und 14. 2. 2011 samt Urkundenvorlagen werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss des Rekursgerichts wurde die erstgerichtliche Entscheidung zum Teil dahin abgeändert, dass der Antrag des Beklagten zurückgewiesen wurde, die vom Kläger erhobenen Begehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen, wonach der Beklagte nicht berechtigt sei, für die Benutzung seiner Leichenhalle, Aufbahrungshalle *****, dem Kläger einen Betrag von mehr als 300 EUR netto sowie überhaupt eine Aufnahmegebühr und Kanzleispesen von 185 EUR zu verrechnen, sowie dass der Beklagte die Verrechnung derartiger Beträge zu unterlassen und Überzahlungen an den Kläger zurückzuerstatten habe. Im Übrigen wurde vom Rekursgericht die weiters vom Erstgericht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgesprochene Zurückweisung des Klagebegehrens, dem Kläger stehe das Recht zu, im Friedhofsgelände der Stadt ***** nach der Verabschiedung den Sarg mit dem Leichnam des Verstorbenen mit seinem eigenen Totenwagen von der Leichenhalle des Beklagten abzuholen; weiters der Beklagte sei schuldig, zu dulden, dass der Kläger mit seinem eigenen Totenwagen den Sarg von der Leichenhalle des Beklagten abhole, sowie der Beklagte sei schuldig, alle Handlungen zu unterlassen, die die Ausübung dieses Rechts erschweren oder unmöglich machen, und sei schließlich verpflichtet, durch sein bereit gestelltes Begleitpersonal den Sarg in den Totenwagen des Klägers zu heben, ersatzlos aufgehoben. Dem Erstgericht wurde vom Rekursgericht aufgetragen, das Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen. Zuletzt wurde die Entscheidung des Erstgerichts, bis zum Vorliegen eines Tarifs der Stadtgemeinde ***** für gesetzliche vorgeschriebene Dienstleistungen bzw Bereitstellungen im Zusammenhang mit Leichenbestattungen werde das Verfahren hinsichtlich des vom Kläger erhobenen Leistungsbegehrens auf Zahlung von 300 EUR sA und 185 EUR sA unterbrochen, ersatzlos aufgehoben. Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige. Über Aufforderung des Obersten Gerichtshofs (9 Ob 86/09a) korrigierte das Rekursgericht unter Berücksichtigung der Änderungen durch das Budgetbegleitgesetz 2009 seinen Bewertungsausspruch dahin, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht zugelassen.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Rekurs des Klägers lediglich hinsichtlich der Unterbrechung bezüglich der Leistungsbegehren über 300 EUR sA und 185 EUR sA insofern Folge gegeben werde, dass die Unterbrechung aufgehoben werde; im Übrigen möge dem Rekurs des Klägers nicht Folge gegeben werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Das Rekursgericht begründete die Zulassung des Revisionsrekurses damit, dass noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Qualifizierung von Rechtsbeziehungen der klagegegenständlichen Art im Zusammenhang mit einer Leichenhalle unter Bedachtnahme auf das Oö. Leichenbestattungsgesetz bzw zur Frage, ob der zivilrechtliche Aspekt eines allfälligen Kontrahierungszwangs auf diesen Bereich Anwendung finde, vorliege. Der Revisionsrekurswerber schloss sich der Begründung der Zulassung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht an. Der Revisionsrekursgegner machte zwar geltend, dass der Revisionsrekurs unzulässig sei, gab dafür aber keine Begründung und setzte sich auch sonst nicht mit der Zulassung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht auseinander.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) - nicht zulässig. Gemäß § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zulässigkeit des Rechtswegs kann auf der Grundlage des Klagevorbringens und der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beurteilt werden. Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels darf eine Partei innerhalb der Rechtsmittelfrist nur eine einzige Rechtsmittelschrift gegen die gleiche Entscheidung einbringen. Weitere Rechtsmittelschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind nicht zulässig (RIS-Justiz RS0041666 ua). Die mit „Replik“, „Mitteilung“ und „Ergänzender Schriftsatz“ überschriebenen Schriftsätze des Beklagten vom 11. 3. 2010, 23. 6. 2010, 16. 11. 2010 und 14. 2. 2011 samt Urkundenvorlagen, mit denen der Beklagte auf die Revisionsbeantwortung des Klägers replizierte und sein Vorbringen weiter ausbaute, sind daher zurückzuweisen.

Der Beklagte ist Eigentümer einer Leichenhalle in *****, die der Kläger als Leichenbestatter gegen Entgelt in Anspruch nimmt. Der Rechtsvorgänger des Beklagten hatte diese Leichenhalle im Jahr 1963 von der Stadtgemeinde ***** mit der Auflage erworben, die Leichenhalle für die Aufbahrung aller Toten ohne Unterschied der Konfession zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Beklagte seine Monopolstellung - beim Friedhof in ***** gebe es nur die Leichenhalle des Beklagten - in sittenwidriger und wucherischer Weise ausübe und dem Kläger die mit der Überlassung der Leichenhalle im Zusammenhang stehenden Leistungen überhöht in Rechnung stelle und dem Kläger auch nicht gestatte, seinen eigenen Leichenwagen einzusetzen.

Der Beklagte erhob bezüglich der Duldungs- und Unterlassungsbegehren des Klägers (ausgenommen das Klagebegehren bezüglich des Leichenwagens) die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, und zwar sowohl in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung (Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn) als auch in Bezug auf die Abgrenzung zwischen ordentlichen Gerichten und Sondergerichten (Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs) (siehe dazu Mayr in Rechberger, ZPO³ Vor § 1 JN Rz 1 ua). Die Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn sieht der Beklagte darin begründet, dass es nicht die Aufgabe der Gerichte sei, Preise festzusetzen. Die Preisbestimmung sei den im Preisgesetz genannten Verwaltungsbehörden vorbehalten. Die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs leitet der Beklagte daraus ab, dass die Beurteilung von Ansprüchen nach dem Kartellgesetz nicht den ordentlichen Gerichten, sondern dem Kartellgericht als Sondergericht obliege.

Der Revisionsrekurswerber übergeht bei seinen Überlegungen, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs von den Klagebehauptungen auszugehen ist (RIS-Justiz RS0045718 ua). Es kommt daher nicht darauf an, welche allfälligen Anspruchsgrundlagen der Beklagte in Betracht zieht; es ist auch ohne Einfluss, ob der vom Kläger behauptete Anspruch begründet ist (RIS-Justiz RS0045584 ua). Die Überlegungen des Beklagten zum Preisgesetz 1992, BGBl 1992/145, und zum Kartellgesetz 2005, BGBl I 2005/61, gehen am Prozessstandpunkt des Klägers vorbei. Darauf hat sich der Kläger nicht gestützt. Der Kläger bekräftigte in der Revisionsrekursbeantwortung, im vorliegenden Verfahren nicht nach dem Kartellrecht vorzugehen. Eine Aufhebung zur diesbezüglichen Klarstellung ist daher nicht notwendig (vgl 4 Ob 35/09i ua).

Leichenhallen dienen vor allem der Aufbewahrung und Aufbahrung einer Leiche nach der Totenbeschau bis zur Bestattung (§ 16 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985; vgl auch Widmann, Der Bestattungsvertrag im deutschen, schweizerischen und österreichischen Recht5 § 7 Rn 5 ua). Dass die Ansprüche zwischen dem Beklagten als Eigentümer einer Leichenhalle und dem Kläger als Leichenbestatter bezüglich der Inanspruchnahme der Leichenhalle und damit zusammenhängender Dienstleistungen privatrechtlicher Natur sind, stellt der Beklagte nicht in Frage, sondern pocht darauf, rechtmäßiger Eigentümer der Leichenhalle zu sein und damit zusammenhängende Dienstleistungen zulässigerweise anzubieten. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts besteht in diesem Zusammenhang auch „unter Bedachtnahme auf das Oö. Leichenbestattungsgesetz“ keine erhebliche Rechtsfrage. Abgesehen davon, dass weder der Revisionsrekurswerber noch das Rekursgericht aus dem Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985, LGBl 1985/40 (WV), bezüglich des vorliegenden Klagebegehrens die Unzulässigkeit des Rechtswegs ableitet, wurde mit der Novelle durch das Oö. Dienstleistungsrichtlinie-Anpassungsgesetz 2010, LGBl 2010/30, in § 32 Abs 2 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 klargestellt, dass der Rechtsträger des Friedhofs oder der Feuerbestattungsanlage zur Errichtung und zum Betrieb der Leichenhalle nur dann verpflichtet ist, wenn nicht bereits im Nahebereich des Friedhofs oder der Feuerbestattungsanlage eine den Voraussetzungen des § 32 Abs 1 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 entsprechende Leichenhalle besteht und durch vertragliche Vereinbarung die Nutzung dieser Leichenhalle sichergestellt ist. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Betriebs behördlich bewilligter Leichenhallen durch Private nach dem Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 ist daher auszugehen.

§ 34 Abs 3 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 bestimmt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Inhabern und den Benutzern der Friedhöfe privatrechtlicher Natur sind. Umso mehr gilt dies für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten bezüglich der Nutzung einer privaten Leichenhalle. Der Hinweis des Revisionsrekurswerbers, dass § 34 Abs 3 zweiter Satz Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 auch bestimmt, dass abgabenrechtliche Vorschriften hiedurch nicht berührt werden, ist richtig, hat hier aber in Bezug auf die Zulässigkeit des Rechtswegs keine Bedeutung. Es beruft sich keine Partei auf besondere abgabenrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit den vom Beklagten verlangten bzw vom Kläger gezahlten Entgelten.

Dass Leichenhallen Einrichtungen sind, die mit der Bestattung von Leichen im Zusammenhang stehen, wird durch die systematische Einordnung der Regelung über Leichenhallen (§ 32) im Abschnitt V. („Bestattungsanlagen“) des Oö. Leichenbestattungsgesetzes 1985 unterstrichen. Das macht Leichenhallen aber nicht zu Bestattungsanlagen, denn nach der Begriffsdefinition in § 30 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 gelten als Bestattungsanlagen im Sinn dieses Gesetzes Friedhöfe, Urnenstätten und Feuerbestattungsanlagen. Aus der systematischen Stellung der Regelung über Leichenhallen ergibt sich weiters, dass es sich bei Leichenhallen auch nicht um „andere Bestattungsanlagen“ im Sinn des § 38 Oö. Leichenbestattungsgesetz 1985 handelt.

Worauf sich die für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgebenden Klagebehauptungen stützen, ist letztlich eine Frage der Auslegung des Prozessvorbringens im Einzelfall, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage begründet (vgl 9 ObA 137/09a; RIS-Justiz RS0042828 ua). Legt das Rekursgericht das Klagevorbringen dahin aus, dass sich der Kläger vor allem darauf stütze, dass der Beklagte in sittenwidriger Weise seine Monopolstellung als Eigentümer der Leichenhalle ausnutze und dem Kläger die in Anspruch genommenen Dienstleistungen zu überhöhten Preisen verrechne, dann ist dies nicht zu beanstanden. Dass es sich bei Ansprüchen zwischen Privaten aus der Vereinbarung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen und allfälligen damit in Zusammenhang stehenden, aus einer Monopolstellung abgeleiteten Fragen des Kontrahierungszwangs (siehe Näheres bei Rummel in Rummel, ABGB³ § 861 Rz 10 ff; Bollenberger in KBB³ § 861 Rz 11, jeweils mwN, ua) um privatrechtliche Ansprüche handelt, stellt der Revisionsrekurswerber nicht in Frage. Dass es im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht um die Berechtigung des Klagebegehrens geht, wurde bereits erwähnt. Auf alle diesbezüglichen Erwägungen des Rekursgerichts und des Revisionsrekurswerbers, insbesondere auch zum Unionsrecht, kommt es somit im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht an.

Zusammenfassend ging das Rekursgericht mit vertretbarer Begründung davon aus, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage Ansprüche privatrechtlicher Art aus seiner Geschäftsbeziehung zum Beklagten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Dienstleistungen des Beklagten geltend macht, für die sowohl der Rechtsweg im engeren Sinn als auch der ordentliche Rechtsweg zulässig ist. Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs des Beklagten, ungeachtet seiner Zulassung durch das Rekursgericht, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Der Revisionsgegner hat zur Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Beklagten nichts Näheres vorgebracht. Er hat daher die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).

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