OGH 9ObA99/10i

OGH9ObA99/10i29.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Wolfgang Birbamer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** H*****, Arbeitnehmer, *****, vertreten durch Urbanek & Rudolph, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch die Rechtsanwälte Teufer-Peyrl & Hennerbichler GesBR in Freistadt, wegen 9.481,06 EUR sA (Revisionsinteresse 9.455,66 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juli 2010, GZ 7 Ra 59/10p-22, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Februar 2010, GZ 5 Cga 47/09d-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Revision des Klägers eine nachträgliche Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts gemäß § 508 ZPO dahin anstrebt, dass eine ordentliche Revision doch zugelassen werde, ist sie verfehlt, weil in Streitigkeiten in Arbeits- und Sozialrechtssachen (§ 502 Abs 5 Z 4 ZPO) gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine außerordentliche Revision erhoben werden kann, wenn das Berufungsgericht im Berufungsurteil - wie hier - nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision nicht nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist. Einer Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht bedarf es in diesem Fall nicht. Das vorliegende Rechtsmittel der Beklagten ist als außerordentliche Revision zu behandeln, deren Zulässigkeit vom Obersten Gerichtshof - ohne Bindung an den entsprechenden Ausspruch des Berufungsgerichts - ausschließlich nach § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (9 ObA 69/05w ua). Danach ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Prozessrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Das vom 16. 6. 2008 bis 6. 3. 2009 dauernde Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unterlag dem fachlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrags für das Kleintransportgewerbe Österreichs/Arbeiter. Soweit sich der bereits in erster Instanz qualifiziert vertretene Kläger erstmals in der Berufung auf einen Irrtum bezüglich „der Identität des Geschäftspartners“ berief, verwies ihn das Berufungsgericht zutreffend auf das im Berufungsverfahren geltende Neuerungsverbot (§ 482 ZPO). Soweit der Revisionswerber argumentiert, dass man das Vorbringen zum Irrtum des Klägers über den anzuwendenden Kollektivvertrag den Angaben des „selbstständig postulationsfähigen“ Klägers im Rahmen der Parteienvernehmung hätte entnehmen können, übergeht er, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlendes Vorbringen nicht durch Angaben in der Parteienvernehmung ersetzt werden kann (RIS-Justiz RS0038037 ua). Der Ansatz in der Revision, die Aussage des Klägers als Partei hätte „zugleich ein entsprechendes Vorbringen dargestellt“, ist daher verfehlt. Mit der „Postulationsfähigkeit“ (siehe dazu etwa Fucik in Rechberger, ZPO3 § 185 Rz 1 ff) hat die vorstehende Frage nichts zu tun. In der Frage des Irrtums ist dem Berufungsgericht auch keine Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) unterlaufen (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Nach dem Vorbringen der Parteien bestand für die Annahme eines Irrtums des Klägers keine Veranlassung, zumal seine Behauptung, dass er im vorstehend genannten Zeitraum bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sei, von der Beklagten außer Streit gestellt wurde. Die erstgerichtlichen Feststellungen zum Zustandekommen des gegenständlichen Arbeitsverhältnisses sind ausreichend. In der Frage, welchem Kollektivvertrag dieses Arbeitsverhältnis unterlegen sei, ließ das Klagevorbringen auf keinen Irrtum des Klägers schließen. Auf den Einwand der Beklagten, dass sie aufgrund des Gewerbes der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht 3.500 kg nicht übersteige, dem fachlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrags für das Kleintransportgewerbe Österreichs unterlegen sei, replizierte der Kläger nämlich nicht mit einem unterlaufenen Irrtum, sondern offensiv mit der Behauptung, dass ihm von der Beklagten die Anwendbarkeit des Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe „zugesichert“ worden sei. Diese Behauptung war allerdings nicht objektivierbar. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nach der Lage des Falls nicht vor, zumal Fragen der Auslegung des Parteivorbringens von den Umständen des Einzelfalls abhängen, denen regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828 ua).

Zusammenfassend ist das als außerordentliche Revision des Klägers zu behandelnde Rechtsmittel mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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