Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.686,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin beabsichtigt, auf der Westbahnstrecke mit den Österreichischen Bundesbahnen in den Wettbewerb zu treten. Sie ist der Auffassung, von der beklagten Republik Österreich bei der Vergabe von Verträgen über „gemeinwirtschaftliche Leistungen“ benachteiligt worden zu sein. Daraus leitet sie einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch ab. Zu dessen Sicherung beantragt sie, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,
„im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe und/oder der Neugestaltung des Bestellsystems für gemeinwirtschaftliche Leistungsverträge im Eisenbahnverkehr
a. die klagende Partei als eine am Abschluss eines gemeinwirtschaftlichen Leistungsvertrages interessierte private Mitbewerberin der ÖBB-Personenverkehr Aktiengesellschaft hinsichtlich der Angebotserstellung und/oder der Führung von Vertragsverhandlungen für einen gemeinwirtschaftlichen Leistungsvertrag zu diskriminieren und/oder zu behindern, insbesondere der klagenden Partei erforderliche planungsrelevante Information über Art, Umfang, Gebiet und/oder Qualität der von der beklagten Partei oder in ihrem Auftrag definierten gemeinwirtschaftlichen Leistungsverpflichtungen und/oder über die Parameter, anhand derer die Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Leistungen berechnet wird, vorzuenthalten, etwa die Vorgaben über die zu bedienenden Strecken, Fahrzeiten, Haltemuster, Strecken und/oder das einzusetzende Wagenmaterial vorzuenthalten, und/oder entsprechende Verhandlungen zur Beauftragung mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen nicht aufzunehmen, während mit der ÖBB-Personenverkehr Aktiengesellschaft entsprechende direkte Verhandlungen über eine solche Beauftragung mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen einschließlich solcher betreffend die Neugestaltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge geführt werden;
b. zur Förderung des Wettbewerbs der ÖBB-Personenverkehr AG die Bestellung von gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträgen in einer Weise durchzuführen, welche konkurrierenden privaten Eisenbahnunternehmen, welche an der Erbringung gleicher oder vergleichbarer gemeinwirtschaftlicher Leistungen interessiert sind, nicht vergleichbar offensteht und/oder nicht den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung entspricht, insbesondere wenn das Eisenbahnunternehmen der öffentlichen Hand hinsichtlich Information, Planung, Gestaltung und/oder Aufnahme von Verhandlungen betreffend gemeinwirtschaftliche Leistungen begünstigt wird.“
Ein Eventualbegehren zu Punkt (a) ersetzt bei sonst identem Wortlaut das in der Wiedergabe des Antrags hervorgehobene „insbesondere“ durch ein „indem“. Dadurch soll offenkundig die im Hauptbegehren bloß beispielhafte Liste des beanstandeten Verhaltens zu einer abschließenden gemacht werden. Der damit verbundene Grammatikfehler („indem“ verlangt einen Nebensatz, keine Nennformgruppe), der das Rekursgericht zu einer anderen Deutung des Begehrens veranlasst hat, dürfte auf der mangelhaften Endkontrolle des Schreibgutes beruhen; zumindest aufgrund der Ausführungen im Revisionsrekurs besteht kein Zweifel am von der Klägerin gewollten Verständnis ihres Antrags.
Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass sie im Dezember 2011 den Betrieb auf der Westbahnstrecke aufnehmen und ab diesem Zeitpunkt in der Lage sein werde, gemeinwirtschaftliche Leistungen iSv Art 2 lit e der VO Nr 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße („Public Service Obligations Regulation“ idF: PSO-VO) zu erbringen. Diese Verordnung regle die staatliche Mitfinanzierung bestimmter im öffentlichen Interesse liegender Personentransportleistungen, die allein mit den Tariferlösen nicht kostendeckend erbracht werden könnten. Dazu dienten ua Dienstleistungsaufträge im Sinne von Art 2 lit i PSO-VO. Diese Aufträge müssten in einem transparenten Verfahren vergeben werden. Die Beklagte halte sich nicht an diese Vorgabe, insbesondere sei die Bekanntgabe der beabsichtigten Direktvergabe mangelhaft gewesen. Sie diskriminiere die Klägerin, da sie nur mit der Personenverkehrstochter der ÖBB (ÖBB-PV) konkrete Vertragsverhandlungen führe und mit ihr möglicherweise schon einen langfristigen Vertrag abgeschlossen habe, der weitere Interessenten vom Wettbewerb ausschließe; Verhandlungen mit der Klägerin habe sie abgelehnt. Zugleich übe die Beklagte über die Infrastrukturtochter der ÖBB Druck auf die Klägerin aus, Schienenkapazitäten für den Betrieb ab Dezember 2011 zu bestellen. Das sei nur möglich, wenn Klarheit über die von der Klägerin zu erbringenden und von der Beklagten mitfinanzierten gemeinwirtschaftlichen Leistungen bestehe. Die Beklagte fördere durch ihr Verhalten den Wettbewerb der ÖBB-PV und - da sie mittelbar deren Alleineigentümerin sei - auch ihren eigenen. Die Beklagte verstoße gegen das „Diskriminierungs- und Transparenzgebot“; sie setze in unlauterer Weise öffentliche Machtmittel ein und begehe durch die Verletzung der PSO-VO und der beihilfenrechtlichen Bestimmungen des AEUV einen unlauteren Rechtsbruch.
Die Beklagte wendet die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Die Klägerin stütze sich auf ein unlauteres Verhalten der Beklagten bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags. Dies setze nach § 341 Abs 2 BVergG 2006 die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch die zuständige Vergabekontrollbehörde voraus. Eine solche Feststellung liege nicht vor. Im Übrigen sei der Antrag auch inhaltlich unbegründet. Art 5 Abs 6 PSO-VO lasse für die strittigen Leistungen ausdrücklich eine Direktvergabe zu. Die Beklagte habe alle Veröffentlichungsverpflichtungen erfüllt. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vertragsverhandlungen und keinen weitergehenden Informationsanspruch. Die Klägerin sei während der beanstandeten Verhandlungen mit den ÖBB wegen der erst bevorstehenden Betriebsaufnahme noch nicht leistungsbereit und leistungsfähig gewesen. Die Unterlassungsbegehren seien unbestimmt und unklar; teilweise seien sie so formuliert, dass im Ergebnis ein Gebot zu einem bestimmten Tun begehrt würde.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Nach § 341 Abs 2 BVergG 2006 könnten Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs, die sich aus der Verletzung des BVergG 2006 oder des unmittelbar anzuwendenden Gemeinschaftsrechts ergäben, erst geltend gemacht werden, wenn die zuständige Vergabekontrollbehörde eine der in § 341 Abs 2 Z 1 bis 6 BVergG 2006 angeführten Feststellungen getroffen habe. Dies sei nicht erfolgt.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Nach Art 5 Abs 7 PSO-VO müssten die Mitgliedstaaten ein rasches und wirksames Verfahren zur Überprüfung der Vergabe gemeinwirtschaftlicher Leistungen vorsehen. In Österreich stehe dafür das vergaberechtliche Verfahren vor dem Bundesvergabeamt zur Verfügung. Hingegen sei die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (auch) für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb durch § 341 Abs 2 BVergG 2006 begrenzt; die Zulässigkeit der Klage setze die im Anlassfall nicht erfolgte Feststellung der Rechtswidrigkeit voraus. Der Rechtsschutz der Klägerin sei gewahrt, weil sie nach § 328 Abs 1 BVergG 2006 eine einstweilige Verfügung erwirken konnte. Nach dieser Bestimmung bestehe einstweiliger Rechtsschutz gegen eingetretene oder drohende Schädigungen, wenn sie durch eine „gesondert anfechtbare Entscheidung“ hervorgerufen worden seien. Nach § 2 Z 16 lit a sublit nn BVergG 2006 sei die Entscheidung, die Direktvergabe als Vergabeverfahren zu wählen, gesondert anfechtbar. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich, dass sie die Wahl dieses Vergabeverfahrens als Grundlage für ihren Unterlassungsanspruch ansehe. Insofern sei daher eine Entscheidung des Bundesvergabeamts möglich gewesen. In diesem Umfang sei als Folge von § 341 Abs 2 BVergG 2006 der Rechtsweg ausgeschlossen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, wie weit die Vergabe gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Sinne der Verordnung unter das Rechtsschutzregime des BVergG 2006 falle.
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
l. Das Rekursgericht hat richtig erkannt, dass gemeinwirtschaftliche Leistungen iSd Verordnung Nr 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße („Public Service Obligations Regulation“ - PSO-VO) in Österreich nach dem BVergG 2006 zu vergeben sind.
1.1. Die PSO-VO sieht ein von den allgemeinen Vergaberichtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG abweichendes System bei der Vergabe von Aufträgen für gemeinwirtschaftliche Leistungen vor (vgl dazu Ertl, Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, BRZ 2009, 116 ff; Hartig/Gstettenbauer in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG 2006, Vergaberechtliche Aspekte der VO über öffentliche Personenverkehrsdienste Rz 13 ff; Zellhofer, Die neue ÖPNV-Verordnung und ihre Abgrenzung zum Vergaberecht, in Schramm/Aicher, Vergaberecht und PPP IV [2007] 133 ff). Insbesondere ermöglicht Art 5 Abs 6 PSO-VO - „sofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist“ - für den Eisenbahnverkehr unabhängig vom Auftragswert die Direktvergabe solcher Aufträge. Damit verbunden sind Veröffentlichungspflichten vor und nach der Vergabe (Art 7 Abs 2 und 3 PSO-VO); weiters ist nach Art 5 Abs 7 PSO-VO ein rasches und wirksames Rechtsschutzsystem einzurichten, das nach EG 21 PSO-VO jenem des allgemeinen Vergaberechts entsprechen soll.
1.2. Das BVergG 2006 nimmt die hier strittigen gemeinwirtschaftlichen Leistungen - obwohl das unionsrechtlich an sich zulässig wäre - nicht von seinem Anwendungsbereich aus. Systematisch sind sie als „Dienstleistungen“ iSv § 6 BVergG 2006 zu qualifizieren, wobei sich aus der Nennung des Vertragsgegenstands „Eisenbahn“ in Anhang IV zum BVergG 2006 ergibt, dass es sich dabei um nicht prioritäre Dienstleistungen iSv § 141 BVergG 2006 handelt. Auf die Vergabe ist daher nach Wortlaut und Systematik des BVergG 2006 die letztgenannte Bestimmung anzuwenden. Folgerichtig hat der Gesetzgeber eine von ihm als notwendig erachtete (ergänzende) Regelung für die Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Leistungen mit der BVergG-Novelle 2009 (BGBl I 15/2010) in § 141 Abs 3 BVergG 2006 eingefügt (Fruhmann, Die BVergG-Novelle 2009, in Schramm/Aicher, Vergaberecht und PPP VI [2010] 225 [241 f]; Rindler, Bundesvergabegesetz-Novelle 2009 - Ein Überblick, RPA 2010, 59 [62 f]). Auch der Gesetzgeber geht somit von der Anwendbarkeit des BVergG 2006 aus.
1.3. Damit ist aber auch das Rechtsschutzsystem des BVergG 2006 anwendbar. Der Klägerin standen bzw stehen daher das Nachprüfungsverfahren nach den §§ 320 ff BVergG 2006, das Sicherungsverfahren nach den §§ 328 ff BVergG 2006 und das Feststellungsverfahren nach den §§ 331 ff BVergG 2006 zur Verfügung. Mit dieser Begründung wies zuletzt der Verfassungsgerichtshof eine Staatshaftungsklage der Klägerin zurück: Das BVergG 2006 sehe „auch in Umsetzung von Art 5 Abs 7 der Verordnung Nr. 1370/2007 […] im Falle von Dienstleistungsverträgen den Rechtszug an das Bundesvergabeamt“ vor (VfGH 22. 2. 2011, A 23/10; ebenso Fruhmann in Schramm/Aicher, Vergaberecht und PPP VI 244). Das Argument der Klägerin, der österreichische Gesetzgeber sei bei der Umsetzung der (hinkenden) Verordnungsbestimmung des Art 5 Abs 7 PSO-VO zur Gänze säumig, trifft also nicht zu.
2. Das BVergG 2006 lässt zwar nach § 340 BVergG 2006 Unterlassungsansprüche, die auf anderen Rechtsvorschriften beruhen, unberührt. Unlauteres Verhalten in einem Vergabeverfahren kann daher grundsätzlich auch Unterlassungsansprüche nach dem UWG begründen. Eine darauf gestützte Klage ist aber nach § 341 Abs 2 BVergG 2006 nur zulässig, wenn die zuständige Vergabekontrollbehörde zuvor eine der in dieser Bestimmung näher genannten Feststellungen getroffen hat. Dabei handelt es sich, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, um eine Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs (4 Ob 23/06w = wbl 2006/230 - Arzneimittel-Auftragsvergabe; 4 Ob 10/09p = RPA-Slg 2009/40 - Hygienepapier; Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG 2006, § 341 Rz 9 ff; Sehrschön, Vergaberecht und UWG, RPA 2006, 234 [236]). Während es eine entsprechende Bestimmung für Schadenersatzansprüche schon im BVergG 2002 gegeben hatte, wurde das Erfordernis einer vorherigen Feststellung der Rechtswidrigkeit für Ansprüche nach dem UWG erst mit dem BVergG 2006 eingeführt. Die Materialien (EB zur RV, 1171 BlgNR 22. GP, zu § 341) begründen es mit dem Interesse an der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen von Vergabebehörden und ordentlichen Gerichten. Eine Klage auf Unterlassung „vergaberechtswidrigen und zugleich auch wettbewerbswidrigen Verhaltens“ soll daher nur zulässig sein, wenn die zuständige Vergabekontrollbehörde einen Verstoß gegen das BVergG festgestellt hat.
3. Eine solche Feststellung ist hier nicht erfolgt. Damit ist der Rechtsweg jedenfalls für solche lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche unzulässig, die der Kläger - in der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ (4 Ob 225/07b = SZ 2008/32 - Stadtrundfahrten; RIS-Justiz RS0123239) - unmittelbar auf einen Verstoß gegen das Vergaberecht stützt (4 Ob 23/06w = wbl 2006/230 - Arzneimittel-Auftragsvergabe; 4 Ob 10/09p = RPA-Slg 2009/40 - Hygienepapier).
4. Die Klägerin weist zwar an sich zutreffend darauf hin, dass sie ihr Begehren nicht (jedenfalls nicht ausschließlich) auf einen Verstoß gegen Vergabevorschriften gestützt hat, sondern (auch) auf einen Missbrauch der wirtschaftlichen Machtstellung der öffentlichen Hand und eine Behinderung im Wettbewerb durch Diskriminierung und mangelnde Transparenz bei der Auftragsvergabe. Das kann aber die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht begründen. Denn das Vergaberecht dient gerade dazu, ein solches Verhalten durch konkrete Vorschriften für die Auftragsvergabe zu verhindern. Darin liegt eine abschließende Regelung, die als lex specialis eine parallele Beurteilung nach allgemeinem Lauterkeitsrecht ausschließt. Sähe man die Rechtslage anders, würde das Lauterkeitsrecht zu einem Vergaberecht höherer Ordnung: Mitbewerber könnten geltend machen, dass der Auftraggeber durch eine intransparente oder diskriminierende Vergabe seine Marktmacht zugunsten eines bestimmten Marktteilnehmers missbraucht und andere dadurch behindert habe. Auf die Feststellung einer konkreten Vergaberechtswidrigkeit durch die Vergabekontrollbehörden käme es dabei nicht an; vielmehr wäre es Sache der ordentlichen Gerichte, Kriterien für eine unsachliche Differenzierung oder die Intransparenz des Verfahrens herauszuarbeiten. Dies liefe der Zielsetzung von § 341 Abs 2 BVergG 2006 diametral zuwider. Auch wenn daher der Gesetzgeber wohl nur die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ im Auge hatte (EB zur RV, 1171 BlgNR 22. GP, zu § 341), muss sich die Unzulässigkeit der Unterlassungsklage darüber hinaus auf alle Klagen erstrecken, deren Gegenstand ein vom Vergaberecht erfasstes Verhalten des Auftraggebers oder eines Mitbieters ist, dies unabhängig von der rechtlichen Begründung des konkret geltend gemachten Anspruchs. Dazu gehören insbesondere die Wahl des Vergabeverfahrens, die Auswahl der einbezogenen Unternehmen und die Erteilung des Zuschlags. Anders zu beurteilen wäre nur ein anlässlich eines Vergabeverfahrens gesetztes Verhalten, das aus ganz anderen Gründen - etwa wegen einer unzulässigen Übernahme fremder Leistungen (Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG 2006, § 341 Rz 9 FN 31) - gegen das Lauterkeitsrecht verstößt.
5. Eine Rechtsschutzlücke, die mit Art 5 Abs 7 PSO-VO unvereinbar wäre, liegt im konkreten Fall auch bei diesem Verständnis von § 341 Abs 2 BVergG 2006 nicht vor.
5.1. Während bei der Direktvergabe im Allgemeinen nur die Wahl des Vergabeverfahrens gesondert anfechtbar ist (§ 2 Z 16 lit a sublit nn BVergG 2006), ordnet § 141 Abs 5 Satz 1 BVergG 2006 für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im nicht prioritären Bereich an, dass „jede nach außen in Erscheinung tretende Festlegung des Auftraggebers“ als gesondert anfechtbare Entscheidung gilt. Darunter fällt bei der (beabsichtigten) Direktvergabe von Aufträgen iSv Art 5 Abs 6 PSO-VO nicht nur die Wahl des Vergabeverfahrens, sondern wohl auch die mangelhafte Erfüllung des Transparenzgebots nach Art 7 Abs 2 PSO-VO und die (hier behauptete) Ablehnung von Verhandlungen mit Unternehmen, die an solchen Aufträgen interessiert sind. Abweichend von anderen Direktvergaben (vgl dazu etwa Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, BVergG 2006, § 41 Rz 41; Heid in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht3 [2010] Rz 342 f) ist daher die Auswahl der Unternehmen, mit denen Vertragsverhandlungen gepflogen werden, im Anwendungsbereich des § 141 BVergG 2006 nicht von vornherein der Nachprüfung entzogen. Damit sind aber auch Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 328 BVergG 2006 insofern nicht ausgeschlossen.
Materiell ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass zwar eine Direktvergabe bei den hier strittigen Aufträgen aufgrund des in § 141 Abs 3 BVergG 2006 angeordneten „Unberührtbleibens“ von Art 5 Abs 2 und 4 bis 6 PSO-VO auch über den Schwellenwert des § 141 Abs 3 BVergG 2006 hinaus zulässig ist; dennoch hat aber eine solche Vergabe nach § 141 Abs 2 BVergG 2006 (unter anderem) unter Beachtung des Diskriminierungsverbots zu erfolgen. § 141 Abs 2 BVergG 2006 wird vom Vorbehalt zugunsten der Regelungen der PSO-VO in § 141 Abs 3 BVergG 2006 nicht erfasst und ist (war) daher auch im Anlassfall anwendbar.
5.2. Auch lauterkeitsrechtliche Ansprüche sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie könnten insbesondere auf einer Feststellung nach § 341 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 beruhen, dass „die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb“ (also insbesondere eine Direktvergabe) rechtswidrig war.
Diese Bestimmung wurde mit der BVergG-Novelle 2009 neu gefasst. Sie erfasst - wie zuvor § 341 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 aF - jedenfalls die rechtswidrige Wahl eines solchen Verfahrens. Diese Rechtswidrigkeit könnte sich hier nicht aus der PSO-VO ergeben, weil diese eine Direktvergabe für die hier strittigen Fälle ausdrücklich zulässt. Zwar steht Art 5 Abs 6 PSO-VO unter dem Vorbehalt strengeren nationalen Rechts. Da aber in § 141 Abs 3 BVergG 2006 angeordnet wird, dass die Anwendung der einschlägigen Verordnungsbestimmungen „unberührt“ bleibt, steht auch der Schwellenwert des § 143 Abs 3 BVergG 2006 einer Direktvergabe nicht entgegen. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass diese Verschiedenbehandlung dem Gleichheitssatz des nationalen Rechts widerspricht (Rindler, Bundesvergabegesetz-Novelle 2009 - Ein Überblick, RPA 2010, 59 [62 f]) oder dass sich die Unzulässigkeit der Direktvergabe im konkreten Fall aus § 141 Abs 2 BVergG 2006 ergeben könnte. Ob das zutrifft, ist von den Vergabekontrollbehörden und gegebenenfalls vom Verfassungsgerichtshof zu entscheiden; eine parallele Beurteilung durch die ordentlichen Gerichte ist nach der Wertung des § 341 Abs 2 BVergG 2006 ausgeschlossen.
§ 341 Abs 2 Z 2 BVergG ist zudem nicht - wie früher § 341 Abs 2 Z 2 BVergG 2006 aF - auf die rechtswidrige Wahl eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb beschränkt, sondern erfasst ganz allgemein dessen rechtswidrige Durchführung. Die Bedeutung dieser Neufassung ist zwischen den Parteien strittig; auch darüber werden die Vergabekontrollbehörden zu entscheiden haben.
5.3. Damit kann derzeit offen bleiben, wie eine Lücke im Rechtsschutz des Vergaberechts - wenn sie bestünde - zu schließen wäre. Die Klägerin ist der Auffassung, dass dies durch eine (unbeschränkte) Anwendung des UWG erfolgen müsste. Dem steht aber der vom Gesetzgeber in § 341 Abs 2 BVergG 2006 angeordnete Primat des Vergaberechts entgegen. Richtigerweise werden daher wohl eher die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vergaberechts unionsrechtskonform dahin auszulegen sein, dass sie dem Gebot einer raschen und effizienten Überprüfung (Art 5 Abs 7 PSO-VO) entsprechen.
6. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Klägerin scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
7. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden: Die Beschränkung der Zulässigkeit des Rechtswegs in § 341 Abs 2 BVergG 2006 erfasst unabhängig von der rechtlichen Begründung des Anspruchs alle auf das UWG gestützten Klagen, deren Gegenstand ein vom Vergaberecht erfasstes Verhalten des Auftraggebers oder eines Mitbieters ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)