OGH 9ObA22/11t

OGH9ObA22/11t27.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Kurt K*****, vertreten durch Mag. Laurenz Strebl, Dr. Hannes Wallisch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 613.953 EUR sA über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. November 2010, GZ 10 Ra 83/10i-36, mit dem infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 3. Dezember 2010, GZ 12 Cga 67/08x-28, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.182,94 EUR (darin enthalten 530,49 EUR an Ust) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu den für das Revisionsverfahren maßgeblichen Fragen sind folgende Feststellungen hervorzuheben:

Der bei der Beklagten vom 8. 9. 1980 bis 31. 12. 2007 beschäftigte Kläger nahm auch am sogenannten „Long-Term Compensation Plan 2000 - 2006“ (Langfristiger Vergütungsplan für die Jahre 2000-2006, kurz: LTC-Plan) teil. Aus diesem Plan, dessen Grundlagen näher festgestellt wurden, erhielt er für den Zeitraum 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2005 einen Bruttobetrag von 457.784,99 EUR welcher ihm von Jänner bis Dezember 2007 in 14 Teilbeträgen á 32.600 EUR brutto und einem letzten Teilbetrag von 1.384,99 EUR brutto ausbezahlt wurde. Für den Zeitraum bis zum 31. 12. 2006 erhielt der Kläger aus dem LTC-Plan einen weiteren Bruttobetrag von 157.553,29 EUR welcher ihm in acht Teilbeträgen á 16.800 EUR von Mai 2007 bis Dezember 2007 sowie einem letzten Teilbetrag in der Höhe von 23.123,29 EUR im Dezember 2007 ausgezahlt wurden. Diese Zahlungen wurden anders als sonstige während des letzten Jahres ausbezahlte Zulagen und Leistungsvergütungen nicht der Abfertigungsberechnung zugrundegelegt.

Der Kläger begehrt ausgehend von der Einrechnung aller 2007 aus dem LTC-Plan ausgezahlten Leistungen eine Abfertigungsdifferenz von 613.963,13 EUR.

Die Beklagte wendete neben dem Einwand einer vergleichsweisen Bereinigung vor allem ein, dass es sich um atypische Zahlungen gehandelt habe und sich diese auf frühere Zeiträume beziehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von 157.553,28 EUR teilweise statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab. Es ging zusammengefasst davon aus, dass die erhaltenen Bonuszahlungen 2007 aus dem Arbeitsjahr 2006 in die Abfertigungsbemessungsgrundlage miteinzubeziehen sind.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsabweisenden Teil des Urteils erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Rechtlich folgerte es zur hier maßgeblichen Frage zusammengefasst, dass bei der Bemessung der Abfertigung grundsätzlich ein Beobachtungszeitraum von 12 Monaten zu wählen und der monatliche Durchschnittswert für die Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes stelle das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses bzw das für den 12-monatigen Beobachtungszeitraum „gebührende Entgelt“ die Basis der Berechnung des Abfertigungsanspruchs dar. Auf die Fälligkeit komme es nicht an. So habe der Oberste Gerichtshof Gewinnbeteiligungen unter dem Gesichtspunkt der Regelmäßigkeit in die Berechnungsgrundlage der Abfertigung einbezogen, dabei aber auch betont, dass Grundlage für die Abfertigungszahlung nur die monatsweise aufzuteilende, für das letzte Jahr vor der Beendigung des Dienstverhältnisses gebührende Gewinnbeteiligung sein könne (9 ObA 268/89; 8 ObA 277/94). Soweit der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 9 ObA 59/06a im Ergebnis von dieser Rechtsansicht abgewichen sei (Entgeltansprüche, die erst nach der Beendigung des Dienstverhältnisses entstehen oder fällig werden, wurden nicht einbezogen), sei dies in der Literatur überwiegend kritisch aufgenommen worden. Das Berufungsgericht schließe sich der in der Literatur und den früheren Obersten Gerichtshof Entscheidungen vertretenen Rechtsauffassung an, wonach die im letzten Jahr vor der Beendigung des Dienstverhältnisses gebührende Gewinnbeteiligung (anteilig) für die Abfertigung zu berücksichtigen ist, nicht jedoch eine für frühere Jahre gebührende und im letzten Jahr bloß fällig gewordene und ausbezahlte Gewinnbeteiligung.

Das Berufungsgericht erachtete die Revision als zulässig, da die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage nicht einheitlich ist.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Begründung des Berufungsgerichts, dass der Berechnung der Abfertigung nicht jene Vergütung zugrundezulegen ist, die im letzten Jahr des Dienstverhältnisses aufgrund der Abrechnungsvereinbarung zwar ausbezahlt wird, aber für frühere Jahre gebührt, ist zutreffend. Es reicht daher aus, auf die Begründung dieser Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend und zum besseren Verständnis ist Folgendes festzuhalten:

1. Allgemein entspricht es der herrschenden Auffassung, dass nach § 23 Abs 1 AngG das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt Basis der Berechnung des Abfertigungsanspruchs darstellt. Auf die Fälligkeit kommt es nicht an (Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 23 Rz 26 mwN; Mayr in ZellKomm § 23 AngG Rz 24). Schwankt die Höhe des Entgelts innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist ein Zwölftel des gesamten Entgelts dieses Jahres als Bemessungsgrundlage der Abfertigung zugrundezulegen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Schwankungen durch variable Prämien, Zulagen, Provisionen, Sonderzahlungen oder Überstundenentgelte bewirkt werden (RIS-Justiz RS0043295, vgl auch RS0028581).

2. Strittig ist im Revisionsverfahren letztlich nur noch die Frage, ob es für die Berücksichtigung von Entgelten, wie des „Long-Term Compensation Plan 2000 - 2006“, auf die Fälligkeit bzw den Abruf dieser Entgelte ankommen soll, oder auf den Bezugszeitraum, für den sie erworben wurden. Dabei ist aus den Feststellungen ergänzend hervorzuheben, dass nach dem LTC-Plan von dem jeweiligen Jahresgewinn des Unternehmens, soweit er die Kapitalkosten übersteigt, 5 Prozent dem LTC-Plan und dessen „Guthaben“ zugewiesen werden. An diesem sind bestimmte Führungskräfte mit einem bestimmten Schlüssel beteiligt. Bei negativen Ergebnissen sind Abzüge von diesem „Guthaben“ vorgesehen. Der Abruf des „Guthabens“ ist frühestens im fünften Jahr (zwischen Veröffentlichung des Geschäftsberichts im April und dem 31. 8.) mit je 25 Prozent bzw zuletzt grundsätzlich in voller Höhe möglich. Für gewisse Formen des Ausscheidens ist ein Erlöschen des Guthabens vorgesehen. Im Ergebnis kann dies als eine Art der Gewinnbeteiligung gesehen werden, bei der Anreize für eine Bindung (Auflösungsformen) und langfristig verantwortungsvolles Handeln (Abrechnung von Verlusten) der Führungskräfte gesetzt werden sollen (vgl in diesem Zusammenhang etwa die Änderungen des BWG mit der Novelle BGBl I 110/2010).

3. § 23 Abs 1 AngG zweiter Satz ordnet für die Berechnung der Abfertigung an, dass dieser das „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende“ Entgelt zugrundezulegen ist. Es wird also nicht darauf abgestellt, dass das „im“ letzten Monat gebührende Entgelt heranzuziehen ist, sondern jenes „für“ diesen Monat. Schon dies deutet darauf hin, dass es dem Gesetzgeber nicht darum gegangen ist, welche Entgelte im letzten Monat fällig und auszuzahlen sind, sondern welche als Gegenleistung „gebühren“. So wurde dies auch in den Vorentscheidungen zu 9 ObA 268/89 sowie 8 ObA 277/94 zugrundegelegt.

4. Zutreffend ist, dass der erkennende Senat in der Entscheidung zu 9 ObA 59/06a davon abgewichen ist und darauf abgestellt hat, welche Gewinnbeteiligung im letzten Jahr ausbezahlt wurde und nicht darauf, welche erwirtschaftet wurde. Die wesentlichen Argumente dafür lagen darin, dass die Gewinnbeteiligung erst im folgenden Jahr errechnet werden kann und daher ein Abstellen auf die im laufenden Jahr ausbezahlten Gewinne aus dem vergangenen Jahr eine praktische Erleichterung bringt und es zudem auch um den Versorgungs- und Überbrückungsgedanken geht.

5. Diese praktische Erleichterung wurde vereinzelt auch begrüßt (K. Mayr in seiner Entscheidungsbesprechung DRdA 2008/8).

6. Überwiegend ist diese Entscheidung aber auf Kritik gestoßen. So hat Holzer (aaO Rz 26 iVm 36) zutreffend aufgezeigt, dass es bei der Berechnung der Abfertigung auch darum geht, dauerhaften Veränderungen im letzten Jahr Rechnung zu tragen. Auch Huger/Laimer (ZAS 2007/36) weisen in ihrer Entscheidungskritik darauf hin, dass es auf das zuletzt ins Verdienen gebrachte und nicht auf das bloß in diesem Zeitraum ausbezahlte Einkommen ankommen soll.

7. Der Oberste Gerichtshof schließt sich diesen Argumenten der Lehre und des Schrifttums an.

Allgemein ist in Lehre und Schrifttum unstrittig, dass es um die Entgeltsituation des Arbeitnehmers vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht (Schrammel, Arbeitsrecht II6, 289; zum Aktualitätsprinzip auch Schrank in Runggaldier [Hrsg] Abfertigungsrecht, 158). Zu den in diesem Zeitraum gebührenden, jedoch erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu berechnenden und fällig werdenden Entgelten vertritt K. Mayr die Ansicht, dass diese bei der Abfertigungsberechnung erst nachträglich zu berücksichtigen sind (K. Mayr in Löschnigg [Hrsg] Angestelltengesetz II, 1010). Dies ist überzeugend, weil das AngG selbst für Gewinnbeteiligungen Berechnungsregeln und Fälligkeitsbestimmungen festlegt, die über die Dauer des Dienstverhältnisses hinausgehen können (§ 14 Abs 1 AngG). Es ist davon auszugehen, dass diese Regelungen auch bei den Bestimmungen über die Fälligkeit der Abfertigung (§ 23 Abs 4 AngG) mitzuberücksichtigen sind und in diesem Umfang auch die Abfertigung erst mit dem Anspruch auf Abrechnung der Gewinnbeteiligung fällig wird. Dann sprechen aber auch Gründe der Praktikabilität nicht dagegen, entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bei der Abfertigungsberechnung, wie sie etwa für die Provisionen unstrittig sind, darauf abzustellen, was für die letzten 12 Monate an Gewinnbeteiligung gebührt und nicht darauf, was in diesem Zeitraum - mehr oder weniger zufällig - abgerechnet wurde. Soweit Angestellte im Rahmen von einseitigen Gestaltungsbefugnissen des Arbeitgebers wegen des Ausscheidens aus dem Betrieb benachteiligt wurden, werden derartige Gestaltungen ohnehin als für die Berechnung der Abfertigung unwirksam qualifiziert (Holzer aaO, Rz 26; vgl auch Schrank aaO, 158 f zu den kündigungsunabhängigen Dauerveränderungen und der Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers).

Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass auch bei der Gewinnbeteiligung jene heranzuziehen ist, die für das letzte Jahr gebührt und nicht jene, die in diesem ausbezahlt wurde.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG sowie die §§ 50 und 41 ZPO.

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