OGH 9ObA16/11k

OGH9ObA16/11k27.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Österreichische Post AG, 8020 Graz, Bahnhofgürtel 48-50, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 520,02 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. November 2010, GZ 8 Ra 54/10p-20, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. April 2010, GZ 36 Cga 190/09b-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 225,07 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 37,51 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger war seit dem 1. 1. 1990, zunächst bei der Post- und Telegraphenverwaltung, als Postbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt. Die Post- und Telegraphenverwaltung wurde durch das Poststrukturgesetz BGBl Nr 201/1996 (PTSG) aus der Bundesverwaltung ausgegliedert. Ihre Aufgaben wurden von der Post und Telekom Austria AG übernommen, die wiederum unter anderem in die Beklagte aufgesplittet wurde. Der Kläger ist der Beklagten zur dauernden Verwendung gemäß § 17 Abs 1a PTSG zugewiesen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung von Stückgeld für von ihm im Zeitraum Jänner bis August eingesammelte 5778 Pakete in Höhe von 0,09 EUR pro Paket. Er stützte seine Klage darauf, dass dieses Stückgeld mit der Beklagten unabhängig von seinem Beamtendienstverhältnis privatrechtlich vereinbart worden sei. Darüber hinaus machte er einen Schadenersatzanspruch geltend. Die Beklagte sei gemäß § 17a PTSG Dienstbehörde für die ihr zugewiesenen Beamten. Der Vorstand wäre zur ordnungsgemäßen Kundmachung der Bezüge im Rahmen seiner Fürsorgepflicht verpflichtet gewesen. Er habe dies unterlassen, dieses Versäumnis sei als schuldhaft und rechtswidrig anzusehen. Die Beklagte müsse sich dies gemäß § 1313a ABGB zurechnen lassen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit dem im Revisionsverfahren noch wesentlichen Vorbringen, dass weder eine privatrechtliche Vereinbarung der Streitteile über das Stückgeld getroffen wurde, noch die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch vorliegen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging dabei von folgenden weiteren wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger ist im Bereich Paketlogistik in einer Paketzustellbasis der Beklagten beschäftigt. Im Zeitraum Jänner bis August 2008 sammelte er 5778 Pakete für die Beklagte ein. Das Stückgeld ist in der unstrittig nicht ordnungsgemäß kundgemachten Nebengebührenvorschrift geregelt. Die Beklagte bzw deren Rechtsvorgängerinnen haben die Kriterien für die Gewährung des Stückgelds festgelegt und - teilweise nach Verhandlungen mit der Personalvertretung - immer wieder verändert und diese im Betrieb veröffentlicht. Im Abstand von drei Jahren wurde das Stückgeld entsprechend der Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten und dem Vorstand der Beklagten erhöht. Seit Anfang 2008 wurde dem Kläger kein Stückgeld mehr bezahlt, obwohl er die Bedingungen dafür erfüllte. Teilweise beziehen Angestellte und auch Beamte der Beklagten noch dieses Stückgeld. Einen Teil des auch nunmehr geltend gemachten Stückgeldlohns begehrte der Kläger im Verwaltungsweg. Er war dort nicht erfolgreich, weil die Nebengebührenvorschrift nie ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass zwar keine privatrechtliche Entgeltvereinbarung zwischen den Streitteilen getroffen worden sei. Die Beklagte habe sich jedoch zur Zahlung des Stückgeldes im Rahmen einer Auslobung iSd § 860 ABGB verpflichtet.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der Beklagten im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass keine privatrechtliche Entgeltvereinbarung zwischen den Streitteilen über die Zahlung von Stückgeld getroffen worden sei. Der Anspruch auf Stückgeld beruhe weder auf dem Gehaltsgesetz noch auf der Nebengebührenverordnung, sondern auf der unstrittig nicht ordnungsgemäß kundgemachten Nebengebührenvorschrift, bei der es sich um keine Verordnung, sondern um eine Dienstanweisung handle. Der Umstand, dass Stückgeld vor und nach der Ausgliederung weiter bezahlt worden sei, zeige jedoch, dass auch keine schlüssige vertragliche Vereinbarung zwischen den Streitteilen darüber iSd § 863 ABGB getroffen worden sei. Vor allem fehle es an einem Verhalten der Beklagten als „Beschäftigerbetrieb“, das auf eine - insbesondere unabhängig von den dem Bund gemäß § 17 Abs 6 PTSG zu refundierenden Aktivbezügen - privatrechtliche Entlohnungsvereinbarung gemäß § 863 ABGB schließen lasse. Auch eine Auslobung iSd § 860 ABGB sei daher nicht möglich. Eine Erweiterung öffentlich-rechtlicher dienstvertraglicher Ansprüche durch eine betriebliche Übung sei schon im Ansatz nicht möglich. Der Kläger könne auch keinen Schadenersatzanspruch geltend machen: Gegenüber dem in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Kläger sei zur Wahrung der Fürsorgepflichten des Dienstgebers nicht der Vorstand der Beklagten, sondern der Vorstandsvorsitzende als Leiter des Personalamts gemäß § 17a Abs 3 PTSG berufen. Gegenüber seinen Beamten habe der Rechtsträger als Dienstgeber in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht auch deren wirtschaftliche Interessen zu wahren und zu fördern, sodass ein Amtshaftungsanspruch im Fall der Verletzung dieser Pflichten denkbar sei. Ein solcher müsse jedoch gegen die Republik Österreich gerichtet werden. Eine Mithaftung der Beklagten iSd § 1 Abs 3 AHG komme nicht in Frage, weil nach dieser Bestimmung jene Rechtsträger, die nur für einen einzigen anderen Rechtsträger hoheitlich zu handeln haben und daher unter keinen Umständen endgültig haften, nicht in Anspruch genommen werden könnten. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil in dem Fall, dass entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts von einer Haftung der Beklagten infolge eines Amtshaftungsanspruchs ausgegangen werden könne, die Voraussetzungen dafür vor dem Erstgericht zu erörtern wären.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurück-, hilfsweise abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

1. Die Frage, ob der Kläger unabhängig von seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis aufgrund einer mit der Beklagten getroffenen privatrechtlichen Vereinbarung einen Anspruch auf Stückgeld erworben hat (8 ObA 332/94; RIS-Justiz RS0037906), kann immer nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine solche privatrechtliche Entgeltvereinbarung der Streitteile über die Bezahlung von Stückgeld hier nicht zustande kam, ist keineswegs unvertretbar. Der Kläger bestreitet nicht, dass der Anspruch auf Stückgeld seine Grundlage in der Nebengebührenvorschrift hat, bei der es sich um eine öffentlich-rechtliche Dienstanweisung handelt. Er führt lediglich aus, dass die Beklagte durch Veröffentlichung der Bedingungen für die Zahlung des Stückgelds und dessen regelmäßige Erhöhung auch nach Inkrafttreten des PTSG ihren Willen ausreichend geäußert habe, auch den Beamten dieses Stückgeld zu zahlen. Damit zeigt er jedoch keine korrekturbedürftige Auslegung des Berufungsgerichts auf, das im konkreten Fall insbesondere auch deshalb keine iSd § 863 ABGB die Beklagte als bloßen „Beschäftiger“ bindende privatrechtliche Willenserklärung erkennen konnte, weil der Vorstandsvorsitzende der Beklagten die Verhandlungen für die Beamten in seiner Eigenschaft als Leiter des Personalamts führte. Die vom Kläger aufgeworfene Frage der Verfassungskonformität „des § 17 PTSG“ stellt sich schon deshalb hier nicht, weil die Befugnis des Vorstandsvorsitzenden in seiner Eigenschaft als oberste Dienstbehörde (9 ObA 88/07t), insbesondere die wiederkehrende Anpassung der in Geldbeträgen ausgedrückten Bezugs- und Zulagenansätze für die dem jeweiligen Unternehmen zugewiesenen Beamten zu regeln, auf der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 17a Abs 3 Z 2 PTSG beruht.

2. Der Revisionswerber bestreitet nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein allfälliger Amtshaftungsanspruch - der im Verfahren nie als solcher vom Kläger geltend gemacht wurde - gegen die Republik Österreich als zuständigen Rechtsträger zu richten wäre. Die bloße Behauptung in der Revision, dass sich eine Haftung der Beklagten gemäß § 1 Abs 3 AHG klar aus dem Gesetzestext ergebe, trifft schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte keine Rechtsträgerin iSd § 1 Abs 1 AHG oder der Bestimmungen des PTSG ist. Die Ausübung der Diensthoheit durch den Vorstandsvorsitzenden ist vielmehr dem Bund als Rechtsträger zuzurechnen (9 ObA 88/07t). Schon mangels Vorhandenseins eines weiteren Rechtsträgers iSd § 1 Abs 3 AHG stellt sich daher die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht.

3. Schließlich zeigt der Revisionswerber auch mit der - überdies nicht begründeten - Behauptung, dass sich die Beklagte ein etwaiges Versäumnis des Vorstandsvorsitzenden als schuldhaftes und rechtswidriges Handeln iSd § 1313a ABGB zurechnen lassen müsse, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Haftung für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen kommt nur für denjenigen in Betracht, der zur Erfüllung einer bestehenden Sonderverbindung, etwa im Rahmen eines gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnisses verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0017046; Karner in KBB³ § 1313a Rz 2). Die Haftung nach § 1313a ABGB setzt einen Zusammenhang des schadensursächlichen Gehilfenverhaltens mit der vom Haftenden geschuldeten Leistung voraus; ob dieser Zusammenhang erfüllt ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0028530). Ausgehend davon ist aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass hier einerseits die Beklagte dem Kläger weder gesetzlich noch vertraglich die Zahlung von Stückgeld schuldet und dass andererseits nicht der Vorstand der Beklagten für die dienstrechtlichen Belange des Klägers zuständig ist, sondern der Vorsitzende des Vorstands als weisungsfreies Organ der Bundesverwaltung (9 ObA 88/07t), sodass der Kläger im Ergebnis keinen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte geltend machen kann, keinesfalls unvertretbar.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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