OGH 9ObA76/10g

OGH9ObA76/10g27.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** E***** H*****, Pensionist, *****, vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft mbH, Stiftingtalstraße 4-6, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Gabriele Krenn, Rechtsanwältin in Graz, wegen 83.745,12 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 2010, GZ 8 Ra 15/10b-16, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Dezember 2010 (richtig: 2009), GZ 30 Cga 68/09t-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.089,62 EUR (darin 348,27 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob bei Zusammentreffen eines privatrechtlichen Geschäftsführervertrags mit einer Beamtenstellung nach dem Stmk L-DBR, ungeachtet der zwingenden urlaubsrechtlichen Bestimmungen nach diesem Gesetz, die Anwendung des Urlaubsgesetzes vereinbart werden könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe; bejahendenfalls, ob für den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung der bloße Hinweis auf die Anwendung des Urlaubsgesetzes ausreiche. Der Revisionswerber schloss sich der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts an. Er verwies auch auf den Umstand, dass er für den Zeitraum der Ausübung der echten Geschäftsführertätigkeit nicht karenziert, sondern dienstzugeteilt gewesen sei. Die Revisionsgegnerin bestritt demgegenüber die Zulässigkeit der Revision und beantragte deren Zurückweisung. Dass Vereinbarungen, die zwingenden Bestimmungen bezüglich der verbotenen Urlaubsablöse widersprechen, unzulässig seien, entspreche der gesicherten Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die streitgegenständliche Frage, ob dem Kläger eine Urlaubsersatzleistung zusteht, kann auf Grundlage des anzuwendenden Gesetzes und bereits vorliegender Rechtsprechung gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der Kläger (geboren ***** 1946) ist seit mehr als 40 Jahren (siehe dazu Beil ./C1) Beamter des Landes Steiermark. Als solcher war er der Beklagten seit 1. 7. 1985 (ohne Karenzierung) zur Dienstleistung zugewiesen, und zwar zunächst als Finanzdirektor und Prokurist, dann als „interemistischer Vorstand“ und schließlich für die Zeit vom 1. 4. 2004 bis zum 31. 3. 2008 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beklagten. Im Anschluss daran trat der Kläger die Pension an. Die Krankenanstalten des Landes Steiermark wurden im Jahr 1985 aus der Landesverwaltung ausgegliedert und in die beklagte Gesellschaft mbH, deren Alleingesellschafterin das Land Steiermark ist, übergeführt. Die notwendigen personalrechtlichen Regelungen finden sich im Gesetz über die Zuweisung von Landesbediensteten zur Dienstleistung bei der Steiermärkischen Krankenanstalten GmbH, LGBl 1985/64 (vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 221 f ua). Durch die Zuweisung wird in erster Linie die tatsächliche Verwendung des Dienstnehmers innerhalb des zugewiesenen Unternehmens sichergestellt (vgl Schrammel, Dienstrecht versus Privatarbeitsrecht, in Brodil, Ausgliederungen 27 [32] ua). Bei den öffentlich-rechtlichen Bediensteten kommt es anlässlich der Ausgliederung typischerweise zu keinem Wechsel des Dienstgebers. Der Rechtsstatus als Beamter wird beibehalten (vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 301; 9 ObA 137/09a ua). Maßgeblich ist bei Beamten daher nach wie vor das öffentliche Dienstrecht und nicht das private Arbeitsrecht (vgl Baumgartner, Ausgliederung und öffentlicher Dienst 307 ua).

Auch der Kläger befand (und befindet) sich nur in einem einzigen Dienstverhältnis, nämlich jenem zum Land Steiermark. Zwischen ihm und der Beklagten kam es zu keinem zweiten Dienstverhältnis. Dies wird vom Kläger in der Revision (S 6 unten) auch grundsätzlich eingeräumt (arg „ergänzt“ bzw „Einheit“), wenn auch die These vertreten wird, das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Klägers wäre durch eine privatrechtliche Vereinbarung zur „dualistischen Einheit“ ergänzt worden. Richtig ist, dass am 20. 5. 2005 zwischen dem Kläger und der Beklagten aus Anlass seiner Bestellung zum Geschäftsführer eine ergänzende Vereinbarung abgeschlossen wurde. Diese Vereinbarung sollte aber nach Lage des Falls - ungeachtet ihrer irreführenden Bezeichnung als „Dienstvertrag“ - kein zweites Dienstverhältnis begründen. Deshalb wurde auch gleich an zwei Stellen (in den Punkten VI. und XVI.) festgehalten, dass der Kläger Beamter des Landes Steiermark sei, der der Beklagten zur Dienstleistung zugewiesen worden sei. In dieser Vereinbarung ging es darum, verschiedene für die im Rahmen der Zuweisung erfolgende Geschäftsführertätigkeit des Klägers relevante Fragen zu regeln. So sollte der Kläger zuzüglich zu seinem Bezug als Beamter eine nicht ruhegenussfähige Mehrleistungsvergütung erhalten. Der für das vorliegende Verfahren relevante Punkt XI. bekräftigte in seinem ersten Satz den Anspruch des Klägers auf Erholungs- und Sonderurlaub und normierte schließlich in seinem zweiten Satz: „Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Urlaubsgesetzes.“ Nur um diesen zweiten Satz geht es im Revisionsverfahren.

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Urlaubsersatzleistung in der Höhe von 83.745,12 EUR brutto sA, weil er bis zur Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit und der anschließenden Versetzung in den Ruhestand seinen Erholungsurlaub nicht habe verbrauchen können. Dabei stützt er sich auf die in der Vereinbarung vom 20. 5. 2005 getroffene „Rechtswahl“, wonach das Urlaubsgesetz Anwendung finde. Mit der Auffassung des Revisionswerbers, sein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Land Steiermark wäre durch die privatrechtliche Vereinbarung mit der Beklagten bezüglich der Anwendung des Urlaubsgesetzes zulässigerweise ergänzt und zur „dualistischen Einheit“ geworden, wird aus den nachstehenden Erwägungen keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:

Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Klägers zum Land Steiermark unterliegt dem Gesetz über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L-DBR), LGBl 2003/29. Der Erholungsurlaub der Landesbeamten ist in den §§ 59 ff Stmk L-DBR geregelt. § 65 Stmk L-DBR ordnet den Verfall des Erholungsurlaubs an, wenn er nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verbraucht wird, und normiert weiters das Verbot der Ablöse des Erholungsurlaubs in Geld („Ablöseverbot“). Eine Urlaubsersatzleistung iSd § 10 Urlaubsgesetz (UrlG), BGBl 1976/390, ist im Stmk L-DBR - wie auch beim Bund im Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl 1979/333 (vgl VwSlg 12491 [A]; VwGH 90/12/0103; 94/12/0344; 97/12/0106 ua) - nicht vorgesehen.

Dies wird vom Revisionswerber auch nicht weiter in Frage gestellt, bestärkt ihn aber in seinem Standpunkt, mit der Geltung des UrlG wäre für ihn etwas Günstigeres als das Urlaubsrecht des Stmk L-DBR vereinbart worden. Dabei übergeht er aber, dass das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis eines Beamten nicht der vertraglichen Gestaltung unterliegt, sofern nicht Gestaltungsrechte gesetzlich ausdrücklich eingeräumt sind (vgl Grillberger, § 863 ABGB und öffentliches Dienstrecht, in FS Tomandl 91 [92]; Schrammel, Dienstrecht versus Privatarbeitsrecht, in Brodil, Ausgliederungen 27 f; VwGH 89/12/0004; 95/12/0298; 9 ObA 137/09a; 9 ObA 64/10t ua). Dies ist hier nicht der Fall. Auch der Revisionswerber vermag keine gesetzliche Grundlage zu benennen, die es gestattet, ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis durch eine privatrechtliche Vereinbarung in eine „dualistische Einheit“ umzuwandeln. Richtig ist, dass vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall und in engen Grenzen zwischen dem zugewiesenen Beamten und dem Beschäftiger privatrechtliche Nebenabreden über ein zusätzliches Entgelt bzw eine Zulage als zulässig angesehen wurden (vgl 8 ObA 332/94; 9 ObA 64/10t ua). Um Derartiges geht es jedoch hier nicht; die bereits erwähnte zusätzliche Mehrleistungsvergütung, die der Kläger aufgrund der Vereinbarung der Parteien vom 20. 5. 2005 erhalten sollte, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die in Punkt XI. zweiter Satz der Vereinbarung enthaltene Regelung bezüglich des UrlG zielt auf eine Auswechslung der Rechtsgrundlage des anzuwendenden Urlaubsrechts ab. Anstelle der Urlaubsregelungen des Stmk L-DBR, die für die in einem Dienstverhältnis zum Land Steiermark stehenden Bediensteten zur Anwendung kommen, soll nach Auffassung des Revisionswerbers kraft Vereinbarung das UrlG gelten. Für eine derartige „Rechtswahl“ fehlt aber eine gesetzliche Grundlage. Die dem Revisionswerber vorschwebende Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses durch Vereinbarung ist daher nicht zulässig.

Dass die Parteien nicht bloß die Geltung des UrlG, sondern direkt eine „Urlaubsersatzleistung“ vereinbart haben, wurde vom Kläger in erster Instanz nicht geltend gemacht. Zutreffend wird in der Revision darauf hingewiesen, dass es dem Kläger daher auch nicht um die Auslegung der Vereinbarung vom 20. 5. 2005 geht, um das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage darzutun. Es genügt deshalb zu diesem Thema der abschließende Hinweis, dass eine Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG nicht vereinbart werden muss, sondern bei Vorliegen aller Voraussetzungen - wozu auch ein dem UrlG unterliegendes Dienstverhältnis gehört - dem Dienstnehmer aufgrund des Gesetzes zusteht. Eine allfällige Vereinbarung der finanziellen Abgeltung nicht verbrauchten Urlaubs fiele sowohl nach § 65 Stmk L-DBR als auch nach § 7 UrlG unter das Verbot der Urlaubsablöse. Da eine derartige Vereinbarung aber ohnehin nicht geltend gemacht wurde, können die diesbezüglichen Überlegungen dahingestellt bleiben; sie können daher auch keine erhebliche Rechtsfrage begründen.

Zusammenfassend gelingt es dem Revisionswerber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, von der die Lösung des vorliegenden Falls abhängt. Seine Revision ist daher zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Revisionsgegnerin hat ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 ua).

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