OGH 10ObS63/11d

OGH10ObS63/11d21.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 2011, GZ 8 Rs 38/11h-42, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Strittig ist, ob der von der Klägerin im Rahmen ihrer Dienstreise nach St. Petersburg am 20. 5. 2009 erlittene Unfall als Dienstunfall iSd § 90 Abs 1 B-KUVG zu beurteilen ist. § 90 Abs 1 B-KUVG definiert als Dienstunfälle „Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignen“. Da die Bestimmungen des B-KUVG über Dienstunfälle den entsprechenden Bestimmungen des ASVG über Arbeitsunfälle nachgebildet sind, können Lehre und Rechtsprechung zu den Bestimmungen des ASVG auch zur Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des B-KUVG herangezogen werden (RIS-Justiz RS0110598).

2. Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass auch während einer Dienstreise zwischen Betätigungen, die mit der versicherten Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen, und solchen Verrichtungen zu unterscheiden ist, die der privaten Sphäre des Dienstreisenden angehören. Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz ist nämlich auf einer Dienstreise nicht schon deshalb ohne weiteres gegeben, weil sich der Versicherte im betrieblichen (dienstlichen) Interesse außerhalb seines Beschäftigungsortes aufhalten und bewegen muss. Der Versicherungsschutz entfällt vielmehr, wenn sich der Dienstreisende rein persönlichen, für die Betriebstätigkeit nicht mehr wesentlichen und von dieser nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widmet. Allerdings wird bei Unfällen während einer Dienstreise ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen (dienstlichen) Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Beschäftigung im Allgemeinen eher anzunehmen sein als am Wohn- oder am Betriebsort (10 ObS 129/09g, SSV-NF 23/82; 10 ObS 9/06f, SSV-NF 20/27 mwN; RIS-Justiz RS0084819 ua).

2.1 Der Versicherungsschutz während einer Dienstreise kann sich daher auch auf solche Tätigkeiten erstrecken, die sonst dem privaten Bereich zuzuordnen sind (10 ObS 129/09g, SSV-NF 23/82 mwN). Zu diesen dem unversicherten Lebensbereich zuzurechnenden Verrichtungen zählen vor allem die notwendigen und selbstverständlichen Dinge, denen jeder Mensch unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen pflegt (zB Schlafen, Essen, Waschen, Wechseln der persönlichen Wäsche udgl). Ungeachtet des privaten Charakters dieser Verrichtungen kann daher während einer Dienstreise innerhalb eines Hotels oder eines Privatquartiers ein rechtlich wesentlicher innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Dienstreisenden auch bei einer dem privaten unversicherten Bereich zuzurechnenden Verrichtung gegeben sein, wenn gefahrbringende Umstände den Unfall wesentlich bedingt haben, die in ihrer besonderen Eigenart dem Beschäftigten am Wohn- oder Beschäftigungsort nicht begegnet wären (10 ObS 129/09g, SSV-NF 23/82 unter Hinweis auf die eine vergleichbare Rechtslage betreffende deutsche Lehre und Judikatur). Als dienstreisebedingt und damit in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehend sind nur solche Unfallgefahren zu bewerten, die sich nach Art und Ausmaß von den vielfältigen alltäglichen Risiken abheben, denen jeder Mensch ausgesetzt ist.

3. Im vorliegenden Fall ist das Duschen der Klägerin in dem vom Dienstgeber bereitgestellten Privatquartier am Unfallstag grundsätzlich ihrem persönlichen, vom Unfallversicherungsschutz nicht erfassten Lebensbereich zuzuordnen. Ein Unfallversicherungsschutz käme daher nur in Betracht, wenn die Klägerin durch die Umstände der Dienstreise einer besonderen Gefährdung ausgesetzt gewesen wäre. Zutreffend macht die Klägerin geltend, dass es für die Frage des Unfallversicherungsschutzes nicht wesentlich ist, ob sie beim Verlassen der Duschwanne eine besondere oder eine nur durchschnittliche Sorgfalt angewandt hat, da selbst ein allenfalls (leicht) fahrlässiges Handeln der Klägerin einen Unfallversicherungsschutz nicht ausschließen würde (vgl RIS-Justiz RS0085110).

3.1 Die Frage, ob ein in die betriebliche Sphäre gehöriges besonderes Risiko zum Unfall der Klägerin geführt hat, kann nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Das Berufungsgericht war im Ergebnis der Ansicht, der Unfall der Klägerin sei nicht durch besondere Gefahrenelemente verursacht worden, die der versicherten Tätigkeit aufgrund ihrer besonderen Beziehung zu dieser Gefahr zuzurechnen seien, weil von der am Unfallsort vorhandenen Duschwanne aufgrund ihrer ungewöhnlichen Höhe zwar eine größere Gefahr als von handelsüblichen Duschwannen ausgegangen sei, nasse Plastikfliesen vor einer Dusche aber nicht ungewöhnlich seien. Wenn man weiters berücksichtigt, dass die latent vorhandene Gefahr, in Duschräumen auf nassen Fliesen auszurutschen, allgemein bekannt ist, kann in der Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Annahme einer besonderen Gefahrenquelle am Ort der Dienstreise im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sei (vgl in diesem Sinne auch die Entscheidungen des deutschen Bundessozialgerichts B 2 U 31/07R vom 18. 11. 2008, B 2 U 13/07R vom 18. 3. 2008 und B 2 U 21/01R vom 4. 6. 2002 bei vergleichbarer Rechtslage), keine vom Obersten Gerichtshof iSd § 502 Abs 1 ZPO im Einzelfall wahrzunehmende Fehlbeurteilung erblickt werden.

Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne der genannten Gesetzesstelle zurückzuweisen.

Stichworte