OGH 6Ob126/11i

OGH6Ob126/11i18.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Parteien 1. Verlassenschaft nach A***** P*****, vertreten durch die Zweitantragstellerin, sowie 2. H***** D*****, beide vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner L*****, vertreten durch Dr. Günther Egger und Dr. Karl Heiss, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Nachtragserbteilung gemäß § 25 Tiroler Höfegesetz, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 7. April 2011, GZ 54 R 30/11z-156, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 20. Dezember 2010, GZ 3 P 112/01p-151, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerinnen haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 21. 12. 1955 verstarb L***** P*****. Im Hinblick auf die damalige Minderjährigkeit der beiden Kinder des Erblassers wurde die Geltendmachung des Übernahmerechts iSd § 16 Tiroler Höfegesetz (TirHöfeG) aF aufgeschoben. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 27. 2. 2004 wurde der geschlossene Hof dem Antragsgegner als Anerben in das Alleineigentum zugewiesen. Der Übernahmewert wurde mit 66.800 EUR festgesetzt. Mit Kaufvertrag vom 8. 4. 2009 hat der Antragsgegner die Liegenschaft zu einem Kaufpreis von 150.000 EUR verkauft. Die Antragstellerinnen begehren ihren Anspruch aus der Nachtragserbteilung gemäß § 25 TirHöfeG idF BGBl 1989/657 festzustellen und dem Antragsgegner den sich aufgrund der Erbanteile der Antragstellerinnen ergebenden Differenzbetrag zwischen Verkehrswert und Übernahmewert zur Zahlung aufzuerlegen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es komme § 25 TirHöfeG idF BGBl 1989/657 zur Anwendung. Maßgebend für den Beginn des Laufes der darin normierten 10-Jahresfrist sei der Tod des Erblassers bzw das Erreichen der Volljährigkeit des Anerben. Da diese Frist bereits abgelaufen sei, komme eine Neufeststellung des Anspruchs der Antragstellerin aus der Nachtragserbteilung nicht in Betracht.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Sowohl in der alten als auch in der neuen Fassung sehe das TirHöfeG keine dem § 16 Abs 3 AnerbenG vergleichbare Bestimmung vor, wonach die vorläufig aufgeschobene Erbteilung spätestens mit der Eigenberechtigung des Anerben durchzuführen sei. Es liege keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vor.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 25 Abs 1 TirHöfeG fehle. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2. Mit Bundesgesetz vom 13. 12. 1989 (BGBl 1989/657) wurden die §§ 15 bis 26 des Gesetzes vom 12. 6. 1900, LGBl für Tirol 47, betreffend die besonderen Rechtsverhältnisse geschlossener Höfe (TirHöfeG), geändert. Gemäß Art II Z 1 Abs 2 dieses Bundesgesetzes ist § 25 TirHöfeG, der die Nachtragserbteilung regelt, in der Fassung dieses Bundesgesetzes anzuwenden, wenn der Anerbe nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden das Eigentum an einem geschlossenen Hof auf einen anderen überträgt, ohne vorher über den gesamten Hof durch Rechtsgeschäft unter Lebenden verfügt zu haben. Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner den geschlossenen Hof mit Kaufvertrag vom 8. 4. 2009 veräußert. Zutreffend gingen die Vorinstanzen daher davon aus, dass § 25 TirHöfeG idF BGBl 1989/657 anzuwenden ist.

3.1. § 17 TirHöfeG regelt die Aufschiebung der Erbteilung über die Einantwortung hinaus. Demgemäß ist eine Aufschiebung zwischen Geschwistern und dem überlebenden Ehegatten zulässig. In diesem Fall erfolgt die Einantwortung in das gemeinsame Eigentum mit dem Vorbehalt, dass der Anerbe sein Recht jederzeit geltend machen kann. Dieser Vorbehalt ist im B-Blatt des Grundbuchs anzumerken und hindert die Anteilsveräußerung und die vorzeitige Teilung ohne Rücksicht auf das Anerbenrecht (Kathrein, Anerbenrecht § 17 TrHöfeG Anm 2). Im Gegensatz zur korrespondierenden Bestimmung des § 17 AnerbenG sieht das TirHöfeG keine Frist für die jederzeit mögliche Geltendmachung des Übernahmsrechts durch den Anerben bis zu dessen Eigenberechtigung vor (Webhofer, TirHöfegesetz, § 78).

3.2. Nach § 25 TirHöfeG idF BGBl 1989/657 hat der Anerbe, der innerhalb von 10 Jahren nach dem Tod des Erblassers oder, falls er minderjährig ist, nach dem Eintritt der Volljährigkeit das Eigentum am ganzen Hof oder an dessen Teilen durch ein oder mehrere Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf einen anderen überträgt, jenen Betrag zur Nachtragserbteilung herauszugeben, um den der bei einem Verkauf erzielbare Erlös den Übernahmswert übersteigt. Vom erzielbaren Erlös ist der Wert allfälliger vom Anerben bewirkter Verbesserungen abzuziehen.

3.3. Daran, dass die Frist vom Tode des Erblassers oder Volljährigkeit des Anerben zu berechnen ist, kann in Anbetracht des eindeutigen Gesetzeswortlauts kein Zweifel bestehen (Webhofer, Tiroler Höfegesetz, 103).

3.4. Eine § 18 Abs 6 AnerbenG idF vor Inkrafttreten des Gesetzes BGBl 1989/659 vergleichbare Bestimmung, wonach im Falle der vorläufigen Aufschiebung der Erbteilung die (damals 6-jährige) Frist des Abs 1 von der Rechtskraft der Erbteilung an zu berechnen sei, findet sich weder im TirHöfeG noch im AnerbenG.

3.5. Damit ist der Antrag der Antragsteller nach dem zweifelsfreien Wortlaut des § 25 Abs 1 TirHöfeG verfristet, weil die 10-jährige Frist sowohl seit dem Tod des Erblassers als auch seit Eintritt der Volljährigkeit des Anerben abgelaufen ist. Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass eine planwidrige Lücke nicht vorliegt.

3.5. Die Materialien zur Änderung des TirHöfeG im Jahr 1989 enthalten zur hier interessierenden Rechtsfrage keine näheren Ausführungen. Daraus ergibt sich lediglich, dass Grund für die Erstreckung der im TirHöfeG aF vorgesehene 6-Jahresfrist zugunsten der weichenden Erben auf 10 Jahre die Überlegung maßgeblich war, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass ein Anerbe in einem längeren Zeitraum mit den Erfordernissen einer vernünftigen Wirtschaftsführung eher vertraut und danach den Hof oder seine Teile nicht leichtfertig hergeben werde (ErläutRV BGBl 1989/657, 859 BlgNR 17. GP 15).

3.6. Darin, dass das TirHöfeG dem Anerben durch Fehlen einer Befristung der Geltendmachung des Übernahmsrechts einerseits und die ab Einantwortung bzw Volljährigkeit des Anerben laufende 10-Jahresfrist andererseits ermöglicht, § 25 TirHöfeG gewissermaßen zu unterlaufen, ist keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes zu erblicken. Offenbar ging der Gesetzgeber davon aus, dass für eine derartige Fallkonstellation keine besondere Regelung erforderlich war, und erachtete durch die Verlängerung der Frist des § 25 TirHöfeG von 6 Jahre auf 10 Jahre die Interessen der weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten für ausreichend geschützt. Dies muss umso mehr geltend, als in § 18 Abs 6 AnerbenG bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl 1989/659 ausdrücklich normiert war, dass im Fall der vorläufigen Aufschiebung der Erbteilung die (damals 6-jährige) Frist des Abs 1 von der Rechtskraft der Erbteilung an laufe und diese Regelung durch die zitierte Novelle vom Gesetzgeber beseitigt wurde.

3.7. Für die geltende Regelung lässt sich auch ins Treffen führen, dass je länger der Übernehmer den Hof (mit-)betreut er desto mehr seiner eigenen und seiner Leute Arbeit darauf aufwendet, eine stärkere Bindung an den Hof entwickle und dadurch die Gefahr einer Veräußerung grundsätzlich reduziert wird (Webhofer aaO 103). In Anbetracht der langen gemeinsamen Bewirtschaftung des Hofs kann auch von einer vom Gesetz nicht gewünschten Hofflucht keine Rede sein (vgl Webhofer aaO 103).

4. Damit erweist sich aber der angefochtene Beschluss als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 185 AußStrG. Demnach findet im Verlassenschaftsverfahren außer im Verfahren über das Erbrecht kein Ersatz von Vertretungskosten statt.

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