Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Der am 4. 3. 2002 geborene S***** ist österreichischer Staatsbürger und lebt bei seiner Mutter in Petronell-Carnuntum. Der Vater wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Pottenstein vom 5. 10. 2002, GZ 1 P 81/02x-5, zu einer Unterhaltsleistung von monatlich 165 EUR verpflichtet.
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 28. 8. 2008, GZ 1 P 306/03g-16, wurden dem Minderjährigen gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG (weiterhin) monatliche Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von 165 EUR vom 1. 9. 2008 bis 31. 8. 2011 gewährt.
Dem Unterhaltsschuldner wurde aufgrund eines inländischen strafgerichtlichen Verfahrens vom 5. 9. 2008 bis voraussichtlich 17. 9. 2011 die Freiheit entzogen.
Mit Beschluss vom 24. 9. 2008 stellte das Erstgericht daraufhin die Vorschussgewährung mit Ablauf des September 2008 ein und gewährte dem Kind vom 1. 10. 2008 bis 30. 9. 2011 monatliche Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG in der jeweiligen Höhe nach § 6 Abs 2 UVG von (damals) 245 EUR.
Am 7. 5. 2010 wurde der Unterhaltsschuldner gemäß § 133a StVG aus der Haft entlassen und reiste in seinen Herkunftsstaat Serbien aus.
Mit Beschluss vom 18. 5. 2010 stellte das Erstgericht auf Antrag des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, die dem Kind anstelle des Titelvorschusses gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des Monats Mai 2010 ein (ON 28).
Mit dem am 23. 6. 2010 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte der Jugendwohlfahrtsträger namens des Kindes diesem aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Pottenstein vom 5. 10. 2002, GZ 1 P 81/02x-5, einen monatlichen Unterhaltsvorschuss von 165 EUR in Titelhöhe zu gewähren.
Mit dem den Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens bildenden Beschluss gewährte das Erstgericht die beantragten Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe von 1. 6. 2010 bis 31. 5. 2015 und trug dem Unterhaltsschuldner auf, die Pauschalgebühr von 165 EUR innerhalb von 14 Tagen zu zahlen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien teilweise Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es dessen Beschluss vom 28. 8. 2008, GZ 1 P 306/03g-16, wieder in Geltung setzte, wobei die Dauer der Vorschussgewährung um die Dauer der zuletzt erfolgten Unterhaltsvorschussgewährung gemäß § 4 Z 3 UVG von 20 Monaten, sohin bis zum 30. 4. 2012 verlängert wurde. Soweit dem Unterhaltsschuldner die Leistung einer Pauschalgebühr aufgetragen wurde, hob das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts ersatzlos auf. Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass § 7 Abs 2 UVG idF des Familienrechtsänderungsgesetzes 2009 anzuwenden sei, da das Haftende des Unterhaltspflichtigen nach dem 31. 12. 2009 liege. Nach § 7 Abs 2 UVG idF des FamRÄG 2009 sei der Beschluss, mit dem Vorschüsse nach den §§ 3 oder 4 Z 1, 2 oder 4 UVG gewährt wurden, mit Beendigung der Freiheitsstrafe auf Antrag oder von Amts wegen - zwingend - unverändert „wieder in Geltung zu setzen“. Dies habe ohne Prüfung der Voraussetzungen der Gewährung zu erfolgen. Dies bedeute, dass das materielle Bestehen des Titels und seine Höhe nach der Haftentlassung iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG nicht zu prüfen sei. Eine Prüfung könne lediglich im Rahmen der §§ 19 und 20 UVG über die Herabsetzung und Einstellung von Vorschüssen durchgeführt werden. Der ursprüngliche Gewährungszeitraum sei aber um die Dauer der Vorschussgewährung nach § 4 Z 3 UVG zu verlängern. Im vorliegenden Fall betrage die Haftzeit 20 Monate, weshalb die Unterhaltsvorschüsse bis 30. 4. 2012 und nicht - wie im angefochtenen Beschluss bis 31. 5. 2015 - zu gewähren seien. Bei der Rückwandlung iSd § 7 Abs 2 UVG würden aber keine Pauschalgebühren anfallen, weshalb der Beschluss insoweit darin (dennoch) eine Pauschalgebühr festgesetzt worden sei, ersatzlos zu beheben sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage bestehe, ob die Rückwandlung von Haftvorschüssen in Titelvorschüsse mit Ende der Haft nach § 7 Abs 2 UVG eine Prüfung nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG ausschließe.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung, dass der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Unter einem wird die Innehaltung der Vorschüsse beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig.
Der Revisionsrekurswerber macht im Wesentlichen geltend, die Unterhaltsvorschüsse seien wegen begründeter Bedenken zu versagen. Es lägen evidente Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners vor, sodass eine „Wieder-in-Geltung-Setzung“ nach § 7 Abs 2 ausscheide. Bleibe ein amtswegiges Vorgehen nach den §§ 19, 20 UVG vorgesehen, bestehe in Wahrheit kein stichhaltiger Grund dafür, zuvor den Gewährungsbeschluss wieder in Geltung zu setzen.
1. Die vom Rekursgericht aufgeworfene Rechtsfrage, ob der vor der Freiheitsentziehung des Unterhaltsschuldners gefasste Gewährungsbeschluss nach den §§ 3 oder 4 Z 1, 2 oder 4 UVG mit dem Zeitpunkt der Haftentlassung vom Gericht ohne Prüfung der Gewährungsvoraussetzungen in Geltung zu setzen ist, oder eine Prüfung der Gewährungsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs 1 UVG zu erfolgen hat, ist bereits aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu lösen:
Nach § 7 Abs 2 UVG in der hier anzuwendenden Fassung des FamRÄG 2009 BGBl I 2009/75 stellt es keinen Grund dar, die bisher gewährten Vorschüsse zu versagen, wenn einem Kind Vorschüsse nach den §§ 3 oder 4 Z 1, 2 oder 4 UVG gewährt und dem Unterhaltsschuldner die Freiheit iSd § 4 Z 3 UVG entzogen wird. Wird dem Unterhaltsschuldner aber für länger als sechs Monate die Freiheit entzogen, so sind nach Ablauf dieser Zeit von Amts wegen anstelle der bisher gewährten Vorschüsse solche nach § 4 Z 3 UVG zu gewähren, soweit ein entsprechender Antrag nicht bereits früher gestellt worden ist. Der Beschluss mit dem Vorschüsse nach den §§ 3 oder 4 Z 1, 2 oder 4 UVG gewährt wurden, ist mit der Beendigung der Freiheitsentziehung auf Antrag oder, falls das Gericht hievon verständigt wurde, von Amts wegen ohne Prüfung der Voraussetzungen der Gewährung wieder in Geltung zu setzen, wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig ist; der Zeitraum für den die Vorschüsse gewährt wurden, ist dabei um die Dauer der Vorschussgewährung nach § 4 Z 3 UVG zu verlängern. Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, die Auszahlungskontinuität der Vorschussleistungen zu verbessern und allenfalls durch Einstellung und nachfolgende Neugewährung der Vorschüsse nach einer anderen Rechtsgrundlage entstehende Zahlungslücken oder -verzögerungen hintanzuhalten (IA 673/A 24. GP Mat 45).
Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht den Antrag des Minderjährigen vertretbar als einen solchen nach § 7 Abs 2 UVG gewertet.
Aus § 7 Abs 2 zweiter Satz UVG ergibt sich, dass die Prüfung der Frage zu unterbleiben hat, ob die gesetzliche Unterhaltspflicht noch in der festgesetzten Höhe besteht oder doch etwa deshalb zu hoch festgesetzt ist, weil der Unterhaltsschuldner infolge seines nunmehrigen Aufenthalts in Serbien nicht mehr in der Lage ist, ein Einkommen zu erzielen, das den Zuspruch eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 165 EUR rechtfertigt.
2. Dass die Bestimmungen des § 7 Abs 1 UVG über das Versagen der Vorschüsse nicht anzuwenden seien, wird in den Gesetzesmaterialien damit begründet, dass es sich bei diesem Beschluss nicht um einen neuen Gewährungsbeschluss handelt. Es wird ausgeführt, dass auf diese Weise die Titelvorschüsse in jener Höhe zur Auszahlung gelangen könnten, deren Feststellungsbasis auf einen Zeitpunkt vor der Freiheitsentziehung zurückreiche. Dem Unterhaltsschuldner stehe es aber frei, bei einer infolge der Haft eingetretenen Änderung seiner Einkommensverhältnisse die Herabsetzungen seines Unterhaltsbeitrags gegenüber dem Kind oder die Herabsetzung der Vorschüsse gemäß § 19 Abs 1 UVG oder gar die Einstellung der Vorschüsse gemäß § 20 UVG zu beantragen (IA 673/A 23. GP Mat 38).
3. Aus den bisherigen Stellungnahmen in der Literatur lässt sich nichts anderes ableiten:
3.1. Neumayr führt in seinem Aufsatz „Unterhaltsvorschuss neu, Änderungen des UVG mit dem FamRÄG 2009“ (ÖJZ 2010/20, 164 [167]) aus, die vom Gesetzgeber gewählte Wortwahl lasse erkennen, dass es um die Betonung der Kontinuität der Vorschussgewährung gehe, auf welchem Grund immer sie beruhe. Erkennbar sei gemeint, dass das materielle Bestehen des Titels und seine Höhe nach der Haftentlassung nicht iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu prüfen sei. Neumayr vertritt aber die Meinung, dass bei der Rückwandlung neben der vom Gesetzgeber ausdrücklich erwähnten Voraussetzung des Vorliegens der Minderjährigkeit auch etwa ein nach Haftentlassung begründeter gemeinsamer Haushalt des Unterhaltsschuldners mit dem Kind (§ 2 Abs 2 Z 1 UVG) oder der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft des Kindes mit Annahme einer Staatsbürgerschaft eines Drittstaats bei der Rückwandlung zu berücksichtigen sei. In diesem Sinne sei der jede Prüfung ausschließende Gesetzeswortlaut teleologisch dahin zu reduzieren, dass jedenfalls nur eine Prüfung nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu unterbleiben hat. Gerade die Vornahme dieser Prüfung, nämlich ob die Unterhaltspflicht entsprechend festgesetzt ist, wird aber im vorliegenden Fall vom Revisionsrekurswerber angestrebt; einer jener nicht in § 7 Abs 1 Z 1 UVG genannten und von Neumayr dennoch als berücksichtigungswürdig erachteten Gründe für eine Versagung liegt unstrittig nicht vor.
3.2. Neuhauser weist ebenfalls darauf hin, dass die Rückumwandlung des Titelvorschusses von Amts wegen oder auf Antrag ohne Prüfung zu erfolgen habe, ob die Gewährungsvoraussetzungen für Titelvorschüsse neuerlich erfüllt seien („Änderungen beim Unterhaltsvorschuss, Familienrechts-Änderungsgesetz 2009 bringt Positives aus Kindessicht“ - iFamZ 2009, 275, 277 f). Gröger („Unterhaltsvorschuss nach dem FamRÄG 2009“ in EF-Z 2010/6 16 [17]) meint, der Gesetzeswortlaut sei praktisch durch „Einstellung“ des Haftvorschusses und „Wieder-in-Geltung-Setzen“ des ursprünglichen Vorschusses umzusetzen.
Ist die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage bereits aus dem Gesetzestext zu lösen, ist trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine erhebliche Rechtsfrage gegeben (RIS-Justiz RS0042656).
Da die Rechtsansicht des Rekursgerichts mit dem Gesetzestext und der herrschenden Auffassung in der Lehre in Einklang steht und auch der Revisionsrekurswerber keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung bringt, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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