OGH 3Nc13/11h

OGH3Nc13/11h17.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Lovrek als weitere Richter in der Ordinationssache des Antragstellers S*****, Landwirt, *****, vertreten durch Dr. Albert Feichtner und andere Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die Antragsgegnerin M*****, Italien, wegen Exekutionsführung nach § 355 EO, infolge Antrags gemäß § 28 JN den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Ordinationsantrag wird stattgegeben.

Für die Bewilligung und die Vollziehung der beabsichtigten Unterlassungsexekution wird das Bezirksgericht Kitzbühel als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks 2041. Die Antragsgegnerin war Eigentümerin der benachbarten Grundstücke 2012/6 und 2012/8. Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin behingen in der Vergangenheit mehrere Grundstreitigkeiten. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel (in dessen Sprengel die genannten Grundstücke gelegen sind) vom 20. Juli 2009 wurde die in Italien wohnhafte Antragsgegnerin schuldig erkannt, „die Ableitung des auf dem Weggrundstück 2012/6 … anfallenden Oberflächenwassers derart zu gestalten, dass dieses in den auf ihrem Grundstück 2012/8 … befindlichen Gully eingeleitet wird und nicht zum Grundstück 2041 … abfließt“. In seinem Beschluss vom 13. April 2011, 3 Ob 54/11d, hat der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht vertreten, dass die titulierte Verpflichtung als Unterlassungsverpflichtung zu qualifizieren ist.

Der Antragsteller begehrt nunmehr die Bestimmung des Bezirksgerichts Kitzbühel als Exekutionsgericht im Wege der Ordination. Da die Antragsgegnerin seit Rechtskraft des Urteils vom 20. Juli 2009 nichts an der Oberflächenentwässerung des Weges auf dem Grundstück 2012/6 geändert habe, müsse Exekution nach § 355 EO geführt werden. Da eine Exekutionsführung in Italien mit unzumutbaren Komplikationen verbunden sei, sei die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist berechtigt.

1. Für eine Unterlassungsexekution ist gemäß § 18 Z 4 zweiter Fall EO jenes Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die erste Exekutionshandlung, nämlich die Zustellung der Exekutionsbewilligung, zu bewirken ist. Wenn die verpflichtete Partei keinen Wohnort oder Sitz im Inland hat, fehlt es an einem Anknüpfungsgrund für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts.

2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Ordination (§ 28 JN) auch in Exekutionssachen möglich, wenn es zwar an einem örtlich zuständigen Gericht mangelt, aber dennoch - im Hinblick auf eine ausreichende Nahebeziehung zum Inland - die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen ist (RIS-Justiz RS0053178).

2.1. Eine ausreichende Inlandsbeziehung für die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs ist grundsätzlich schon deshalb zu bejahen, weil sich der Exekutionstitel auf Unterlassungshandlungen bezieht, die in Österreich zu setzen sind, und die Antragsgegnerin nach den Behauptungen des Antragstellers weiterhin gegen das Unterlassungsgebot verstößt.

2.2. Darüber hinaus muss ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nach einer Rechtsdurchsetzung im Inland gegeben sein (3 Ob 113/94 = SZ 68/81). Dieses wurde in Bezug auf die Durchsetzung einer auf Österreich bezogenen Unterlassungsverpflichtung gegen einen in Deutschland ansässigen Verpflichteten mehrmals mit der Begründung bejaht, dass deutsche Gerichte die (in Österreich nicht bekannte) Auferlegung eines Ordnungsgeldes durch das Titelgericht verlangen (3 Nc 4/04z; zuletzt 3 Nc 8/11y mwN; siehe auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht5 [2010] Rz 1083).

In der Entscheidung 3 Nc 104/02b (= AnwBl 2003, 223/7870) wurde dargelegt, dass auf der Grundlage eines österreichischen Titels ein Unterlassungsexekutionsantrag in Frankreich und den Benelux-Staaten, die das Institut der (dem Gläubiger zufließenden) astreinte bzw dwangsom kennen, auf Schwierigkeiten stößt, weil die Gerichte des astreinte-Systems die Festsetzung einer Geldstrafe ablehnen.

Wieder andere Rechte entkleiden einen titulierten Unterlassungsanspruch der Vollstreckbarkeit und verweisen den Unterlassungsgläubiger für den Fall des Zuwiderhandelns ausschließlich auf Schadensliquidierung (Lindacher, Internationale Unterlassungsvollstreckung, in FS Hans Friedhelm Gaul [1997] 399 [402]).

3. Dem letztgenannten System folgt das italienische Recht in Art 2933 codice civile (c.c.). In dem mit Art 49 des Gesetzes Nr 69/2009 eingeführten Art 614bis codice di procedura civile (c.p.c.) wurde zusätzlich ein der astreinte entsprechendes Institut etabliert (siehe Grompe in Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung [2010] Rz 618). Sowohl die eine als auch die andere Rechtsgrundlage für die Führung einer Zwangsvollstreckung in Italien begründen ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nach einer unmittelbaren Rechtsdurchsetzung im Inland, weshalb die inländische Gerichtsbarkeit zu bejahen ist.

Im Hinblick auf den Ort, an dem die Unterlassungsverpflichtung schlagend wird, ist das Bezirksgericht Kitzbühel als zuständiges Gericht zu bestimmen.

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