OGH 15Os38/11v

OGH15Os38/11v25.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bütler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Celal I***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 10. November 2010, GZ 21 Hv 13/09s-34a, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Dr. Nußbaumer, des Angeklagten und seines Verteidigers, Dr. Priller, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die „Berufung wegen Schuld“ wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der zu 1./a./ und b./ genannten Taten als zwei auch nach Abs 3 erster Fall des § 207 StGB idF BGBl I 1998/153 qualifizierte Verbrechen sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Celal I***** hat durch die ihm zu 1./ zur Last liegenden Taten in einem Fall das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 und in einem weiteren Fall das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl I 1998/153 begangen.

Er wird hiefür und für das ihm zu 2./ weiters zu Last liegende Verbrechen nach dem ersten Strafsatz des § 207 Abs 3 idF BGBl I 1998/153 unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

21 Monaten

verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Celal I***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen „jeweils“ nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 1998/153 (1./a./ und b./) sowie des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen, und zwar

1) zwischen Anfang 2003 und Dezember 2005 in B***** an der am ***** geborenen Betül K***** dadurch, dass er sie

a) bei einem Vorfall an den Brüsten betastete

b) und bei einem weiteren Vorfall an der Scheide betastete und einen Finger in ihre Scheide einführte,

wobei die Taten eine schwere Körperverletzung der Betül K*****, nämlich eine Angststörung mit sozialem Rückzug, somit eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung, zur Folge hatten;

2) im Sommer 2004 in U***** an der am ***** geborenen Serap A***** dadurch, dass er sie an den Brüsten betastete und küsste.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Gleichfalls angemeldet (ON 34 S 12), jedoch nicht ausgeführt wurde eine „Berufung wegen Schuld“ (ON 35). Diese war zurückzuweisen, weil ein solches Rechtsmittel gegen Urteile von Schöffengerichten im Gesetz nicht vorgesehen ist (§§ 280, 283 Abs 1 StPO).

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 3. Mai 2010 gestellten Antrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens hinsichtlich der Aussagen der Zeugen Betül K*****, Serap A***** und Zeynep A***** zum Beweis dafür, dass „eine Beeinflussung der Zeugen stattgefunden hat“ (ON 21 S 17).

Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen, auf die der Beweisantrag erkennbar gerichtet ist, ist eine Frage der allein dem erkennenden Gericht zukommenden Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0098297), bei der eine Hilfestellung durch einen Sachverständigen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0120634; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 23). Einen solchen plausibel zu machen, vermag die Beschwerde mit Spekulationen über ein angebliches Rachemotiv und behauptete, im Antrag jedoch nicht konkretisierte „massive“ Widersprüche in den Aussagen, nicht.

Im Übrigen scheitert die Rüge auch daran, dass sie nicht darlegt, warum anzunehmen sei, dass sich die Zeugen zu einer solchen Begutachtung bereit finden und deren gesetzliche Vertreter hiezu zustimmen werden (RIS-Justiz RS0118956).

Die Mängelrüge reklamiert eine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), weil die beweiswürdigende Erwägung des Erstgerichts, wonach der Angeklagte selbst sowohl vor der Polizei als auch in der Hauptverhandlung angegeben habe, mit der Familie K***** weder zerstritten noch verfeindet zu sein (US 6), tatsächlich nicht mit dessen Aussage übereinstimme. Mit Blick auf die zitierte Aktenlage (ON 4 S 63; ON 21 S 5) aber wurde die Aussage in den Urteilsgründen richtig referiert. Der Angeklagte hat bloß - über Nachfragen durch seinen Verteidiger - ergänzt, dass das Verhältnis seit einer, im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen stehenden Körperverletzung beeinträchtigt sei (ON 21 S 8 f).

Die Angaben der Tochter des Angeklagten, Ella I*****, zu den Sichtverhältnissen und den tatsächlichen Gegebenheiten am Tatort (Schuldspruch 2./) wurden - der Rüge zuwider - nicht übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern von den Tatrichtern eingehend erörtert und logisch und empirisch einwandfrei dargelegt, weshalb ihnen keine den Angeklagten entlastende Bedeutung zukommt (US 8).

Mit ihren beweiswürdigenden, die Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen in Zweifel ziehenden Erwägungen vermag es die Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Gleiches gilt für die - selektiv zitierten - Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, wonach die diagnostizierten Angststörungen auch mit Verhaltensweisen innerhalb der Familie zusammenhängen könnten. Dabei übergeht die Beschwerde nämlich die weiteren Ausführungen des Sachverständigen, die Frage, ob ein Ereignis in dieser Form stattgefunden hat, sei im Rahmen der Beweiswürdigung durch das Gericht zu lösen. Sollte man aber zu dem Ergebnis kommen, dass auch nur eine sexuelle Handlung stattgefunden hat, sei auch anzunehmen, dass „diese den Zustand der Frau K***** mitverursacht hat“ (ON 34 S 4 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass durch den Schuldspruch zu 1./ das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 StPO).

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten wegen zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB. Nach den Feststellungen (US 3) war jede der Taten zu 1./a./ und b./ mitkausal für die Angststörungen mit sozialem Rückzug, sodass die Ursächlichkeit des Täterverhaltens für den Erfolg als Grundlage der objektiven Erfolgszurechnung hinsichtlich jeder einzelnen Tat gegeben ist. Eine mehrfache Anlastung der Erfolgsqualifikation darf jedoch im Hinblick auf das Gebot der Vermeidung der doppelten Bestrafung wegen desselben Erfolgsunwerts nicht erfolgen (RIS-Justiz RS0120828).

Der Angeklagte hat daher durch die ihm zu Last liegenden Taten (zu 1./) nur ein einziges nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB qualifiziertes Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und damit realkonkurrierend ein Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB begangen.

Bei der damit notwendigen Strafneubemessung waren erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Tatwiederholung, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel sowie der Umstand, dass die Taten vor längerer Zeit begangen wurden und sich der Angeklagte seitdem wohl verhalten hat, zu werten. Im Hinblick auf Tatgewicht und Täterschuld erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten für angemessen. Insbesondere aus generalpräventiven Gründen bedarf es - wie bereits das Schöffengericht zutreffend ausgeführt hat - des Vollzugs eines Teils der Strafe.

Der Berufung des Angeklagten gegen den Zuspruch eines (Teil-)Schmerzengeldes von 1.000 Euro kommt keine Berechtigung zu, weil dieser Betrag in der festgestellten schweren Körperverletzung jedenfalls seine Deckung findet. Die Spekulationen der Berufung über mögliche andere Gründe für die diagnostizierte Angststörung vermögen diese Feststellungsbasis nicht zu erschüttern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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