European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00055.11M.0524.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 373,68 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 62,28 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil das erstgerichtliche Urteil über das Mietzinszahlungsbegehren und hob mit Beschluss die Entscheidung über das Räumungsbegehren auf. Es ließ die ordentliche Revision gegen das Teilurteil zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen, ob der laut Mietvertrag zur Erhaltung des Bestandobjekts verpflichtete Mieter nach Ablauf der in § 933 (Abs 1) ABGB genannten Frist vom Vermieter noch die Behebung bei Übergabe des Bestandobjekts vorhandener Mängel fordern könne und ob ein Riss in einer Badewanne einen ernsten Schaden darstelle, nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten gegen das Teilurteil ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
1. Die Anfechtung des über einen Betrag von 3.336,38 EUR ergangenen Teilurteils über die Zahlung von Mietzinsrückständen, welches Begehren mit einem Räumungsbegehren verbunden ist, ist gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht jedenfalls unzulässig (5 Ob 250/09i mwN), weil es sich um eine unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallende Streitigkeit handelt, bei der über eine Räumung zu entscheiden ist.
2. Bei Anmietung der Wohnung durch die Beklagte im November 2003 war im Badezimmer eine Eckbadewanne eingebaut. Als der Ehemann der Beklagten im November 2007 in der Badewanne duschte, wobei er wie gewöhnlich auf der in der Ecke befindlichen Sitzfläche saß, entstand in der Badewanne im Bereich des Sitzes aufgrund eines Materialfehlers ein Riss. Der Ehemann der Beklagten klebte den Riss zunächst mit einem Klebeband ab, um einen Wassereintritt zu verhindern, und verständigte in weiterer Folge die Hausverwaltung. Diese lehnte die Schadensbehebung und die Kostenübernahme dafür ab. Nach Abschluss eines Beweissicherungsverfahrens beauftragte die Beklagte ein Unternehmen mit dem Einbau einer neuen Eckbadewanne und einer neuen Wandarmatur. Die Arbeiten erfolgten im Juli 2008. Neben der Badewanne befindet sich in der Wohnung keine andere Bade‑ oder Duschmöglichkeit. Durch das provisorische Abkleben des Risses in der Badewanne war ein Duschen möglich, ohne dass es zu einem Wasseraustritt kam.
Nach § 1 Z 1 des Mietvertrags (Mietgegenstand) besteht das Mietobjekt (ua) aus „Bad mit Wanne“.
§ 4 des Mietvertrags (Instandhaltung) lautet auszugsweise:
„1. Der Mieter verpflichtet sich, den Mietgegenstand in sehr gutem Zustand zu erhalten. Er hat weiters den Mietgegenstand und die für den Mietgegenstand bestimmten Einrichtungen (u.a. Fenster, Türen, Eingangstüre) und Geräte wie insbesondere die Licht‑, Gas- und Wasserleitungs‑ sowie Beheizungsanlagen (einschließlich von zentralen Wärmeversorgungsanlagen) und sanitären Anlagen sowie Gas‑ und Elektrogeräte und Öfen insoweit zu warten und in Stand zu halten, als es sich nicht um ernste Schäden des Hauses handelt.“
3. Das nach wie vor aufrechte Mietverhältnis fällt unstrittig in den Vollanwendungsbereich des MRG.
Im Revisionsverfahren sind die von der Beklagten als Gegenforderung geltend gemachten und von ihr getätigten Aufwendungen für den Austausch der Badewanne strittig. Die ebenfalls eingewendeten Kosten des Beweissicherungsverfahrens sind nach ständiger Rechtsprechung vorprozessuale Kosten, die ‑ solange ein Hauptanspruch besteht ‑ nur als Teil der Prozesskosten des Hauptprozesses ersatzfähig sind (RIS‑Justiz RS0036022; zuletzt 9 Ob 50/10h). Zum Zinsminderungsanspruch, der als Gegenforderung mit einer 5%igen Mietzinsreduktion für die Dauer von neun Monaten Berücksichtigung fand, enthält die Revision der Beklagten keine inhaltlichen Ausführungen. Diese und weitere im erstinstanzlichen Verfahren erhobene selbständige Einwendungen sind daher nicht mehr zu prüfen (RIS‑Justiz RS0043338 [insbes T4, T13, T15]; vgl auch RS0043352 [T23, T25, T30, T31, T35]).
4.1. Das Berufungsgericht argumentierte, dass § 3 MRG an der in § 1096 Abs 1 erster Satz ABGB normierten Verpflichtung des Vermieters, das Bestandobjekt (auf seine Kosten) im brauchbaren Zustand zu übergeben, nichts ändere, sodass die Behebung eines von Anfang an bestehenden Mangels des Bestandobjekts nicht als dessen Erhaltung angesehen werden könne und selbst bei Vorliegen einer mietvertraglichen Bestimmung, wonach der Mieter sich zur Erhaltung des Mietgegenstands verpflichte, dieser die Kosten der erstmaligen Brauchbarmachung nicht zu tragen habe. Gemäß § 933 ABGB könne der Mieter nach Ablauf von drei Jahren nach Übergabe des Bestandobjekts nicht die Behebung von bereits bei dessen Übergabe vorhandenen, wenngleich nicht sofort erkennbaren Mängeln durch den Vermieter fordern, sofern es sich nicht um ohnedies in die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 MRG fallende Mängel handle. Da die Beklagte bereits seit 2003 Mieterin sei, wäre die Klägerin als Vermieterin zur Tragung der erst nach dem November 2007 angefallenen Kosten des Austauschs der von Anfang an mangelhaften Badewanne nur dann verpflichtet, wenn es sich um die Behebung eines ernsten Schadens handle. Davon könne bei einem Riss in einer Badewanne keine Rede sein; ein solcher Riss stelle für sich noch keinen Schaden dar, der die Bausubstanz angreife. Durch das provisorische Abkleben des Risses in der Badewanne sei ein Duschen möglich gewesen, ohne dass es zu einem Wasseraustritt gekommen sei. Zum Ersatz der im Zusammenhang mit dem Austausch der Badewanne aufgelaufenen Kosten sei die Klägerin nicht verpflichtet.
4.2. Ob die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Anwendung der dreijährigen Frist des § 933 Abs 1 ABGB auf bereits bei Übergabe des Bestandobjekts vorhandene Mängel, sofern diese nicht in die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 MRG fallen, überhaupt zutrifft, braucht hier nicht geklärt zu werden, weil der Anspruch der Beklagten auf Ersatz der Aufwendungen für den Badewannenaustausch jedenfalls derzeit nicht berechtigt ist.
4.3. Nach § 1096 Abs 1 erster Satz ABGB ist der Bestandgeber verpflichtet, den Bestandgegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten und den Bestandnehmer im bedungenen Gebrauch oder Genuss nicht zu stören. Bei der Übergabe wird also (nur) die Brauchbarkeit des Bestandobjekts geschuldet (vgl 5 Ob 17/09z). Als brauchbar im Sinn dieser Bestimmung wird nach der Rechtsprechung eine Bestandsache dann angesehen, wenn sie eine solche Verwendung zulässt, wie sie (gewöhnlich) nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt, wobei ‑ mangels anderer Vereinbarung - eine mittlere (durchschnittliche) Brauchbarkeit ausreicht (RIS‑Justiz RS0021054, RS0020926). Insoweit trifft den Bestandgeber nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle auch die (grundsätzlich alleinige) Kostentragungspflicht (7 Ob 3/03x = wobl 2004/86, 342 [Vonkilch] = ecolex 2003, 409 [Helmich] mwN; dazu Pittl, „Verbesserung“ von Geschäftsräumlichkeiten im Rahmen der §§ 1096 und 1097 ABGB auf Kosten des Vermieters?, immolex 2003, 233). Eine besonders vereinbarte („bedungene“) Qualität der Eckbadewanne anlässlich des Mietvertragsabschlusses hat die Beklagte nicht behauptet. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Mietvertrag, wonach der Mietgegenstand ua aus „Bad mit Wanne“ besteht. Bei Übergabe der Wohnung im November 2003 war bereits die Eckbadewanne vorhanden, die sich in brauchbarem und funktionsfähigem Zustand befand. Erstmals im November 2007 trat ein Riss in der (erhöhten) Sitzfläche auf. Die beklagte Mieterin hat daher weder einen „gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsanspruch“ infolge mangelhafter Übergabe, noch einen Anspruch auf Zuhaltung des Vertrags im Sinn der Herstellung des bedungenen Zustands.
4.4. Davon zu unterscheiden ist die Frage des Einstehenmüssens für Mängel, die im Verlauf des Mietverhältnisses auftreten. Zur hier relevanten abschließenden Regelung der Erhaltungspflicht des Vermieters in § 3 MRG liegt mittlerweile eine als gefestigt zu betrachtende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Danach besteht nach § 3 MRG nur eine eingeschränkte, wenngleich zwingende Erhaltungspflicht des Vermieters. § 3 MRG verpflichtet den Vermieter zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses und insoweit auch des Mietgegenstands, als entweder ein ernster Schaden des Hauses zu beheben oder eine vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gesundheitsgefährdung zu beseitigen ist. Die Erhaltung ist von § 3 MRG vollständig erfasst. Eine subsidiäre Geltung des § 1096 Abs 1 erster Satz ABGB für Erhaltungspflichten ist aufgrund der Systematik und des Wortlauts der Bestimmung des § 3 MRG auszuschließen. § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB gilt aber ‑ als von § 3 MRG unberührt ‑ auch im Vollanwendungsbereich des MRG, sodass der Vermieter dem Mieter für die gesamte Vertragsdauer grundsätzlich die Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs schuldet (5 Ob 17/09z; zuletzt 2 Ob 73/10i = JBl 2011, 175 [Mayrhofer] = Zak 2011/192, 106 [Pletzer]). Umgekehrt hat der Mieter gemäß § 8 Abs 1 MRG den Bestandgegenstand zu warten und, soweit es sich nicht um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses handelt, so in Stand zu halten, dass dem Vermieter und den anderen Mietern des Hauses kein Nachteil erwächst. Im Vollanwendungsbereich des MRG existiert daher ein sogenannter „Graubereich“, in dem weder der Vermieter erhaltungs‑ noch der Mieter instandhaltungspflichtig ist. In diesem Graubereich fällt die Erhaltung jener Geräte, die häufig Anlass zu Streit geben, wie etwa die nicht funktionierende Heizungstherme, der defekte Boiler oder das umstrittene Ausmalen des Mietgegenstands (2 Ob 73/10i mwN). Dies trifft auch auf die hier zu beurteilende Badewanne, die im Sitzbereich einen Riss aufwies, zu.
4.5. Dass es sich beim Riss in der Eckbadewanne im konkreten Fall um keinen ernsten Schaden des Hauses handelt, dessen Behebung der Klägerin als Vermieterin nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG auch in einem vermieteten Mietobjekt obliegt, hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Rechtsprechung beurteilt. Nicht darunter fallen nämlich solche Mängel, die keine Auswirkungen auf den Bauzustand haben (5 Ob 2060/96v = SZ 69/137; 5 Ob 206/00f; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht I22 [2009] § 3 MRG Rz 14). Nach den Feststellungen klebte der Ehemann der Beklagten den Riss in der Badewanne mit einem Klebeband ab, wodurch es im Zeitraum von neun Monaten bis zum Austausch der Badewanne zu keinem Wasseraustritt kam. Dass damit aber kein „ernster Schaden“ des Hauses vorliegt und mangels eines Wasseraustritts auch kein solcher drohte, ist nicht zu beanstanden. Dass der Austausch der Badewanne zur Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung notwendig gewesen wäre (§ 3 Abs 2 Z 2 MRG), hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet, sodass es sich im Revisionsverfahren um eine unbeachtliche Neuerung handelt (§ 504 Abs 2 ZPO). Gleiches gilt auch für die erstmals im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung einer undichten Silikonfuge.
4.6. Die Frage der Wirksamkeit der in § 4 Z 1 des Mietvertrags vereinbarten Überbindungsklausel, zu der die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren auf ihre Stellung als Verbraucherin und die Anwendung des § 9 KSchG verwies und mit § 879 ABGB argumentierte, ist für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz, weil selbst ein gänzlicher Wegfall nur zur Geltung der gesetzlichen Regelung, aber nicht zur Begründung des als Gegenforderung eingewandten Anspruchs auf Kostenersatz für den Austausch der Badewanne gegen die klagende Vermieterin führen könnte (vgl 5 Ob 156/09s). Da im Geltungsbereich des § 3 MRG keine gesetzliche Verpflichtung der Vermieterin zur Erneuerung der schadhaft gewordenen Badewanne besteht und damit auch kein sofort fälliger Ersatzanspruch nach § 1097 iVm § 1036 ABGB der beklagten Mieterin, die diese Arbeiten auf ihre Kosten selbst vorgenommen hat (vgl zu Thermen: 5 Ob 17/09z; 9 Ob 57/08k ua), ist ihre darauf gegründete Gegenforderung nicht berechtigt und kann damit nicht zur (teilweisen) Abweisung des Zahlungsbegehrens führen.
5. Da Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung somit nicht zu lösen sind, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihr Kostenersatz auf der Basis des im Revisionsverfahren strittigen Zahlungsbegehrens zusteht. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit der Rechtsmittel gegen ein Teilurteil und einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS‑Justiz RS0123222).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)