OGH 1Ob68/11y

OGH1Ob68/11y28.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Christian P*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten auch durch Mag. Ulrich Ortner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 9.657,41 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2011, GZ 4 R 217/10z-30, mit der das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 7. September 2010, GZ 12 Cg 125/09v-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 620,36 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Anlassverfahren wies das Berufungsgericht einen erheblichen Teil des vom Kläger eingeklagten Honoraranspruchs gegen einen früheren Mandanten mit der Begründung ab, dass die getroffene Honorarvereinbarung insoweit wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sei, als sie ein Zeithonorar (von 270 EUR netto pro Stunde) vorsehe, wobei allerdings eine Abrechnung jeder Einzelleistung nach angefangenen Viertelstunden zu erfolgen habe. Infolge Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung habe der Kläger lediglich Anspruch auf ein - erheblich niedrigeres - angemessenes Entgelt.

Mit der Behauptung, diese Entscheidung sei unrichtig und unvertretbar, begehrt der Kläger, ihm aus dem Titel der Amtshaftung jenen Nachteil zu ersetzen, den er deshalb erlitten habe, weil seinem Klagebegehren nicht zur Gänze entsprochen worden ist.

Das Erstgericht wies das Amtshaftungsbegehren ab. Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch sei nicht nur die Unrichtigkeit, sondern auch die Unvertretbarkeit einer beanstandeten Entscheidung. Dabei sei zu prüfen, ob die Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhte. Das Berufungsgericht im Anlassverfahren habe sich sehr umfangreich und sorgfältig mit der Auslegung des § 879 ABGB auseinandergesetzt und zu ähnlichen Fragen ergangene höchstgerichtliche Entscheidungen zitiert. Das Heranziehen von Entscheidungen deutscher Gerichte bei vergleichbaren Fallkonstellationen sei, insbesondere bei Fehlen inländischer Rechtsprechung, keineswegs ungewöhnlich. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu einer Abrechnung nach bestimmten Takten - diese betraf allerdings das Abrechnungsmodell eines Mobiltelefonieanbieters - sei erst nach der Entscheidung im Anlassverfahren ergangen. Die vom Berufungsgericht im Anlassverfahren erhobenen Bedenken gegen die Zulässigkeit der geprüften Honorarvereinbarung seien berechtigt. Jedenfalls habe aber dessen Entscheidung auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruht. Dabei wurde insbesondere auf die Erwägung hingewiesen, dass es bei der getroffenen Vereinbarung der „taktweisen Abrechnung“ zu einer unerträglichen Kumulation zu Lasten des Mandanten kommen könne, ohne dass dieser darauf Einfluss hätte, und dies insgesamt für ihn unüberschaubar werden könne.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Von einer Unvertretbarkeit der Entscheidung im Anlassverfahren könne keine Rede sein. Dort habe das Berufungsgericht eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen und seine Ansicht, dass die Honorarvereinbarung sittenwidrig sei, eingehend begründet. Sei die Vereinbarung über das Stundenhonorar nichtig, dann fehle es an jeder Honorarvereinbarung, weshalb dem Rechtsanwalt (nur) ein angemessenes Honorar gebühre. Die Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt aufgefunden worden sei und ein weiterer Amtshaftungsprozess vermieden werden solle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten erweist sich als unzulässig, weil darin keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.

Zum zentralen Argument der Vorinstanzen, die Entscheidung im Anlassverfahren sei - aus näher dargelegten Gründen - vertretbar gewesen, wird konkret lediglich ausgeführt, das Anlehnen an einer deutschen Judikatur - auch wenn dies noch so ausführlich erfolgt sein möge - erscheine nicht vertretbar, zumal das österreichische zum deutschen Honorarrecht völlig differiere. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der im Anlassverfahren herangezogenen Entscheidung eines deutschen Oberlandesgerichts keineswegs Besonderheiten des deutschen Honorarrechts für die Qualifizierung einer bestimmten Zeithonorarvereinbarung als sittenwidrig entscheidend waren, sondern vielmehr ganz allgemeine Überlegungen, die durchaus auch auf die österreichische Rechtslage übertragbar sind. Die Frage, ob es unangemessen ist, sich ein Viertel des vereinbarten Stundenhonorars auch für den Fall auszubedingen, dass die betreffende Einzelleistung (etwa ein kurzes Telefonat, ein E-Mail oder ein Aktenvermerk) nur ein oder zwei Minuten dauert, ist allgemeiner Natur und vom jeweiligen nationalen anwaltlichen Honorarrecht weitgehend unabhängig.

Abgesehen von der soeben dargelegten Erörterung der Bezugnahme auf eine bestimmte deutsche Gerichtsentscheidung führt der Revisionswerber zur Frage der Vertretbarkeit der im Anlassverfahren geäußerten Rechtsansicht lediglich aus, es sei bereits „mehrfach“ dargelegt worden, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts im Anlassverfahren rechtlich unvertretbar gewesen sei, doch habe sich damit das Berufungsgericht in keiner Form auseinandergesetzt. Der Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit der Frage der Vertretbarkeit nicht auseinandergesetzt, ist schon deshalb unberechtigt, weil es gerade seine zentrale Begründung ist, dass von einer Unvertretbarkeit keine Rede sein könne, weil das entscheidende Gericht im Anlassverfahren eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen und seine Ansicht über die Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung eingehend begründet habe. Aufgrund welcher konkreten Erwägungen entgegen dieser Ansicht die Rechtsauffassung im Anlassverfahren unvertretbar sein sollte, legt der Revisionswerber nicht nachvollziehbar dar. Mit dem Hinweis, er habe die Gründe für seine Meinung „mehrfach dargelegt“, führt er die Revision nicht gesetzmäßig aus, reicht doch nicht einmal ein Verweis auf im Verfahren bereits früher erstattete Schriftsätze aus (RIS-Justiz RS0043616).

Soweit sich der Revisionswerber in seinen übrigen Ausführungen allein mit der Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Entscheidung im Anlassverfahren auseinandersetzt, unternimmt er nicht einmal ernsthaft den Versuch, eine Unvertretbarkeit der entsprechenden Erwägungen des Berufungsgerichts im Anlassverfahren nachzuweisen. Gerade bei der Beurteilung einer Vereinbarung als sittenwidrig, besteht für die Gerichte ein gewisser Ermessensspielraum, sodass eine allenfalls unrichtige Bejahung der Sittenwidrigkeit nur dann Amtshaftungsansprüche auslösen könnte, wenn bei der Entscheidung im Anlassverfahren wesentliche Gesichtspunkte übersehen oder sonst ein krasser Beurteilungsfehler unterlaufen wäre. Ob bei Unwirksamkeit der „Viertelstunden-Klausel“ eine Abrechnung „nach Minuten oder Sekunden“ stattzufinden hätte, ist schon deshalb ohne Belang, weil der Revisionswerber ein so berechnetes Honorar nicht geltend gemacht hat und nicht einmal behauptet, dass sich auf diese Weise ein höherer Anspruch als der im Anlassverfahren zuerkannte ergeben würde.

Hat das Berufungsgericht nun im vorliegenden Verfahren die Vertretbarkeit der der Entscheidung im Anlassverfahren zu Grunde liegenden Rechtsansicht bejaht und zeigt der Revisionswerber keine bedenkliche Fehlbeurteilung auf, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Das vom Berufungsgericht ins Treffen geführte Fehlen höchstgerichtlicher Entscheidungen zu einem vergleichbaren Sachverhalt begründet für sich noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0107773).

Der Revisionsgegnerin gebührt Kostenersatz nach den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO, hat sie doch in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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