OGH 11Os42/11b

OGH11Os42/11b14.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Robert W***** und Karl G***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 22. Dezember 2010, GZ 35 Hv 111/10p-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Robert W***** (I) und Karl G***** (II) jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben am 17. Mai 2010 in M*****

I) Robert W***** als Beamter der Bezirkshauptmannschaft M***** mit dem Vorsatz, den Bund in seinem Recht auf Einhebung von Gebühren nach dem Gebührengesetz für die Erteilung einer „Strafregisterauskunft“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nämlich jene zur Strafregisterabfrage im elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem (EKIS), wissentlich dadurch missbraucht, dass er sich ohne dienstliche Veranlassung einen Strafregisterausdruck betreffend Lukas G***** beschaffte und diesen an Karl G***** weitergab;

II) Karl G***** den Robert W***** zur Ausführung der beschriebenen strafbaren Handlung „durch Aufforderung“ bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen von beiden Angeklagten aus Z 5, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Mit der Behauptung der unterbliebenen Berücksichtigung des Umstands, dass bei Einholung einer Strafregisterbescheinigung im Wege der zuständigen Gemeinde ohne schriftlichen Antrag lediglich eine Verwaltungsabgabe von 2,10 Euro zu zahlen gewesen wäre und dem Bund wegen (am 7. September 2010 - vgl Blg ./B) zugesagter Kostenübernahme durch die Fa C***** GmbH kein Schaden entstehen konnte, was auch „im Hinblick auf die Beurteilung der subjektiven Tatseite der Angeklagten von entscheidungsrelevanter Bedeutung sei“, spricht die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) keine entscheidenden Tatsachen an. Denn der Beschwerdeführer übersieht, dass eine ordnungsgemäße Vergebührung des „Ansuchens“ des Angeklagten G***** überhaupt nicht stattfinden konnte, weil die vorliegend relevanten Verfahrensvorschriften (hier: über die Ausstellung von Strafregisterbescheinigungen durch die Bürgermeister bzw die Bundespolizeidirektionen im Verfahren nach § 10 StRegG; vgl dazu Kert, WK-StPO StRegG § 10 Rz 9 ff), die der Prüfung der materiellen Berechtigung des Anspruchs dienen, rundweg übergangen wurden (vgl E. Fuchs/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch3 § 302 Rz 52).

Soweit der Angeklagte G***** versucht, aus der vorhergehenden, lediglich zum Erhalt eines „EKIS-Screenshots“ führenden Kontaktaufnahme mit dem Zeugen Sch***** und seiner mangelnden „EKIS-Berechtigung“ für seinen - die vorsätzliche Tatbegehung leugnenden - Standpunkt günstigere Schlussfolgerungen zu ziehen, richtet sich die Beschwerde bloß gegen die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Vielmehr haben die Tatrichter die entscheidenden Tatsachen in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zur Darstellung gebracht und ihre dazu angestellten Erwägungen - insbesondere auch zur subjektiven Tatseite der Angeklagten - unter Hinweis auf den bei Beamten in vergleichbarer Funktion, Ausbildung und Berufserfahrung vorauszusetzenden Wissensstand (US 6), die langjährige berufliche Tätigkeit der Angeklagten (US 7), die Schilderung des Zeugen Sch***** (US 8), die Eingabe einer erfundenen Geschäftszahl in der Abfragemaske durch Robert W***** (US 4) sowie die Umänderung des auf der Strafregisterauskunft ersichtlichen Vermerks (US 5, 11) durch Karl G***** mängelfrei begründet.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erfordert striktes Festhalten am gesamten, im Urteil festgestellten Sachverhalt und den ausschließlich auf dieser Basis zu erbringenden Nachweis, dass dem Erstgericht bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist (statt vieler RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Indem das Rechtsmittel die Feststellungen des Erstgerichts sowohl zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs als auch zum Schädigungsvorsatz beider Angeklagten unter bloßer Wiederholung der Ausführungen zur Mängelrüge sowie unter Berufung auf deren mangelnde Motivlage kritisiert, verlässt sie prozessordnungswidrig den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) erschöpft sich in der bloßen Rechtsbehauptung, dass „der Schaden an entgangenen Gebühren in Höhe von 2,10 Euro an Verwaltungsabgaben unter der strafrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze“ liege und leitet demgemäß die behauptete Erheblichkeitsschwelle des § 302 StGB nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte