Spruch:
Die Beschlüsse des Landesgerichts Krems an der Donau vom 7. Oktober 2010, GZ 30 BE 215/10k-6, und des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 11. November 2010, AZ 18 Bs 281/10w, verletzen § 46 Abs 5 dritter und letzter Satz StGB.
Diese Beschlüsse werden aufgehoben und dem Landesgericht Krems an der Donau die neuerliche Entscheidung über die bedingte Entlassung des Heinrich F***** aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss vom 7. Oktober 2010, GZ 30 BE 215/10k-6, lehnte das Landesgericht Krems an der Donau die bedingte Entlassung des Heinrich F***** gemäß § 46 Abs 1 StGB ab. Seiner dagegen gerichteten Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 11. November 2010, AZ 18 Bs 281/10w (ON 10), nicht Folge.
Bei diesen Beschlüssen gingen beide Gerichte im Wesentlichen übereinstimmend von folgendem Sachverhalt aus:
Heinrich F***** sei mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 4. April 1995, GZ 5 Vr 2430/94-57, des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme (§ 31 StGB) auf eine Verurteilung unter anderem wegen des Verbrechens des (versuchten) Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren durch das Landgericht Banska Bystrica (Slowakei), zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Nach den Beschlussannahmen falle das urteilsmäßige Strafende auf den 20. Juli 2012, die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach zwei Dritteln der Verbüßung der Strafzeit lägen am 20. November 2010 vor.
Rechtlich gingen beide Gerichte zusammengefasst davon aus, dass einer bedingten Entlassung spezialpräventive Erwägungen entgegen stehen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschlüsse stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach § 46 Abs 5 dritter Satz StGB sind im Fall einer Zusatzstrafe (§§ 31, 40 StGB) auch bei unterbrochenem Vollzug alle Strafen maßgebend, auf die beim Ausspruch der Zusatzstrafe Bedacht zu nehmen war; wurde der Verurteilte aus einer dieser Strafen bedingt entlassen, so ist bei Berechnung des Stichtags (§ 46 Abs 1 und Abs 2 StGB) sowie der noch zu verbüßenden Strafzeit die tatsächlich in Haft zugebrachte Zeit in Abzug zu bringen. Diese durch das StRÄG 2008 (BGBl I 2007/109) geschaffene (und mit BGBl I 2009/142 neu gefasste) Regelung soll eine Benachteiligung des nachträglich Verurteilten verhindern, soweit er in vorangegangenen, durch § 31 StGB verknüpften Urteilen ausgesprochene Strafen bereits verbüßt hat (vgl zur Berechnung des Stichtags: ErläutRV 487 BlgNR 24. GP 4; Jerabek in WK² § 46 Rz 10b). Eine frühere Strafe, zu der eine Zusatzstrafe verhängt wurde, hat jedoch außer Betracht zu bleiben, soweit der Verurteilte daraus vor Verbüßung der Hälfte der Strafzeit entlassen wurde (§ 46 Abs 5 letzter Satz StGB).
Entscheidungen (§ 35 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StPO) sind dann rechtsfehlerhaft, wenn die Ableitung der Rechtsfolge aus dem vom Entscheidungsträger zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat das Gesetz verletzt oder die Sachverhaltsannahmen entweder in einem rechtlich mangelhaften Verfahren zustande gekommen oder mit einem formalen Begründungsmangel behaftet sind (Ratz, WK-StPO § 292 Rz 17; vgl RIS-Justiz RS0123668, RS0120232).
Letzteres ist hier der Fall, denn die angefochtenen Entscheidungen lassen nicht erkennen, weshalb übereinstimmend der für die bedingte Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB maßgebliche Stichtag mit 20. November 2010 angenommen wurde, obwohl in den jeweiligen Begründungen auf den Umstand hingewiesen wurde, dass es sich bei der dieser Berechnung (ersichtlich allein) zu Grunde gelegten Freiheitsstrafe von fünf Jahren um eine unter Bedachtnahme auf die Verurteilung des Landgerichts Banska Bystrica (vgl § 31 Abs 2 StGB) verhängte Zusatzstrafe handelt.
Insbesondere lässt sich den angefochtenen Beschlüssen - auch mit Blick auf die im Ergebnis angewendete Ausnahmebestimmung des § 46 Abs 5 letzter Satz StGB - nicht entnehmen, ob und in welchem Ausmaß die aus der früheren Verurteilung resultierende Strafe (von 15 Jahren) tatsächlich verbüßt wurde.
Eine für den Verurteilten nachteilige Wirkung dieser Gesetzesverletzungen war nicht auszuschließen, weshalb deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO wie im Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung verknüpft wurde.
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