OGH 11Os152/10b

OGH11Os152/10b17.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Dr. Bachner-Foregger und Mag. Michel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Resch als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl-Heinz F***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall, 148 zweiter Fall, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 6. Juli 2010, GZ 26 Hv 58/10y-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den in Rechtskraft erwachsenen Freispruch der Mitangeklagten Evelyn H***** enthält, wurde Karl-Heinz F***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall, 148 zweiter Fall, 15 StGB (I./) und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** - zusammengefasst wiedergegeben -

I./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen

A./ zwischen Oktober 2008 und Februar 2010 in der Absicht, sich durch die Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in mehreren Angriffen im Spruch namentlich Genannte durch Vorgabe seiner Lieferfähigkeit und -willigkeit unter Benutzung falscher Daten zu Handlungen verleitet, die diese an ihrem Vermögen schädigten und schädigen sollten, indem er auf diversen Internetplattformen unter Aliasidentitäten auftrat und vorwiegend Computerzubehör, Mobiltelefone und Spielkonsolen anbot;

B./ zwischen 17. Dezember 2008 und 12. Jänner 2009 gewerbsmäßig Verfügungsberechtigte des Versandhauses O***** GmbH durch die Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zu Handlungen verleitet, durch die das Unternehmen in einem Betrag von 2.399,78 Euro am Vermögen geschädigt wurde, indem er in vier Angriffen Spielkonsolen und Zubehör bestellte;

II./ zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2008 eine falsche Urkunde hergestellt, um sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der Identität der Bestellerin zu gebrauchen, indem er eine Anerkenntnis- und Rückzahlungsvereinbarung mit einem Versandhaus mit dem Namen der Evelyn H***** unterschrieb.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a (der Sache nach Z 10) und 9 lit b StPO stützt. Sie schlägt fehl.

Durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 6. Juli 2010 gestellten Antrags auf „Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte zu den Tatzeitpunkten ... aller angeklagten Vorwürfe im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit bzw Schuldunfähigkeit befunden hat“ (ON 19 S 16) wurden Verteidigungsrechte - dem Beschwerdevorbringen zuwider - nicht verletzt. Vorliegend ergeben sich entsprechende Anhaltspunkte für eine Zurechnungsunfähigkeit zu allen Tatzeiten weder aus der geständigen Verantwortung des Angeklagten, der lediglich angab, bei den Bestellbetrügereien (B./) „ein Glücksgefühl“, später auch Reue empfunden und Gegenstände gekauft zu haben, die er nicht gebraucht hätte (ON 19 S 8), noch aus dem Schreiben der Ärztin Dr. Ilse K*****, die psychotherapeutische Behandlung wegen „Kaufsucht und Depression seit 27. Mai 2010“ bestätigt. Der Antrag verfiel daher als unzulässiger Erkundungsbeweis zu Recht der Abweisung (RIS-Justiz RS0097641; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f). Die in der Beschwerde enthaltenen Ergänzungen mit dem Zweck der Fundierung des Beweisantrags widersprechen dem Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0099618).

Entgegen der eine fehlende bzw eine Scheinbegründung der subjektiven Tatseite behauptenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter den Vorsatz und die gewerbsmäßige Tendenz nicht bloß - im Übrigen zulässigerweise (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452) - aus dem objektiven Geschehen abgeleitet (US 13), sondern die Verantwortung des Angeklagten und sein Vorleben in die Erwägungen mit einbezogen (US 8 bis 11). Die gewerbsmäßige Ausrichtung gründeten sie überdies auf die finanzielle Situation des Angeklagten und die „in kurzer Zeit erfolgten zahlreichen Bestellungen“ (US 13). Aus welchem Grund die zuletzt genannten Begriffe einer „konkreten Präzisierung“ bedurft hätten, bleibt angesichts der Ausführungen des Erstgerichts auf US 2 bis 4 und 10 bis 13 ebenso unerfindlich wie der Vorwurf der Beschwerde, es fehlten „Gründe für den festgestellten Vorsatz“.

Gegenstand einer Rechtsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gerügten Fehlers klar zu stellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Indem der Angeklagte im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10, nominell Z 9 lit a) vorbringt, es sei ihm nicht auf die Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme, sondern lediglich darauf angekommen, „seiner Kaufsucht zu frönen ... und sich ein Glücksgefühl zu verschaffen“, sowie in der Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet, das Erstgericht hätte davon „ausgehen müssen, dass die Zurechnungsfähigkeit nicht gegeben“ sei, setzt er sich schlicht über die Konstatierungen des Schöffengerichts (US 2, 9, 13) hinweg und verfehlt somit die gebotene Orientierung an der Verfahrensordnung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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