OGH 8ObA31/10g

OGH8ObA31/10g22.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Tomek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Doris K*****, 2. H***** K*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayerhofer, Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.) 87.530,07 EUR und 2.) 40.585,19 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Februar 2010, GZ 7 Ra 66/09s-62, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Oktober 2008, GZ 27 Cga 26/05y (27 Cga 18/07z)-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Unstrittig ist auf das Vertragsverhältnis der Streitteile das Handelsvertretergesetz, BGBl 1993/88, (analog) anzuwenden (8 ObA 65/06a ua).

Die in der Revision aufgeworfene Frage, ob der Unternehmer einen wichtigen Auflösungsgrund (hier: Konkurseröffnung, § 22 Abs 2 Z 5 HVertrG) unverzüglich geltend gemacht hat, kann nur für den jeweiligen Einzelfall beurteilt werden (RIS-Justiz RS0111862; RS0029273 [T32]).

Nach gefestigter Rechtsprechung müssen sowohl Unternehmer als auch Handelsvertreter eine vorzeitige Vertragsauflösung unverzüglich nach Kenntnisnahme vom Bestehen eines wichtigen Grundes erklären, weil ein sachlich nicht gerechtfertigtes Zuwarten objektiv dahin gedeutet werden muss, dass der Auflösungsberechtigte die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses im konkreten Fall nicht als unzumutbar empfindet (RIS-Justiz RS0111862). Ob ein Zuwarten sachlich gerechtfertigt ist, hängt daher wesentlich davon ab, ob darin nach den Umständen des Falles ein Verzicht auf die Geltendmachung des Beendigungsgrundes zu erblicken ist oder ob es dafür andere, einen Verzicht nicht nahelegende Gründe gibt (vgl RIS-Justiz RS0029267 [Entlassung von Dienstnehmern]). Verzögerungen, die in der Natur des Vertragsverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falles sachlich begründet sind, müssen anerkannt werden (RIS-Justiz RS0029328).

Ein Auflösungsgrund ist dem Unternehmer erst dann bekannt geworden, wenn ihm alle für die Beurteilung wesentlichen Einzelheiten zur Kenntnis gekommen sind. Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf auch nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0029273 [T5, T16]). Nach dem Grundsatz, dass niemand aus eigenem vertragswidrigem Handeln Vorteile ziehen soll, kann sich ein Vertragspartner nicht auf Verzögerungen berufen, die er selbst, etwa durch Verschleierung und Verharmlosung des Auflösungsgrundes, gegenüber dem Vertragspartner veranlasst hat.

Ausgehend von den Feststellungen haben die Kläger der Beklagten in Aussicht gestellt, die über ihr Vermögen eröffneten Konkursverfahren spätestens Anfang Februar 2004 durch Einigung mit den Gläubigern erledigen zu können. Wenn die Vorinstanzen die am 10. Februar 2004 zur Post gegebenen Beendigungserklärungen der Beklagten unter diesen Umständen noch nicht als verspätet gewertet haben, kann darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung erkannt werden.

Dies gilt auch für die zweite in der Revision relevierte Frage, ob die Kläger den Auflösungsgrund schuldhaft herbeigeführt haben. Die bloß mutmaßenden Revisionsausführungen über eine in erster Instanz nicht erörterte und vorgebrachte Rückforderung von Provisionsvorschüssen sind schon aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich.

Entgegen den Revisionsausführungen kommt es auch nicht darauf an, ob die Kläger einen luxuriösen Lebensstil gepflegt haben, sondern ob sie ohne Not Aufwendungen getätigt haben und Verpflichtungen eingegangen sind, die erkennbar über ihre konkreten finanziellen Verhältnisse hinausgegangen sind. Angesichts der Feststellungen über die festen monatlichen Ausgaben der Kläger für Wohnungskreditraten, Betriebskosten, Fahrzeuge, private Versicherungen und Sonstiges, denen nach Behauptung der Kläger nur ein monatliches Nettofamilieneinkommen von rund 1.830 EUR (20 % von brutto 109.024,80 EUR: 12 im Jahr 2000) bis 2.780 EUR (20 % von brutto 166.943,70 EUR: 12 im Jahr 2002) gegenüberstand, sowie angesichts des Umstands, dass die Kläger in den Jahren 2002 und 2003 ungeachtet gegen sie laufender Exekutionsverfahren ohne Notwendigkeit kreditfinanzierte Eigentumswohnungen erwarben, bedarf die Rechtsansicht der Vorinstanzen auch in diesem Punkt keiner Korrektur.

Stichworte