Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legt Armin A***** mit Anklageschrift vom 27. Jänner 2010, Zahl 15 St 345/07p, 156/08w, die Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung sowie die Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden, der Urkundenfälschung und des schweren Betrugs zur Last.
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 15. Juni 2010 wurde
1./ der Einspruch der Angeklagten Armin A*****, Dr. Johann P*****, Yudermys M***** und Maritza M***** gegen diese Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 319) abgewiesen und ihre Rechtswirksamkeit festgestellt sowie
2./ der Beschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 22. März 2010 (ON 329) auf Abweisung des Antrags auf Verlängerung der Einspruchsfrist des § 213 Abs 2 StPO keine Folge gegeben.
Der Angeklagte Armin A***** beantragt - fristgerecht - die Erneuerung des Strafverfahrens in analoger Anwendung des § 363a StPO.
Er bezieht sich vorerst (Antrag 1./) auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht (Beschluss 2./) und behauptet eine Verletzung der Art 6 Abs 3 lit b und 13 MRK.
Die Rechtsmittelrichter hätten es nämlich verabsäumt, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 213 Abs 2 StPO zu stellen, weil die bloß 14-tägige Einspruchsfrist mit Blick auf den Umfang der Anklageschrift (303 Seiten) verfassungswidrig sei, zumal der StPO im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde eine Fristverlängerung nicht fremd sei (§ 285 Abs 2 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Art 89 Abs 2 B-VG verpflichtet das Rechtsmittelgericht nicht zu Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes; vielmehr ist die verfassungsgesetzliche Pflicht des betreffenden Gerichts zur Antragstellung auf Aufhebung eines Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof an die Prämisse vorliegender Bedenken gebunden. Das Nichtvorliegen oder die Verneinung von Bedenken eines zur Antragstellung verpflichteten Gerichts an sich vermag daher keinen Verstoß gegen die in Rede stehende Verfassungsbestimmung zu begründen. Es besteht kein subjektives Recht darauf, dass das Gericht von dieser Anfechtungsbefugnis Gebrauch macht (vgl Reindl-Krauskopf, WK-StPO § 363a Rz 32).
Neben einer Verkennung der durch Art 89 Abs 2 B-VG gewährten Anfechtungsbefugnis selbst oder einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung von deren Voraussetzungen (etwa der Antragslegitimation oder der Präjudizialität eines Gesetzes; vgl Mayer, B-VG4 Art 89 Anm III.2.) könnte nur im pflichtwidrigen Unterlassen der Normanfechtung durch das Rechtsmittelgericht eine Grundrechtsverletzung gelegen sein (vgl 11 Os 132/06f; Ratz, ÖJZ 2010, 987).
Eine derartige Annahme ist jedoch aufgrund der Begründung für das Unterbleiben der Anfechtung des § 213 Abs 2 StPO nicht indiziert. Die Argumente der Beschwerderichter, es bestünden sachlich gerechtfertigte Unterschiede zwischen dem Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde und jenem über den Anklageeinspruch (Beschluss S 33 f), entsprechen einer nachvollziehbar schlüssigen Ermessensübung, zumal es sich bei Letztgenanntem um einen (bloßen) Rechtsbehelf handelt, womit dem Oberlandesgericht zwar die Prüfung der Anklageschrift iSd § 215 StPO auferlegt, zugleich aber verwehrt wird, der Hauptverhandlung vorzugreifen, sodass die Beweisfrage nur so weit zu lösen ist, wie die Prüfung der Zulässigkeit der Anklage dies erfordert, nämlich im Hinblick auf das Vorliegen eines einfachen Tatverdachts (Birklbauer/Mayrhofer, WK-StPO § 215 Rz 25).
In diesem Umfang ist der Antrag demnach offenbar unbegründet.
Im Weiteren richtet sich der Antrag gegen den Beschlussteil 1./, mit dem der Einspruch gegen die Anklageschrift abgewiesen und die Rechtswirksamkeit der Anklage festgestellt wurde. Er erblickt Verletzungen der Art 1, 6 Abs 1 und 2, 7, 13 und 18 MRK sowie des Art 4 7. ZPMRK.
In diesem Umfang kommt aber dem Angeklagten Armin A***** die auch für die analoge Antragstellung nach § 363a StPO unabdingbare Opfereigenschaft iSd Art 34 MRK nicht zu (vgl Reindl-Krauskopf, WK-StPO § 363a Rz 12, 31).
Der Antragsteller hält sich nicht etwa durch eine grundrechtswidrige Zwangsmaßnahme im Ermittlungsverfahren (vgl RIS-Justiz RS0124738), sondern ausschließlich durch die die Anklagereife (§ 212 Z 3 StPO) bejahende Einspruchsentscheidung des Oberlandesgerichts für betroffen. Er trägt nicht substantiiert und schlüssig vor (vgl RIS-Justiz RS0122737 [T17]), weshalb er schon durch diese Entscheidung beschwert ist, zumal mit dieser nicht über den Gegenstand der strafrechtlichen Anklage selbst - mithin über die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten - abgesprochen wurde (vgl Grabenwarter EMRK4 § 13 Rz 13, § 24 Rz 26).
Gibt das Oberlandesgericht einer Anklage Folge, bringt es lediglich zum Ausdruck, dass ihr die in Z 1 bis 7 des § 212 StPO normierten Einspruchsgründe nicht entgegen stehen. In welchem Grundrecht der Antragsteller durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt sei, legt er nicht schlüssig und substantiiert dar.
In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers - war der Antrag daher bei nicht öffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 3 StPO zurückzuzweisen.
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