Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Schuldspruch II zu Grunde liegenden Tat nach § 143 dritter Fall StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Bernt R***** hat dadurch, dass er am 14. Dezember 2009 in Bregenz mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe dem Hans G***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich rund 2.500 Euro Bargeld, mit dem Vorsatz wegnahm, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wobei Hans G***** durch die ausgeübte Gewalt zwölf Stich‑ und Schnittverletzungen am Bauch, an der linken Brustkorbseite, oberhalb der linken Hüftschaufel, am Rücken linksseitig und am linken Oberarm verbunden mit einer Öffnung der Brust‑ und der Bauchhöhle sowie Verletzungen der linken Lunge, des Zwerchfells, der Milz, des Dünndarms und des Dickdarms erlitt, somit schwer verletzt wurde (§ 84 Abs 1 StGB), indem er dem Genannten mehrere Stiche mit einem Messer versetzte, von ihm Geld forderte und aus seiner rechten Sakkotasche das Bargeld entnahm,
das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB begangen und wird hiefür unter Einbeziehung des rechtskräftigen Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB
gemäß § 75 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer
Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn) Jahren
verurteilt.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bernt R***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB (II) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren verurteilt.
Danach hat er am 14. Dezember 2009 in Bregenz
I) Hans G***** durch Zustechen mit einem Messer vorsätzlich zu töten versucht, was zwölf Stich‑ und Schnittverletzungen an Bauch, Brustkorb, Hüfte, Rücken und Oberarm, eine Öffnung der Brust‑ und der Bauchhöhle sowie Verletzungen der Lunge, des Zwerchfells, der Milz und des Darms zur Folge hatte, zudem
II) mittels der zu I beschriebenen Messerstiche dem Hans G***** rund 2.500 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei die ausgeübte Gewalt die zu I dargestellte schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) nach sich zog.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 10a des § 345 (zu ergänzen:) Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die Erklärung, „nicht bereits als formale Begründungsmängel fassbare erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen“ aufzeigen zu wollen, ist unverständlich, weil die Geschworenen gerade keine Begründungspflicht trifft, aus welchem Grund sich die Überprüfung der entscheidenden Sachverhaltsannahmen im geschworenengerichtlichen Verfahren auf Mängel der Fragestellung (Z 6), der Rechtsbelehrung (Z 8) und der Antwort der Geschworenen (Z 9) einschließlich des darauf bezogenen sogenannten Moniturverfahrens (Z 10) beschränkt (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 11).
Ungeachtet dessen greift der Nichtigkeitsgrund der Z 10a (ebenso wie jener des § 281 Abs 1 Z 5a StPO) seinem Wesen nach erst, wenn sich aus der Vernehmung des Angeklagten (§ 245 StPO iVm § 308 Abs 1 StPO) oder den in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweismitteln (§§ 246 bis 254 StPO iVm § 308 Abs 1 StPO) nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergeben, wenn also die angesprochenen Verfahrensergebnisse ‑ gemessen an Erfahrungs‑ und Vernunftsätzen ‑ eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen (RIS‑Justiz RS0119583).
Allein mit dem Hinweis auf die den Tötungsvorsatz (I) leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers gelingt es der Rüge nicht, Bedenken in der beschriebenen, vom Gesetz verlangten Intensität an der Entscheidung der Geschworenen zu wecken.
Die Bezugnahme auf die persönliche Einschätzung der Intention des Beschwerdeführers durch den Zeugen Hans G***** geht schon im Ansatz fehl, weil Schlussfolgerungen oder Wertungen nicht Gegenstand des Zeugenbeweises sind (RIS‑Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK‑StPO § 154 Rz 8).
Indem die Beschwerde die Glaubwürdigkeit des Zeugen Hans G***** durch eigenständige Interpretation der Angaben der Zeugen Peter K***** (ON 73 S 15 bis 18) und Corina Fl***** (ON 73 S 18 bis 20) in Frage zu stellen sucht, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Geschworenen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen (§§ 288 Abs 1, 344 StPO).
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil des Angeklagten der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 12 StPO anhaftet (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 344 StPO):
Gemäß dem Wahrspruch der Geschworenen nahm der Beschwerdeführer Hans G***** mittels mehrerer Messerstiche, die multiple Verletzungen zur Folge hatten, 2.500 Euro weg, wobei er sowohl mit Bereicherungs‑ als auch mit Tötungsvorsatz handelte (US 2, 3).
Im Schuldspruch unterstellte das Erstgericht dieses Tatgeschehen zum einen dem Tatbestand des Mordes nach § 75 StGB (iVm § 15 StGB) und zum anderen jenem des Raubes (§ 142 Abs 1 StGB), wobei es zudem (neben einer weiteren) die Qualifikationsnorm des § 143 dritter Fall StGB als erfüllt ansah (US 4).
Nach einhelliger Judikatur (SSt 55/37, SSt 62/112, 13 Os 83/05p, RIS‑Justiz RS0092172) und Lehre (Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 [403]; Eder‑Rieder in WK² § 143 Rz 30; Fabrizy, StGB10 § 143 Rz 9; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 142 Rz 81; Lewisch BT I² 214) wird bei einem Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes die durch die diesem Schuldspruch zu Grunde liegende Tat unter einem erfüllte Qualifikationsnorm des § 143 letzter Fall StGB (Todesfolge) als stillschweigend subsidiär (zu diesem Begriff Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 36, 37 und 40) verdrängt.
Ebenso sind (mit Ausnahme der ‑ aktuell nicht interessierenden ‑ Relation zwischen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Körperverletzung) Körper- verletzungs‑ gegenüber Tötungsdelikten (stillschweigend) subsidiär, wenn ‑ wie hier ‑ ein einheitliches Tatgeschehen vorliegt, das Angriffsobjekt ident ist und Ersteres nur als Vorstufe des Letzteren anzusehen ist, also nicht darüber hinaus greift (Burgstaller, JBl 1978, 393 [402]; Kienapfel/Schroll BT I5 § 75 Rz 2; Moos in WK² § 75 Rz 41; Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 46, 47).
Demzufolge ist bei allen gestuften Erfolgsqualifikationen ‑ somit auch im Verhältnis der Fälle 3 bis 5 des § 143 StGB ‑ im Fall des Todeseintritts nur die darauf abstellende Vorschrift anzuwenden, nicht aber auch die für die Herbeiführung einer schweren Körperverletzung aufgestellte Qualifikationsnorm (Burgstaller, JBl 1978, 393 [402]).
Weil im Gegensatz zur Spezialität, wo es keines besonderen Hinweises des Gesetzgebers auf die derogierende Wirkung des speziellen Tatbestands bedarf, bei der Subsidiarität aufgrund der gleichen begriffslogischen Lage auch Idealkonkurrenz in Frage kommt, ist in Bezug auf diesen Scheinkonkurrenztypus die ausdrückliche als die Normalform anzusehen. Hat der Gesetzgeber expressis verbis nichts über Subsidiarität angeordnet, so ist ‑ im Fall einer einzigen Tat ‑ demnach prinzipiell von Idealkonkurrenz auszugehen. Soll gleichwohl Subsidiarität gelten, bedarf es einer zweifelsfreien Begründung, die in Abweichung von diesem Grundsatz die Annahme rechtfertigt, der Gesetzgeber habe anstelle von Idealkonkurrenz stillschweigende Subsidiarität vorausgesetzt (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 37). Eine solche Begründung ist dem Sinnzusammenhang der in Rede stehenden Strafvorschriften zu entnehmen, wobei der systematischen Interpretation eine besondere Bedeutung zukommt (Burgstaller, JBl 1978, 393 [400]).
Ausgehend von den dargelegten, von Judikatur und Lehre entwickelten Grundsätzen, wonach ‑ bei einheitlichem Tatgeschehen und identem Angriffsobjekt ‑ das Verbrechen des Mordes die Qualifikationsnorm des § 143 letzter Fall StGB, das Tötungs‑ das Verletzungsdelikt und die Tötungsqualifikation die Verletzungsqualifikation verdrängt, führt die gebotene systematische Betrachtung zu dem Schluss, dass ‑ bei der beschriebenen, auch hier vorliegenden Konstellation ‑ die Qualifikationsnorm des § 143 dritter Fall StGB vom Verbrechen des Mordes infolge stillschweigender Subsidiarität verdrängt wird (im Ergebnis zutreffend Bertel/Schwaighofer BT I11 § 143 Rz 6).
Daher war die angefochtene Entscheidung in der Subsumtion der dem Schuldspruch II zu Grunde liegenden Tat nach § 143 dritter Fall StGB aufzuheben.
Bei der hiedurch erforderlichen Strafneubemessung waren die Umstände, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen begangen hat (§ 33 Z 1 StGB) und dass er schon (2‑mal) wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist (§ 33 Z 2 StGB), erschwerend, der Umstand, dass es zum Teil (I) beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), und das Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) zum Verbrechen des schweren Raubes (II) mildernd.
Im Hinblick auf das massiv getrübte Vorleben des Angeklagten, den auch der Vollzug mehrerer ‑ teils empfindlicher ‑ Freiheitsstrafen (ON 55 S 57 bis 63) nicht von weiterer (einschlägiger) Delinquenz abzuhalten vermochte, wirken die Erschwerungsgründe deutlich gewichtiger als die Milderungsgründe (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB).
Berücksichtigt man zudem gemäß § 32 Abs 3 StGB die gezielte Planung der Tat (ON 73 S 4 und 5, 19) und die erheblichen Verletzungen des Opfers (US 4), erweist sich bei einem Strafrahmen von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe (§ 75 StGB iVm § 28 Abs 1 StGB) eine solche von achtzehn Jahren als tat‑ und schuldangemessen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Über die Anrechnung der Vorhaft (§ 38 StGB) hat gemäß § 400 StPO der Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden.
Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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