OGH 14Ns10/11y

OGH14Ns10/11y16.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bergmann als Schriftführerin in der Strafvollzugssache des Franz O*****, AZ 23 BE 39/11b des Landesgerichts Krems an der Donau, im Zuständigkeitsstreit der Landesgerichte Krems an der Donau und Leoben gemäß § 38 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Verfahren über die bedingte Entlassung des Franz O***** aus einer Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 1 StGB ist vom Landesgericht Krems an der Donau zu führen.

Text

Gründe:

Franz O***** verbüßt derzeit zwei mit Urteilen des Bezirksgerichts Josefstadt vom 19. Februar 2010, AZ 14 U 28/10d, und des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. April 2010, AZ 81 Hv 47/10i, über ihn verhängte Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von 25 Monaten mit Strafende am 10. Mai 2012.

Die Strafen wurden zunächst in der Justizanstalt Leoben vollzogen.

Mit Erlass vom 24. Jänner 2011, AZ 5383/02-VD 2/2011, ordnete die Vollzugsdirektion gemäß §§ 10, 134 StVG die Zuständigkeit der Justizanstalt Stein für den weiteren Vollzug der über Franz O***** verhängten Freiheitsstrafen an. Dem unter einem erfolgten Ersuchen, die Überstellung des Strafgefangenen in diese Justizanstalt zu veranlassen, entsprach die Justizanstalt Leoben am 27. Jänner 2011 (ON 1 S 3). Die Aufnahme in der Justizanstalt Stein erfolgte am 1. Februar 2011 (ON 3 S 1).

Am 28. Jänner 2011 langten beim Landesgericht Leoben die von der Justizanstalt Leoben vorgelegten Akten zur Entscheidung über die bedingte Entlassung des Franz O***** aus den angeführten Freiheitsstrafen ein (AZ 33 BE 41/11g).

Am 31. Jänner 2011 überwies das Landesgericht Leoben die Strafvollzugssache gegen Franz O***** dem Landesgericht Krems an der Donau unter Hinweis auf die „per 27. 1. 2011“ erfolgte dauerhafte Verlegung dieses Strafgefangenen in die Justizanstalt Stein.

Das Landesgericht Krems an der Donau verneinte seine Zuständigkeit mit der Begründung, dass Franz O***** erst nach Einleitung des Verfahrens über seine bedingte Entlassung in der Justizanstalt Stein aufgenommen wurde, weil er sich - nach den Erhebungen des Gerichts - davor als Passant der Justizanstalt Leoben in der Justizanstalt Wien-Josefstadt befunden hatte (ON 4 S 2), und veranlasste die Vorlage des Akts (AZ 23 BE 39/11b) an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt (§ 38 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Nach § 16 Abs 2 Z 12 StVG entscheidet das Vollzugsgericht unter anderem über die bedingte Entlassung eines Strafgefangenen (aus einer Freiheitsstrafe) und die damit zusammenhängenden Anordnungen (§§ 46, 48 bis 53 und 56 StGB). Vollzugsgericht ist nach § 16 Abs 1 erster Satz StVG das in Strafsachen tätige Landesgericht, in dessen Sprengel die Freiheitsstrafe vollzogen wird. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (des Einlangens des Antrags bei Gericht; RIS-Justiz RS0087500).

„Vollzogen“ im Sinn dieser Bestimmung wird die Freiheitsstrafe in der hiefür zuständigen Justizanstalt, nicht in jener, in der sich der Strafgefangene bloß vorübergehend (etwa zwecks Ausübung eines Besuchsrechts oder - wie hier nach den Erhebungen des Landesgerichts Krems an der Donau - „als Passant der Justizanstalt Leoben“ [ON 4 S 2]) aufhält (vgl zum Ganzen Drexler, StVG² § 16 Rz 1 mwN).

Die Zuständigkeit der Justizanstalt ergibt sich allgemein aus § 9 StVG. Übersteigt die Freiheitsstrafe - wie hier - achtzehn Monate, ist der Strafvollzug bis zur Bestimmung der zuständigen Strafvollzugsanstalt durch die Vollzugsdirektion (§ 134 StVG, „Klassifizierung“) im Gefangenenhaus (Justizanstalt eines Landesgerichts) einzuleiten (§ 9 Abs 1 StVG), bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 1 und Z 2 StVG hat die Vollzugsdirektion allgemein oder im Einzelfall die Zuständigkeit einer anderen als der nach § 9 StVG zuständigen Anstalt anzuordnen.

Entgegen der Ansicht des Landesgerichts Krems an der Donau kommt es demnach für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit des Vollzugsgerichts in den Fällen einer Strafvollzugsortsänderung - anders als bei Einleitung des Strafvollzugs (vgl RIS-Justiz RS0087254) - nicht auf das Eintreffen des Strafgefangenen (den Strafantritt) in der zuständigen Strafvollzugsanstalt, sondern darauf an, welche Justizanstalt zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nach der Entscheidung der Vollzugsdirektion für den Strafvollzug zuständig war.

Das Verfahren über die bedingte Entlassung des Franz O***** wurde am 28. Jänner 2011 (durch Vorlage der Akten an das Gericht durch die Justizanstalt) eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Vollzugsdirektion mit dem oben zitierten Erlass bereits die Zuständigkeit der Justizanstalt Stein für den weiteren Strafvollzug angeordnet (§§ 10, 134 StVG), womit die Entscheidung über die bedingte Entlassung des Strafgefangenen in die Kompetenz des Landesgerichts Krems an der Donau fällt.

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