Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Die Aufkündigung vom 12. Mai 2009 hinsichtlich der Wohnung top Nr 9 im Haus *****, wird als wirksam erkannt.
Die beklagte Partei ist schuldig, die Wohnung top Nr 9 im Haus *****, der klagenden Partei binnen 14 Tagen geräumt von ihren eigenen Fahrnissen zu übergeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.431,97 EUR (darin enthalten 334,73 EUR USt und 2.423,60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 560,27 EUR (darin enthalten 72,71 EUR und 124 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 484,57 EUR (darin enthalten 49,93 EUR USt und 185 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist seit 1. 3. 1988 Mieter der der Aufkündigung zugrunde liegenden Wohnung. Im März 2009 beabsichtige er, ein neues Badezimmer zu errichten. Mangels Vorlage eines geeigneten Plans stimmte die Klägerin nicht zu. Ohne entsprechende Mitteilung an die Klägerin und ohne Baubewilligung ließ der Beklagte in der Folge von Bekannten „rohbaumäßig“ ein Bad einbauen. Unterhalb der Isolierung in Form einer zweilagigen Kunststofffolie ist der Boden nass. In der Wohnung unterhalb jener des Beklagten sind Wasserschäden aufgetreten. Darüber hinaus ließ der Beklagte das Waschbecken in der Küche verlegen. Im Stiegenhausbereich ließ er den Boden aufreißen, um ein neues Abwasserrohr in seine Wohnung zu verlegen. Daraufhin konnte die Eingangstüre zur Nachbarwohnung nicht mehr geöffnet werden. Nachdem sich eine Hausbewohnerin beim Beklagten über Baulärm in den Nachtstunden beschwert hatte, beschimpfte er diese und packte sie mit einer Hand am Hals. Zudem versuchte er, zwei Nachbarn in seine Wohnung zu locken; einer davon wurde sogar körperlich bedrängt.
Die Klägerin erklärte die gerichtliche Aufkündigung zum 31. 7. 2009 und begehrte, den Beklagten zur Übergabe des Bestandgegenstands zu verpflichten. Der Beklagte habe eigenmächtig und ohne Baubewilligung sowohl in der Wohnung als auch im Stiegenhausbereich Bauarbeiten durchführen und ein Bad einbauen sowie Rohre verlegen lassen. Im Zuge dieser Bautätigkeit sei es im darunter befindlichen Bestandobjekt zweimal zu Wassereintritten gekommen. Durch die ständigen Überschwemmungen sei die Substanz des Hauses gefährdet. Außerdem verhalte sich der Beklagte anderen Bewohnern des Hauses gegenüber extrem aggressiv. Eine Mieterin habe er sogar attackiert und gewürgt.
Der Beklagte entgegnete, dass er keine Kündigungsgründe gesetzt habe. Für das neue Bad sei ein größeres Abflussrohr erforderlich gewesen, weshalb er dieses erneuern lassen habe. Dieses Rohr sei von konzessionierten Handwerkern verlegt worden. Einen Wasserschaden habe er nicht veranlasst. Außerdem habe er stets im guten Einvernehmen mit den anderen Hausbewohnern gelebt.
Das Erstgericht hob die gerichtliche Aufkündigung auf und wies das Übergabebegehren ab. Der Vorfall mit der attackierten Hausbewohnerin sei zwar schwerwiegend, in Anbetracht der Tatsache, dass der Beklagte bereits seit 1998 Mieter in diesem Haus sei, für eine Kündigung aber nicht ausreichend gewesen. Mit den eigenmächtigen Bauarbeiten habe der Beklagte zwar die Interessen des Bestandgebers verletzt, was aber ebenfalls noch nicht ausreiche, um der Kündigung Folge zu geben.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der einmalige Vorfall, der zur Auseinandersetzung mit einer Mieterin geführt habe, sei nach objektivem Maßstab nicht derart gravierend, dass den Mitbewohnern das Zusammenleben mit dem Beklagten nicht mehr zuzumuten sei. Den vergeblichen Versuchen des Beklagten, die beiden Nachbarn in seine Wohnung einzuladen, seien keine Auseinandersetzungen vorausgegangen. Die Umbauarbeiten zur Errichtung einer Badegelegenheit seien zwar vertrags- und bauordnungswidrig gewesen. Allerdings sei es trotz der Wasserschäden durch das noch nicht in Betrieb genommene Bad zu keiner Gefährdung der Substanz des Hauses gekommen, weshalb auch in diesem Zusammenhang die Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der höchstgerichtlichen Judikatur im Einklang stehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Mit seiner - durch den Obersten Gerichtshof freigestellten - Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, in eventu diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil sich die Beurteilung der Vorinstanzen zur Verwirklichung der geltend gemachten Kündigungsgründe als korrekturbedürftig erweist. Die Revision ist berechtigt.
1.1 Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand iSd § 30 Abs 2 Z 3 MRG liegt vor, wenn durch eine wiederholte, längerwährende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RIS-Justiz RS0067832; RS0068076), oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder der Mitmieter gefährdet werden (RIS-Justiz RS0070348; RS0020940).
Auch wenn das Vorliegen des in Rede stehenden Kündigungsgrundes typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängt (RIS-Justiz RS0068103; RS0021018), lassen sich die Wertungen der Vorinstanzen zur Wahrung der Rechtseinheit nicht aufrecht erhalten.
1.2 Nach der Rechtsprechung liegt ein nachteiliger Gebrauch allgemein dann vor, wenn ein Mieter durch - unsachgemäß entgegen den Regeln der Technik, insbesondere durch nicht befugte Gewerbsleute und ohne Baubewilligung durchgeführte - Umbauten eine Badewanne ohne entsprechende Feuchtigkeitsisolierung installiert und dadurch die Gefahr der Durchfeuchtung der Träme wesentlich erhöht (RIS-Justiz RS0070359; 8 Ob 96/04g). Eine solche Gefahr ist vor allem dann evident, wenn bei Auftreten von Wasserschäden nicht sofort Abhilfe geschaffen wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Beklagte hat die Bauarbeiten eigenmächtig und ohne Baubewilligung durchführen lassen. Da er nicht einmal einen geeigneten Plan vorlegen konnte, hat die Klägerin ihre Zustimmung zum Badeinbau zu Recht verweigert. Darüber hinaus wurden die Arbeiten nicht von einem befugten Fachunternehmen durchgeführt. Zusätzlich zur Nässebildung aufgrund der ungeeigneten Isolierung sind in der darunter gelegenen Wohnung bereits Wasserschäden aufgetreten, obwohl, wie das Berufungsgericht selbst ausführt, das neue Bad noch gar nicht in Betrieb genommen wurde.
Nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen waren die Träme und Schalung trotz Wassereintritts in die Holzkonstruktion schon wieder so weit abgetrocknet, dass keine Beschädigung der konstruktiven Teile feststellbar war (ON 34, 11). Ausgehend von diesem Befund gelangte der Sachverständige zum Ergebnis, dass es durch die Bauarbeiten des Beklagten zu keiner Schädigung (in der Zusammenfassung gleichgesetzt mit „Gefährdung“) der Substanz des Hauses gekommen sei. Diese Aussage bezieht sich auf die Fragestellung, ob durch die Überschreitung des normalen Feuchtegehalts Schäden am Bau zu erwarten sind (ON 34, 9). Der Sachverständige beurteilte somit die Ist-Situation anlässlich der Befundaufnahme. Die Feststellung des Erstgerichts, dass „es zu keiner Substanzgefährdung des Hauses“ gekommen sei, basiert auf den dargestellten Ausführungen des Sachverständigen. Sie bezieht sich damit ebenfalls nur auf die Ist-Situation zum Zeitpunkt der Befundaufnahme. Die Beurteilung der Substanzgefährdung unter Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen betrifft demgegenüber die Rechtsfrage.
Kommt es zu den festgestellten Wassereintritten in die Holzkonstruktion und ist ein Schaden an den tragenden Teilen nur zufolge Abtrocknens ausgeblieben, so sind - ohne Behebungsmaßnahmen - insbesondere bei künftiger Benützung des Bades nach dessen Inbetriebnahme weitere Wassereintritte und dadurch bedingte Schäden an den konstruktiven Teilen konkret zu befürchten. Mit Rücksicht auf die bereits eingetretenen Wasserschäden in der Wohnung unterhalb jener des Beklagten und den nassen Boden unter der Abdeckfolie des Bades ist eine drohende Gefahr für die Substanz zumindest des Mietgegenstands jedenfalls gegeben. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bleibt in dieser Hinsicht unerheblich, ob schon nach dem bisherigen Zustand im Bad eine ausreichende Feuchtigkeitsisolierung vorhanden war (vgl RIS-Justiz RS0070359).
1.3 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte den neu betonierten Boden im Stiegenhausbereich ebenfalls eigenmächtig aufreißen und ein neues Abwasserrohr derart in seine Wohnung verlegen ließ, dass die Eingangstüre zur Nachbarwohnung nicht mehr geöffnet werden konnte. Der dadurch hervorgerufene rechtswidrige Zustand wurde von der Klägerin beseitigt.
1.4 Kein Zweifel besteht schließlich daran, dass dem Beklagten sein erheblich nachteiliges Verhalten zumindest bewusst sein musste (RIS-Justiz RS0070433; RS0067957). In diesem Sinn wurde er etwa von der Klägerin mehrfach darauf hingewiesen, dass der Einbau des Bades ohne geeigneten Plan und ohne Baubewilligung nicht erlaubt ist.
2.1 Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt (RIS-Justiz RS0070303; RS0067678). Grundsätzlich ist auf das Gesamtverhalten Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0070378; RS0067519). Es können aber auch schon einmalige Vorfälle diesen Kündigungsgrund verwirklichen, wenn sie derart schwerwiegend sind, dass sie das Maß des Zumutbaren überschreiten und objektiv geeignet erscheinen, auch nur einem Hausbewohner das Zusammenleben zu verleiden (RIS-Justiz RS0070303).
Auch der Frage, ob ein konkretes Verhalten als unleidlich zu qualifizieren ist, kommt im Allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042984). Allerdings liegt auch in dieser Hinsicht eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vor.
2.2 Die Beschwerde der vom Beklagten attackierten Hausbewohnerin, deren Kleinkinder aufgrund des Baulärms in den Nachtstunden nicht schlafen konnten, war mehr als berechtigt. Die Entgleisung des Beklagten, die von einem körperlichen Angriff begleitet war, ist schon für sich allein als derart schwerwiegend zu qualifizieren, dass der betroffenen Mieterin das Zusammenleben mit ihm nicht mehr zumutbar erscheint. Unerheblich bleibt, dass diese Mieterin, die sich nach den Feststellungen vor dem Beklagten fürchtet, zwei Stockwerke oberhalb der Wohnung des Beklagten wohnt. Hinzu kommt nicht nur die Rücksichtslosigkeit des Beklagten gegenüber den Hausbewohnern durch wiederholten Baulärm, manchmal sogar bis Mitternacht oder noch länger. Auch das Verhalten gegenüber dem Hausbewohner, der irrtümlich an seiner Tür anklopfte, sowie gegenüber dessen Vater ist keineswegs als „Einladungsversuch“, sondern als ungebührliches, respektloses Verhalten zu qualifizieren. Die Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Beklagten spricht ebenfalls nicht für ihn.
3. Zusammenfassend ergibt sich, dass die eigenmächtigen und unsachgemäßen Bauarbeiten, die der Beklagte zur Errichtung eines neuen Badezimmers vornehmen ließ, ausreichend gravierend sind, um den Kündigungstatbestand des erheblich nachteiligen Gebrauchs zu erfüllen. Auch mit seinem Verhalten gegenüber den Hausbewohnern hat er die Grenze des Zumutbaren für ein ungestörtes Zusammenleben überschritten. Die Beurteilung der Vorinstanzen hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht Stand. In Stattgebung der Revision waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)