OGH 9ObA46/10w

OGH9ObA46/10w24.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Hon.‑Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei Z***** R*****, vertreten durch Dr. Walter Ratt, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wegen 2.263,51 EUR brutto abzüglich 916,71 EUR netto, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Februar 2010, GZ 11 Ra 3/10f‑19, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. September 2009, GZ 11 Cga 214/08v‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 334,65 EUR (darin enthalten 55,77 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war beim Beklagten vom 1. 11. 2007 bis 6. 6. 2008 als Reinigungskraft beschäftigt. Der Beklagte ist bei der Wirtschaftskammer in den Fach‑ bzw Berufsgruppen Chemisches Gewerbe und Denkmal‑, Fassaden‑ und Gebäudereiniger aber auch Garagen‑, Tankstellen‑ und Servicestationsunternehmungen erfasst. Seine Gewerbeberechtigungen umfassen bestimmte Teile des Reinigungsgewerbes sowie der Garagen‑, Tankstellen‑ und Servicestationsunternehmungen. Konkret betreibt der Beklagte in seinem Unternehmen eine Autobusreinigung, bei der er die Autobusse von zwei Autobusunternehmungen auf deren Firmengelände reinigt. Der Beklagte selbst hat sein Büro, in dem auch seine Enkelin und sein Sohn aushilfsweise tätig sind, in Oberösterreich. Es besteht aus einem Zimmer in seiner eigenen Wohnung im Haus seines Sohnes. Dort verfügt er über Computer, Telefon, Fax udgl. Dort stehen auch die beiden Dienst‑PKW, einer davon in der Garage des Sohnes. Sonst wird diese Garage nicht weiter vermietet.

Die Klägerin selbst wohnt in Salzburg und arbeitete auch bei einer der beiden Autobusunternehmungen, für die der Beklagte die Reinigung übernommen hatte, in Salzburg. Sie hatte zuletzt eine Dienstzeit von 18.00 Uhr ‑ 24.00 Uhr. Dort hatte sie die Linienbusse, aber auch Reisebusse zu reinigen, und zwar eine Innenreinigung durchzuführen. Die Außenreinigung wurde hingegen in einer Waschanlage erledigt. Die Arbeitsmittel der Klägerin wurden vom Beklagten zur Verfügung gestellt, der auch jeden Tag etwa eine halbe Stunde auf dem Gelände des Autobusunternehmens, dessen Busse die Klägerin innen reinigte, anwesend war. Im Übrigen wurde die Tätigkeit der Klägerin vom Portier des Autobusunternehmens beobachtet, der auch deren Stunden aufschrieb. Die Abrechnung der Klägerin, wie auch der anderen in sehr unterschiedlichem Ausmaß beim Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer, erfolgte über den Steuerberater des Beklagten.

Ein Urlaubsverbrauch durch die Klägerin konnte nicht festgestellt werden.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage im Wesentlichen die Differenz zwischen dem ihr vom Beklagten bezahlten Stundenlohn von 6,12 EUR brutto auf die Lohngruppe IV nach dem Kollektivvertrag für Gebäudereiniger von 6,78 EUR brutto bzw ab 1. 1. 2008 7 EUR brutto.

Der Beklagte beantragte die Abweisung und wendete ein, dass auf das Dienstverhältnis der Klägerin der Kollektivvertrag für Arbeiter der Garagen‑, Tankstellen‑ und Servicestationsunternehmen Österreichs anzuwenden sei, nicht aber jener der Gebäudereiniger.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass im Wesentlichen unstrittig sei, dass der Beklagte keine Tankstelle und kein Garagenunternehmen betreibe. Der Beklagte führe Reinigungsarbeiten durch, und zwar nicht im eigenen Betrieb, sondern vor Ort. Diese Reinigungstätigkeiten in Bussen seien durchaus mit der Reinigungstätigkeit in Gebäuden zu vergleichen. Auch der Verwaltungsgerichtshof sei von der ‑ wenngleich damals nicht besonders strittigen ‑ Anwendbarkeit des Kollektivvertrags für Denkmal‑, Fassaden‑ und Gebäudereiniger ausgegangen. Von dessen Anwendbarkeit sei auch hier auszugehen, sodass die offenen Entgeltansprüche zuzusprechen seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Die vom Beklagten betriebene Autobusreinigung habe die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung im Betrieb. Diese Innenreinigung lasse sich mit der Reinigung von Gebäuden eher vergleichen als mit der Tätigkeit in einer Servicestation, bei der Pflege der Karosserie, dem Überprüfen des Motors des Kühlers oder der Batterien und Reifen. Auch setze letzteres einen stationären Betrieb voraus. Ob hier der Kollektivvertrag für die Gebäudereiniger Oberösterreichs oder jener Salzburgs anzuwenden sei, sei im Hinblick auf die identen Tarifansätze ohne Belang.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da es generell um die Frage der Feststellung des anzuwendenden Kollektivvertrags gehe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist im Hinblick auf die zu klärende Abgrenzung der Kollektivverträge zulässig, aber nicht berechtigt.

Grundsätzlich in Betracht kommen hier einerseits der Kollektivvertrag für die Arbeiter der Garagen‑, Tankstellen‑ und Servicestationsunternehmen Österreichs (im Folgenden: Garagenkollektivvertrag) und andererseits die Kollektivverträge für Denkmal‑, Fassaden‑ und Gebäudereiniger (im Folgenden Reinigungskollektivverträge). Der Garagenkollektivvertrag wurde von Seiten der Wirtschaftskammer Österreich durch den Fachverband der Garagen‑, Tankstellen‑ und Servicestationsunternehmungen abgeschlossen. Er gilt zufolge § 2 dieses KV für das gesamte Bundesgebiet und alle Garagen‑, Tankstellen‑ und Servicestationsunternehmungen. In seiner Lohnordung in § 8 wird bei der Erfassung der Dienstnehmer im Wesentlichen auf Tätigkeiten in Tiefgaragen, Waschstraßen, Tankstellen‑ und Waschanlagen und „sonstige“ Dienstnehmer abgestellt.

Die Reinigungskollektivverträge wurden auf Arbeitgeberseite von der Bundesinnung Chemisches Gewerbe bzw der der Landesinnung Salzburg abgeschlossen und gelten für alle Denkmal‑, Fassaden‑ und Gebäudereinigerbetriebe. In den dazu bestehenden Lohnvereinbarungen werden die verschiedenen Lohngruppen nach der Lehrabschlussprüfung, aber auch nach der Art der Tätigkeit bzw des Gewerbes unterschieden und dabei unter anderem auch Arbeitnehmer, die zur ständigen Reinigung in Verkehrseinrichtungen oder vergleichbaren Arbeitsstellen eingesetzt werden, erfasst.

Nach § 8 Z 1 ArbVG sind ‑ sofern der Kollektivvertrag nichts anderes bestimmt- innerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereichs die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrags Mitglieder der am Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden, kollektivvertragsangehörig. Die Frage der Mitgliedschaft des Arbeitgebers zu diesen Organisationseinheiten im Rahmen seiner Handelskammermitgliedschaft ist im Hinblick auf die Kompetenz der Kammer im Rahmen ihrer Selbstverwaltung grundsätzlich vom Gericht nicht zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0050862). Dass der Beklagte beiden Organisationsbereichen der Wirtschaftskammer zugeordnet ist, ist nicht strittig. Eine andere Frage würde es darstellen, wenn der Arbeitgeber ein Gewerbe ausübt, das mit der vorhandenen Gewerbeberechtigung offensichtlich nichts zu tun hat. § 2 Abs 13 der GewO ordnet insoweit ausdrücklich an, dass im Falle der mangelnden Gewerbeberechtigung die Kollektivverträge die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeit aufgrund von Gewerbeberechtigungen ausüben, Geltung haben (8 ObA 192/01w = SZ 2002/108; allgemein RIS‑Justiz RS0108232). Dass für die konkret vom Beklagten ausgeübte Tätigkeit eine andere Gewerbeberechtigung offensichtlich erforderlich wäre, wird von keiner Partei releviert.

Innerhalb des Wirtschaftsbereichs der Reinigungskollektivverträge spricht die Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs dafür, den Kollektivvertrag der Bundesinnung heranzuziehen, da dieser alle Arbeiter erfasst, während jener der Landesinnung Salzburg, der der Beklagte wahrscheinlich auch gar nicht angehört, nur auf die in den dortigen Betrieben beschäftigten Arbeiter abstellt.

Es ist also davon auszugehen, dass der Beklagte entsprechend § 8 Z 1 ArbVG einerseits dem Garagenkollektivvertrag und andererseits auch dem Reinigungskollektivvertrag angehört. Der fachliche Geltungsbereich bei mehrfach kollektivvertragsangehörigen Arbeitgebern wird durch § 9 ArbVG geregelt. Zufolge Abs 1 dieser Bestimmung findet bei einer Aufteilung in mehrere Betriebe grundsätzlich der für den jeweiligen Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung, ebenso sinngemäß, wenn es sich um Haupt‑ und Nebenbetriebe oder um organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handelt (§ 9 Abs 2 ArbVG; allgemein auch RIS-Justiz RS0050908).

Für den Fall, dass eine solche organisatorische Trennung nicht vorhanden ist, sieht § 9 Abs 3 ArbVG vor, dass jener Kollektivvertrag zur Anwendung gelangt, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.

Die Schwierigkeiten im vorliegenden Fall liegt nun darin, dass die konkrete Tätigkeit offensichtlich eine „Mischtätigkeit“ zwischen dem „Reinigungsgewerbe“ und dem Garagen‑, Tankstellen‑ und Servicestationsunternehmensgewerbe darstellt. Das Handwerk der Denkmal‑, Fassaden‑ und Gebäudereiniger stellt zufolge § 94 Z 13 der GewO ein reglementiertes Gewerbe dar, für das auch die Zugangsvoraussetzungen detailliert geregelt wurden (vgl die Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Denkmal‑, Fassaden‑ und Gebäudereiniger unter Hinweis auf die einschlägige Lehrabschlussprüfung). Die Innenreinigung von Autobussen scheint davon umfasst (VwGH 25. 6. 2008, Zl 2006/04/0116; vgl auch die Erfassung in der Lohnordnung des KV). Dies gilt aber wohl auch für die Servicestationsunternehmungen, die typischerweise auch Reinigungsleistungen (Waschanlagen) erbringen. Es geht hier weniger darum, dass zwei fachlich klar getrennte Wirtschaftsbereiche iSd § 9 Abs 3 ArbVG gemeinsam ausgeübt würden, sondern dass eine wirtschaftliche Tätigkeit in unterschiedlicher Form organisiert in den einen oder den anderen Wirtschaftsbereich fallen kann und die Abgrenzung unklar ist.

Auch für diese „Überschneidung“ bzw Unklarheit der Zuordnung ist es aber angemessen, den Grundsätzen des § 9 ArbVG zu folgen und zu fragen, welche fachlichen und wirtschaftlichen Komponenten überwiegen, also dem Betrieb das „Gepräge“ geben (allgemein Strasser im ArbVG Komm §§ 9, 10 Rz 13; Runggaldier in Tomandl Arbeitsverfassungsgesetz § 9 Rz 8).

Für den Garagenkollektivvertrag spricht vor allem das Objekt der Reinigung, der Autobus. Für den Reinigungskollektivvertrag spricht einerseits die fachliche Ausrichtung ‑ der Reinigung ‑, vor allem aber die Abwicklung im Rahmen eines fremden Betriebs. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten macht dies, was den Einsatz der erforderlichen anderen Betriebsmittel anlangt (Grundstücke, Miete, Geräte, ...) aber auch die Organisation des Betriebs (Verwaltungsstrukturen) anlangt, einen wesentlichen Unterschied.

Daher sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass hier die fachlichen und wirtschaftlichen Komponenten, die dem Reinigungsgewerbe entsprechen, überwiegen. Hier werden die Kunden aufgesucht und es werden ihnen konkrete Reinigungsleistungen angeboten, während in „Servicestationen“ die Kunden im eigenen Betrieb und regelmäßig auch mit einem über die reine „Reinigungsleistung“ hinausgehenden Umfang für die Kraftfahrzeuge betreut werden.

Im Ergebnis war daher der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO. Als Bemessungsgrundlage war das von beiden Streitteilen übereinstimmend errechnete Revisionsinteresse heranzuziehen.

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