Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die vorliegende außerordentliche Revision wird damit eingeleitet, dass sie von der „beklagten Partei“ gegen das im Kopf dieser Entscheidung bezeichnete Berufungsurteil erhoben wird. Die offenbar irrtümliche Anführung lediglich des Geschäftsführers „J***** A*****“ im Rubrum der außerordentlichen Revision anstelle der tatsächlichen Beklagten „J***** A***** GmbH“ schadet nicht, weil das Begehren, die vorgenannte Berufungsentscheidung namens der beklagten Gesellschaft mit außerordentlicher Revision zu bekämpfen, deutlich erkennbar ist (§ 84 Abs 2 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Maßgeblich ist dabei nicht, ob bei allseitiger rechtlicher Prüfung allenfalls irgendeine interessante Rechtsfrage gefunden werden könnte. Die Rechtsmittelzulässigkeit ist vielmehr nur dann gegeben, wenn in der Revision zumindest eine erhebliche Rechtsfrage, von deren Lösung die Sachentscheidung „abhängt“, die also in diesem Sinn „präjudiziell“ ist, nachvollziehbar aufgezeigt wird (9 ObA 15/09k, 9 ObA 69/09k, jeweils mwN ua). Dies ist hier nicht der Fall. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO muss fallbezogen nicht gelöst werden.
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass ein Mitglied des Betriebsrats gemäß § 120 Abs 1 ArbVG bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts entlassen werden darf. Gemäß § 64 Abs 4 ArbVG ist die Mitgliedschaft zum Betriebsrat vom Gericht aufgrund einer Klage abzuerkennen, wenn das Mitglied die Wählbarkeit nicht oder nicht mehr besitzt. Zu dieser Klage sind der Betriebsrat, jedes Betriebsratsmitglied und der Betriebsinhaber berechtigt. Daraus folgt einerseits, dass das Fehlen der Wählbarkeit nicht die Nichtigkeit der Wahl iSd § 60 ArbVG begründet, weil es sonst nicht der Normierung einer Mandatsaberkennungsklage bedurft hätte, wenn die Betriebsratswahl ohnehin nichtig wäre. Andererseits folgt aus der speziellen Regelung des § 64 Abs 4 ArbVG, dass sie im Fall der Geltendmachung des Fehlens der Wählbarkeit durch den Betriebsinhaber der allgemeinen Anfechtungsklage wegen Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitender Grundsätze des Wahlrechts nach § 59 ArbVG vorgeht (RV 840 BlgNR 13. GP 77; Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar 364; Strasser/Jabornegg, Die Betriebsratswahl5 72; Marhold, Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat und Kündigung, RdW 1988, 293; ders, Der Wählbarkeitsmangel bei der Betriebsratswahl, ecolex 1991, 707 [713 f]; Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht 520; Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG Bd 24 § 64 Erl 15; ZAS 1980, 81; Arb 9818 ua).
Bei der Mandatsaberkennungsklage nach § 64 Abs 4 ArbVG handelt es sich um eine Rechtsgestaltungsklage (RV 1085 BlgNR 16. GP 15; Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht 520 ua) mit ex-nunc-Wirkung (Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar 364 ua). Solange sie nicht erfolgreich erhoben wurde, kann sich niemand auf die erst mit dieser Klage erzielbare Gestaltung, nämlich die Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat, berufen (Marhold, RdW 1988, 293; Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG Bd 24 § 64 Erl 16 ua). Wurde nun der seit 1. 6. 1996 bei der Beklagten beschäftigte Kläger nach den Feststellungen bei der Betriebsratswahl vom 23. 2. 2005 zum Mitglied des Betriebsrats gewählt und fand bis zu seiner ohne gerichtliche Zustimmung erfolgten Entlassung vom 18. 4. 2008 keine Aberkennung der Mitgliedschaft zum Betriebsrat statt, dann kann sich die Beklagte im gegenständlichen Verfahren des Klägers auf Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses zufolge unwirksamer Entlassung nach § 120 Abs 1 ArbVG nicht auf das angeblich fehlende passive Wahlrecht des Klägers bei der Betriebsratswahl vom 23. 2. 2005 berufen (vgl Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG Bd 24 § 64 Erl 16 ua).
Die zur Begründung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision bezüglich des fehlenden passiven Wahlrechts des Klägers zum Betriebsrat und einer allfälligen Heilung dieses Mangels geltend gemachten Fragen sind damit bloß theoretischer Natur und nicht „präjudiziell“ im obigen Sinn. Da in der Zulassungsbeschwerde keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht wird, von deren Lösung die Entscheidung tatsächlich „abhängt“, ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Eine vor Zustellung der Mitteilung der Freistellung erstattete Revisionsbeantwortung gilt im Fall der Zurückweisung der außerordentlichen Revision als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO). Der vom Kläger begehrte Kostenzuspruch war daher abzuweisen (vgl 2 Ob 14/10p; 8 ObA 26/10s ua).
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