OGH 15Os134/10k

OGH15Os134/10k10.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. November 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichly als Schriftführerin in der Strafsache gegen Danut-Vasile M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Engelbert W***** gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 7. Juli 2010, GZ 11 Hv 82/10d-97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten W***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche der Angeklagten Danut-Vasile M***** und Marko B***** enthält, wurde Engelbert W***** des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben

I./1./ Danut-Vasile M***** und Marko B***** als Beteiligte (§ 12 StGB) von Oktober 2008 bis Oktober 2009 in E***** und anderen Orten in einer Mehrzahl von Angriffen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Hermann P***** GmbH dadurch, dass sie bei Palettenlieferungen der F***** GmbH ***** teils nicht den tatsächlich gelieferten Mengen entsprechende, höhere Stückzahlen auf den jeweiligen Lieferscheinen anführten, teils Lieferscheine und Rechnungen über tatsächlich nicht erfolgte Palettenlieferungen zur Begleichung vorlegten und dadurch die Bezahlung entsprechend diesen inhaltlich unrichtigen Lieferscheinen und Rechnungen durch die Hermann P***** GmbH erwirkten, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung inhaltlicher unrichtiger Urkunden, mithin falscher Beweismittel, zur Bezahlung von Rechnungsbeträgen im Ausmaß von insgesamt zumindest 360.000 Euro verleitet, wodurch die letztgenannte Gesellschaft mit einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde, wobei sie die schweren Betrugshandlungen in der Absicht begingen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

II./ Engelbert W***** im Frühjahr 2009 in O***** dadurch, dass er als Geschäftsführer der F***** GmbH auf die Mitteilung seines Angestellten Marko B***** von den zu I./1./ beschriebenen Straftaten nicht damit reagierte, diese zu unterbinden, sondern ihn gewähren ließ, es mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung, nämlich das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB begangen werde, unterlassen, ihre unmittelbar bevorstehende oder schon begonnene Ausführung zu verhindern, wobei die strafbare Handlung vollbracht worden ist.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Engelbert W***** betreffenden Schuldspruch richtet sich dessen auf § 281 Abs 1 Z 8 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; sie schlägt fehl.

Die eine Anklageüberschreitung unter Verstoß gegen § 267 StPO geltend machende Rüge nach Z 8 behauptet, der Beschwerdeführer sei wegen einer anderen Tat verurteilt worden, als der, auf die die Anklage gerichtet gewesen sei.

Während ihm die Anklage vorwarf, als Geschäftsführer der F***** GmbH (ua) mit dem beim selben Unternehmen angestellten Marko B***** dessen im Urteil näher beschriebene Betrugshandlungen abgesprochen, diesen zugestimmt und sie gebilligt zu haben (ON 84, S 2) - woraus die Anklagebehörde den rechtlichen Schluss auf Verwirklichung des Tatbestands des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (als unmittelbarer Täter) auch durch den Beschwerdeführer als verwirklicht ansah -, erfolgte nach Anhörung gemäß § 262 StPO (ON 96, S 57) der Schuldspruch in Richtung des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB deswegen, weil er als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft auf die Mitteilung seines Angestellten Marko B***** von dessen Betrugshandlungen nicht damit reagierte, diese zu unterbinden, sondern ihn gewähren ließ.

Damit beschreibt das Urteil aber ein und denselben Lebenssachverhalt (dazu eingehend Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502 ff) wie die Anklage (vgl 12 Os 186/85; RIS-Justiz RS0099582). Dies erhellt auch daraus, dass eine Verurteilung des unmittelbaren oder Bestimmungs- oder Beitragstäters auch wegen Unterlassung der Verhinderung dieser Tat infolge stillschweigender Subsidiariät generell ebenso ausgeschlossen ist (vgl Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 49,50; Plöchl in WK2 § 286 Rz 24) wie eine neuerliche Verfolgung eines vom Vorwurf der Begehung einer Tat Freigesprochenen nunmehr in Richtung § 286 Abs 1 StGB in Bezug auf diese Tat (ne bis in idem, vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 511).

Die Rechtsrüge nach Z 9 lit b behauptet das Vorliegen des Strafausschließungsgrundes des § 286 Abs 2 Z 1 StGB. Der Beschwerdeführer habe zum einen befürchten müssen, sich durch eine Anzeige selbst dem Verdacht der Begehung der angezeigten Taten auszusetzen, zum anderen wäre eine Weisung an den Zweitangeklagten, die Taten zu unterlassen „wohl kein probates Mittel gewesen, die Malversationen zu verhindern“.

Damit orientiert sich die Beschwerde nicht an den gegenteiligen tatsächlichen Urteilsfeststellungen erster Instanz, wonach es dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der F***** GmbH „ohne weiteres möglich gewesen wäre, auf den Zweitangeklagten dahin einzuwirken, von der Tatbegehung Abstand zu nehmen, Verantwortliche der Firma P***** darüber zu informieren oder den Strafverfolgungsbehörden rechtzeitig Mitteilung zu machen“ (US 12) und reklamiert auch keinen Feststellungsmangel, geschweige denn weist sie auf Verfahrensergebnisse hin, die weitergehende Konstatierungen indiziert hätten. Die Beschwerde verfehlt daher eine prozessordnungsgemäße Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - entgegen der Äußerung der Verteidigung gemäß § 24 StPO - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 185d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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