Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Dragan J***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dragan J***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Demnach hat er am 27. August 2009 in Eisenstadt mit dem Vorsatz, den Zulassungsbesitzer des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen ***** an seinem Recht auf Datenschutz zu schädigen, die Angestellte der vom Landeshauptmann gemäß § 40a KFG zum Zweck der Zulassung beliehenen W***** AG Cornelia N*****, sohin eine Beamtin, durch die fernmündliche Aufforderung zur Vornahme der Abfrage und Mitteilung der Zulassungsdaten wissentlich dazu bestimmt, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass sie ohne amtlichen Anlass mit auf Weitergabe der personenbezogenen Daten an ihn gerichtetem Vorsatz über die - mit dem Kraftfahrzeug-Zentralregister des Bundesministeriums für Inneres verbundene - Zulassungsdatenbank des Verbands der Versicherungsunternehmen Österreichs eine Zulassungsabfrage für den angeführten PKW durchführte und ihm den Vornamen, Familiennamen und Wohnbezirk des als Zulassungsbesitzer eingetragenen Frank G***** mitteilte.
Der dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a und lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 19 S 175) des Antrags auf Vernehmung des „ChI S*****“ bzw „des für den Zeugen zuständigen Kommandanten“ zum Beweis dafür, „dass der Zweitangeklagte weder einen Vorsatz hatte, was oder ihm auch in keiner Weise bewusst gewesen ist, dass hier jemand tatbildlich seine Befugnis missbrauchen würde bzw keinen Vorsatz hatte, jemand zu bestimmen, dessen Befugnis zu missbrauchen, da der Zweitangeklagte, wenn er nur im geringsten geglaubt hätte, dass eine Sache nicht gesetzmäßig gewesen ist, er sicher nicht den Vorgesetzten des G***** angerufen hätte. Vielmehr war eine Beschwerde eines unrechtmäßigen Verhaltens ihm gegenüber der Grund“ (ON 19 S 173) Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt. Der Beweisantrag ließ nicht erkennen, warum der begehrte Verfahrensschritt das behauptete Ergebnis erwarten lasse und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS-Justiz RS0107040). Im Übrigen stellt das Motiv für die Tathandlungen keine entscheidende Tatsache dar (RIS-Justiz RS0088761).
Das den Beweisantrag ergänzende Vorbringen hat aufgrund des im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.
Die Urteilskonstatierungen zu den zum Streit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Zeugen Frank G***** führenden Geschehnissen (US 13 letzter Absatz und US 14 erster Absatz) betreffen keine entscheidenden Tatsachen, sodass die diesbezüglich eine „offensichtlich“ unzureichende (Z 5 vierter Fall) Begründung geltend machende Mängelrüge ins Leere geht. Soweit aus demselben Nichtigkeitsgrund der vom Erstgericht konstatierte Schädigungsvorsatz bekämpft wird, stellt die Rüge den logisch und empirisch einwandfreien Überlegungen der Tatrichter (US 25 bis 29) unter isolierter Hervorhebung von Details aus den Aussagen des Beschwerdeführers und des Zeugen Frank G***** bloß eigene Erwägungen und Auffassungen gegenüber und wendet sich damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0099455).
Das weitere, ebenfalls „offensichtlich“ unzureichende Begründung der Feststellung zur Wissentlichkeit des Beschwerdeführers um den vorsätzlichen Befugnismissbrauch durch Cornelia N***** geltend machende Vorbringen nimmt prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504). Die Tatrichter stützten diese nämlich nicht nur darauf, dass der Beschwerdeführer Cornelia N***** über den Zweck der Abfrage gar nicht getäuscht und einen behördlichen Auftrag oder ein rechtliches Interesse vorgegeben habe, sondern auch auf die bei jedermann und beim Beschwerdeführer als Autohändler und Betreiber einer KfZ-Werkstatt insbesondere vorhandenen Kenntnisse, dass die Beschaffung personenbezogener Daten auf die beschriebene Weise im Widerspruch zur Rechtsordnung steht (US 31), was unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist.
Dass „Personen, welche bei Versicherungen in der Zulassungsstelle arbeiten, nicht unter den Beamtenbegriff zu subsumieren“ seien, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab. Die zur Untermauerung dieser Rechtsbehauptung angeführte Kommentarstelle (Bertel in WK² § 302 Rz 14) besagt gerade das Gegenteil (siehe im Übrigen zum Meinungsstand: Kienapfel/Schmoller StudB BT III² Vorbem §§ 302 ff Rz 33 - 35). Gleiches gilt für die Argumentsationslinie, in den vom Erstgericht zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs LSK 2007/37 und JBl 2004, 531 würden nur die Inhaber der Begutachtungsstellen (nach § 57a Abs 4 KFG) als Beamte qualifiziert, sodass nur das Versicherungsunternehmen als Inhaber der Zulassungsstelle als Beamter betrachtet werden könne, bezog sich doch die Entscheidung 13 Os 151/03 = JBl 2004, 531 (= SSt 2003/98) explizit auf Angestellte einer solchen Begutachtungsstelle (siehe dazu auch E. Fuchs/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch³ § 302 StGB Rz 8; Bertel in WK² § 302 Rz 13; 15 Os 71/08t in Bezug auf eine bei einer in Rede stehenden Zulassungstelle Beschäftigte).
Soweit die Beschwerde - ebenso wie die Subsumtionsrüge (Z 10), welche („wenn überhaupt“) eine Unterstellung des festgestellten Sachverhalts unter das Vergehen der Verletzung eines Amtsgeheimnisses nach § 310 (Abs 1) StGB als Beteiligter nach § 12 (zweiter Fall) StGB begehrt - in Bezug auf die vorgeworfene Datenweitergabe das Vorliegen einer Rechtshandlung und somit eines Hoheitsakts in Abrede stellt, erschöpft sie sich - nicht anders als die für ihren Standpunkt ins Treffen geführte Stelle aus dem wissenschaftlichen Schriftum (Bertel in WK² § 310 Rz 39) - in einer Rechtsbehauptung (siehe dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 und 590).
Gleiches gilt für das - diesbezüglich im Widerspruch mit der sonstigen Argumentationslinie stehende - Vorbringen, wonach der Mitarbeiter der Zulassungsstelle nur bei einem „Eingriff in die Zulassungsdatenbank im Zuge einer Zulassung (An-, Um- oder Abmeldung von Kraftfahrzeugen)“ funktional als Beamter tätig werde, die Weitergabe von persönlichen Daten keine Aufgabe der Zulassungsstelle sei und daraus folge, dass die Mitarbeiter der Zulassungsstelle keine Befugnis hätten, unabhängig vom Zulassungsvorgang personenbezogene Daten zu ermitteln und weiterzugeben, sodass mangels Befugnis auch kein Missbrauch derselben vorliegen könne, wobei bei einer „Datenbankabfrage“ zwischen (offensichtlich so gemeint:) „hauptberuflich“ im Bereich der Hoheitsverwaltung und (bloß) funktional als Beamte tätigen Personen zu differenzieren sei. Dies wird nämlich mit der ohne weitere Argumentation aufgestellten Behauptung, dass in den vom Erstgericht angeführten Entscheidungen die Datenabfragen „jeweils von einem Polizei- und Gendarmeriebeamten vorgenommen worden“ sei, ebenfalls nicht methodisch vertretbar abgeleitet.
Der Vollständigkeit halber sei der Rüge in diesem Zusammenhang entgegengehalten, dass der Missbrauch als Element der Tathandlung nach § 302 StGB im rechtswidrigen Gebrauch der dem Beamten eingeräumten Befugnis (zur Vornahme eines Amtsgeschäfts in Vollziehung der Gesetze) besteht, wobei es für den Umfang der Befugnis auf den abstrakten Aufgabenbereich ankommt (E. Fuchs/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch³ § 302 Rz 15 und 28).
Nach § 40a Abs 1 KFG hat der Landeshauptmann durch Verordnung Behörden zu bestimmen, in deren örtlichem Wirkungsbereich Versicherer, die eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung anbieten (§ 59 Abs 1 KFG), auf Antrag ermächtigt werden, Zulassungsstellen einzurichten und zu betreiben, denen mit der Ermächtigung im einzelnen (§ 40a Abs 5 Z 1 bis 25 KFG) angeführte, durchwegs hoheitliche Aufgaben übertragen werden. Nach § 40b Abs 1 KFG dürfen nach der Einrichtung von Zulassungsstellen Anträge gemäß § 40a Abs 5 KFG nur bei den zuständigen Zulassungsstellen eingebracht werden. Im Rahmen der übertragenen Aufgaben (§ 40a Abs 5 KFG) treten die Zulassungsstellen an die Stelle der Behörde und haben die ihnen übertragenen Aufgaben wahrzunehmen, wobei die Bestimmungen des IV. Abschnitts des KFG anzuwenden sind. Nach § 40b Abs 6 KFG hat die Zulassungsstelle unter anderem die Verpflichtung, die gemäß § 47 Abs 1 KFG erforderlichen Daten zu erfassen und täglich im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung der von der Gemeinschaftseinrichtung der zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung berechtigten Versicherer geführten Zulassungsevidenz sowie über diese Gemeinschaftseinrichtung auch der zentralen Zulassungsevidenz des Bundesministerium für Inneres zu übermitteln (Z 2) und die im Zuge der Durchführung von übertragenen Aufgaben (§ 40a Abs 5 KFG) zur Kenntnis gelangten Daten (§ 47 Abs 1 KFG) von Versicherungsnehmern anderer Versicherer nur für die Zwecke des Zulassungsverfahrens zu verwenden (Z 4). Ausdrücklich vorgesehen ist in diesem Zusammenhang weiters, dass die Zulassungsstellen für die Durchführung von weiteren Tätigkeiten im Zusammenhang mit Zulassungsvorgängen auf die jeweils in Betracht kommenden Daten aus der von der Gemeinschaftseinrichtung der zum Betrieb der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung berechtigten Versicherer zu führenden Zulassungsevidenz, welche wiederum mit der beim Bundesministerium für Inneres zu führenden zentralen Zulassungsevidenz verknüpft ist (siehe § 40b Abs 6 Z 2 KFG), zugreifen und diese verwenden können (§ 47 Abs 4a zweiter Satz KFG). Die abstrakte Befugnis von Mitarbeitern der Zulassungsstellen zur Abfrage von Daten und auch deren Verwendung ist somit nicht fraglich, der Missbrauch derselben besteht (wie hier) eben gerade darin, dass die Datenabfrage ohne dienstliche Rechtfertigung (somit ohne Zusammenhang mit der Erfüllung der nach § 40a Abs 6 Z 1 bis 25 KFG übertragenen Aufgaben) erfolgt, was bezogen auf das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) nach ständiger Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs bei - hier konstatiertem (US 17) - Schädigungsvorsatz zur Haftung nach § 302 Abs 1 StGB (hier: wegen Bestimmung nach § 12 zweiter Fall StGB) führt (RIS-Justiz RS0114637, insbesondere [T2] und [T3]). Eine Differenzierung zwischen „hauptberuflichen“ Beamten und funktional als Beamte tätigen Mitarbeitern eines beliehenen Unternehmens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es eine (abstrakte) Befugnis, personenbezogene Daten ohne dienstliche Rechtfertigung abzufragen, bei beiden Gruppen nicht gibt.
Das eine vorliegende Einwilligung des Frank G***** zur Beschaffung seiner persönlichen Daten behauptende Vorbringen (Z 9 lit b) hält nicht - wie bei der Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes geboten - an den Konstatierungen der Tatrichter fest, welche den vom Beschwerdeführer behaupteten Gesprächsinhalt (wonach der Zeuge auf die Frage des Nichtigkeitswerbers, ob er dessen Angaben, Polizist zu sein, überprüfen solle, geantwortet habe: „Ich bitte darum“) mit dem Hinweis auf die als glaubwürdig erachtete Aussage des Zeugen nicht festzustellen vermochten (US 15 iVm US 27).
Die einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot monierende Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) geht mit der Behauptung, beim echten Sonderdelikt des § 302 Abs 1 StGB sei für den Extraneus die „Bestimmungshandlung bereits Voraussetzung für eine Subsumtion unter § 302 StGB“, bereits im Ansatz fehl, weil sie die Möglichkeit der Strafbarkeit wegen Beitragstäterschaft zum Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 dritter Fall, 302 Abs 1 StGB negiert. Die schuldspruchmäßige Qualifikation der Tat als Bestimmungstäter hindert aber die Heranziehung des Erschwerungsgrundes des § 33 Z 4 StGB nicht (RIS-Justiz RS0091769).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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