Spruch:
Von einem Widerruf der zum AZ 138 BE 9/08v des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Entlassung des Robert P***** wird abgesehen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Erstangeklagte Michael S***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A./I./) und des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (B./) sowie des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (D./), der Zweitangeklagte Robert P***** der Verbrechen des Raubes als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB (A./II./), des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (B./) sowie der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (C./) und der Drittangeklagte Franz H***** der Verbrechen des Raubes als Bestimmungstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB (A./II./) sowie des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Gemäß § 23 Abs 1 StGB wurde die Unterbringung des Drittangeklagten Franz H***** in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.
Danach haben
„A./ am 27. April 2009 in M*****
I./ Michael S***** dem Thomas K***** dadurch, dass er eine Softgunpistole gegen ihn richtete und ihn aufforderte, den Safeschlüssel herauszugeben, die Hände hinter dem Kopf zu verschränken und sich auf den Boden zu legen, worauf er aus dem Standtresor und der Kassenlade sämtliche Banknoten entnahm, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, fremde bewegliche Sachen, nämlich 61.643,64 Euro mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
II./ Robert P***** und Franz H***** dadurch, dass sie die R***** in ***** auskundschafteten und anschließend Michael S***** mit dem Hinweis auf die von Robert P***** bereits begangenen Gewaltverbrechen einschüchterten und mit dem Versprechen, ihm ein Alibi zu geben, aufforderten, dort einen Bankraub zu verüben, Robert P***** ihm überdies den Fluchtweg beschrieb und Franz H***** ihm überdies eine schwarze Wollhaube mit Sehschlitzen und eine Softgunpistole übergab, Michael S***** zur Ausführung der unter Punkt A./I./ angeführten strafbaren Handlung bestimmt (§ 12 zweite Alternative StGB);
B./ Michael S*****, Robert P***** und Franz H***** im April 2009 in M***** und anderen Orten dadurch, dass sie vereinbarten, unter Verwendung einer Softgunpistole einen Banküberfall auf eine R***** in Niederösterreich zu begehen, die gemeinsame Ausführung eines Raubes verabredet;
C./ Robert P***** Ende Mai 2009 in J***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Michael S***** durch Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, die ihn am Vermögen schädigte, nämlich zur Übergabe seines Pkw Ford Escort, genötigt, indem er ihm einen Ordner mit diversen Zeitungsartikeln von seinen Straftaten zeigte und dabei auf einen Zeitungsartikel hindeutete, wo ein toter Polizist zugedeckt zu sehen war, und dazu meinte, dass dies sein Vater sein könnte und er sich überlegen solle, was er mache;
D./ Michael S***** am 24. Februar 2009 in K***** ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den Pkw VW Golf II mit dem Kennzeichen KR-17KT des Josef Hi***** ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen.“
Während der Erstangeklagte Michael S***** auf Rechtsmittel verzichtete (S 100 in ON 143), bekämpfen der Zweitangeklagte Robert P***** und der Drittangeklagte Franz H***** ihre Schuldsprüche, Letztgenannter auch das Einweisungserkenntnis mit Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Zweitangeklagten auf Z 9 lit a und vom Drittangeklagten auf Z 5, 5a, 9 lit a und 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten Robert P*****:
Diese richtet sich nominell gegen sämtliche Schuldsprüche, inhaltlich jedoch nur gegen B./ und C./, weswegen im darüber hinaus gehenden Umfang auf sie keine Rücksicht zu nehmen war, weil er (zum Schuldspruch A./II./) weder bei der Anmeldung noch der Ausführung der Beschwerde deutlich und bestimmt angeblich Nichtigkeit bewirkende Umstände bezeichnet hat (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
Die gegen den Schuldspruch B./ gerichtete (im Übrigen nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte) Rechtsrüge kann im Hinblick auf dessen Aufhebung aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten auf sich beruhen.
Zu C./ wird die Rechtsrüge nicht prozessordnungskonform ausgeführt, weil sie mit ihrem Vorbringen, der erpresserisch erlangte Pkw der Marke Ford Escort sei wertlos gewesen, nicht an den Urteilstatsachen festhält, wonach das Fahrzeug einen gewissen, nicht mehr feststellbaren Wert repräsentiert habe (US 19 zweiter Absatz) und der Beschwerdeführer um eben diesen Wert unrechtmäßig bereichert wurde (US 16 erster Absatz).
Insoweit die Rüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) die Deposition des Erstangeklagten ins Treffen führt, wonach der Pkw wegen noch durchzuführender Reparaturarbeiten „noch nicht pickerltauglich“ gewesen sei (ON 143 S 20 f), vermag sie einen Begründungsmangel nicht aufzuzeigen, weil diese Aussagepassage nicht im Widerspruch zu der aus der Lebenserfahrung abgeleiteten Überzeugung des Schöffengerichts steht, das Fahrzeug stelle jedenfalls einen gewissen Wert dar (US 19 zweiter Absatz). Unvollständigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO liegt nämlich nur vor, wenn das Gericht bei der Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche nicht würdigt oder seinen Feststellungen widerstreitende Beweisergebnisse nicht erörtert.
Das eigene Schreiben des Angeklagten Robert P***** war unbeachtlich, weil es gegen den in § 285 Abs 1 erster Satz StPO ausgedrückten Grundsatz der Einmaligkeit der Ausführung der Beschwerdegründe verstößt (RIS-Justiz RS0100152).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Drittangeklagten Franz H*****:
Entgegen der die Einlassung des Beschwerdeführers wiederholenden Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht sehr wohl mit seiner Verantwortung auseinandergesetzt (US 16 f, 18 zweiter Absatz), wobei es - dem Gebot gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten war, jedes Aussagedetail im Urteil wiederzugeben. Gerade die von der Rüge wiederholt angesprochene Aussage des Nichtigkeitswerbers, der Bankraub habe ihn - wegen seiner Vorstrafen - nicht interessiert (S 43 in ON 143), wurde im Rahmen der Beweiswürdigung mitberücksichtigt (US 18 zweiter Absatz).
Mit der Darlegung, es sei der umfassend geständigen Einlassung des Erstangeklagten Michael S*****, nicht jedoch den Schilderungen der leugnenden Angeklagten Robert P***** und Franz H***** zu folgen, weil das Geständnis mit den polizeilichen Erhebungsergebnissen im Einklang stehe, während die Aussagen der beiden anderen Angeklagten vielfach widersprüchlich seien (US 16 f), wird die schöffengerichtliche Überzeugung, bei der Einlassung des Drittangeklagten H***** handle es sich um eine reine Schutzbehauptung (US 18 zweiter Absatz), der Rüge (Z 5 vierter Fall) zuwider formal mängelfrei begründet. Ein von der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO bezeichneter Fehler wird mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz nicht geltend gemacht (RIS-Justiz RS0102162; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 454).
Mit dem bloßen Verweis auf die Mängelrüge und der allgemein gehaltenen Kritik an der Beweiswürdigung kommt die Tatsachenrüge (Z 5a) der Verpflichtung zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatumstände, welche den Nichtigkeitsgrund darstellen sollen, nicht nach (RIS-Justiz RS0119424; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481).
Dem zu B./ erstatteten Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Strafbarkeit des - realkonkurrierend angeklagten - Komplotts entfalle, wenn die verabredete Tat zumindest versucht wurde, kommt hingegen Berechtigung zu.
Alle drei Angeklagten vereinbarten nach den Feststellungen zu B./ im April 2009 in M***** und anderen Orten die gemeinsame Verübung eines Raubüberfalls auf eine R***** in Niederösterreich, wobei sie begannen, in diversen Orten eine für ihren Plan geeignete Bankfiliale auszusuchen (US 10 f, 21 letzter Absatz).
Zufolge der Schuldsprüche A./I./ und II./ wurde der Erstangeklagte am 27. April 2009 von den beiden anderen Angeklagten dazu bestimmt, mit einer Softgunpistole einen Raubüberfall auf die R***** in M***** durchzuführen, worauf dieser das Verbrechen auch ausführte (US 13 f).
Es liegen somit weitgehend Identität zwischen dem vereinbarten (B./) und dem zur tatsächlichen Durchführung gelangten Verbrechen (A./) sowie auch ein enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang des Geschehens vor.
In einem solchen Fall haften die Täter nur wegen der tatsächlich begangenen Straftat; § 277 Abs 1 StGB tritt als stillschweigend subsidiär zurück (vgl Plöchl in WK² § 277 Rz 15; RIS-Justiz RS0090100).
Entgegen dem ursprünglichen Tatplan wirkten die Angeklagten Robert P***** und Franz H***** am tatsächlich durchgeführten Raubüberfall zwar nicht als unmittelbare Täter, sondern als Bestimmungstäter mit, doch betrifft die Abweichung mit Blick auf die Einheitstäterschaft iSd § 12 StGB kein wesentliches Moment (vgl Plöchl in WK² § 277 Rz 15).
Die zu B./ demnach erforderliche Kassation des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Strafausspruchs (auch) des Drittangeklagten sowie des Einweisungserkenntnisses zur Folge, sodass sich ein Eingehen auf die gegen die Maßnahmenanordnung gerichtete Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) erübrigt.
Aus den zur Rechtsrüge des Drittangeklagten Franz H***** ausgeführten Gründen haftet dem Schuldspruch B./ der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO an, der hinsichtlich des Erstangeklagten Michael S***** und des Zweitangeklagten Robert P***** Anlass zu amtswegigem Vorgehen bietet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Es waren daher die Schuldsprüche zu B./ aufzuheben und alle Angeklagten von der realkonkurrierend angeklagten Tat (Lendl, WK-StPO § 259 Rz 9) gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen, woraus die Aufhebung der Strafaussprüche (jeweils einschließlich der Vorhaftanrechnung) und des Robert P***** betreffenden Beschlusses gemäß § 494a StPO folgt.
Das Schöffengericht hatte über Michael S***** eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren, über Robert P*****und Franz H***** eine solche von je zehn Jahren verhängt und überdies den Drittangeklagten gemäß § 23 Abs 1 StGB in eine Anstalt für gefährliche Rückfallstäter eingewiesen.
Bei der infolge der Kassation notwendig gewordenen Strafneubemessung war beim Erstangeklagten das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, als mildernd demgegenüber das reumütige Geständnis und der wesentlich Beitrag zur Wahrheitsfindung zu werten. Auch dem Zweit- wie dem Drittangeklagten sind die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend anzulasten, dem Angeklagten P***** überdies das Zusammentreffen zweier Verbrechen, Franz H***** das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, während ihnen kein Umstand als mildernd zugute zu halten war.
Ausgehend hievon sah sich der Oberste Gerichtshof unter Anlegung der Kriterien des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB angesichts des nach Erfolgs-, Handlungs- und Gesinnungsunwerts als schwer einzustufenden Täterverhaltens zur Verhängung der aus dem Spruch ersichtlichen Freiheitsstrafen bestimmt.
Auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs sind - aus den vom Schöffengericht zutreffend aufgezeigten Gründen - die Voraussetzungen für eine Einweisung des Angeklagten Franz H***** in eine Anstalt für gefährliche Rückfallstäter (§ 23 StGB) gegeben.
Die in der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung als unzureichend begründet bekämpfte Gefahr, der Angeklagte Franz H***** werde auch in Hinkunft wegen seines Hangs zur Begehung von Raub- und anderen erheblichen Gewaltdelikten der hier in Rede stehenden Art derartige Taten mit schweren Folgen begehen, ist, wie sich aus dem schlüssigen Gutachten des Sachverständigen (ON 143 S 89 ff), aber auch aus dem Täterverhalten und insbesondere dem Vorleben des Franz H***** ergibt, eindeutig zu bejahen. Die in der Rechtsmittelschrift (ON 171) lediglich lapidare Behauptung nicht vorliegender Gefährlichkeit bedarf demnach keiner weiteren Erörterung.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass nach Vollzug der Freiheitsstrafe dem daran anschließenden Maßnahmenvollzug eine nochmalige Prüfung der Notwendigkeit einer Unterbringung voranzugehen hat (§ 24 Abs 2 StGB).
Mit ihren Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) waren die Angeklagten Franz H***** und Robert P***** auf die Neubemessung der Freiheitsstrafen zu verweisen.
Auch die Berufung des Drittangeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche schlägt fehl, weil der Zuspruch des geraubten Geldbetrags sowie eines Ersatzes für die aus der Tat resultierenden Aufwendungen (ON 172 S 5) zugunsten der N***** AG zur ungeteilten Hand mit dem Erst- und Zweitangeklagten zu Recht erfolgte. Denn gemäß § 369 Abs 1 StPO hat das Gericht dem durch eine strafbare Handlung Geschädigten, der sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hat, den aus der den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Straftat abgeleiteten Ersatz (hinlängliche Konkretisierung vorausgesetzt) zuzusprechen. Bei einem vorsätzlichen Vermögensdelikt steht Ersatz des gesamten durch die Straftat herbeigeführten Vermögensschadens zu, wobei bei Schadenszufügung durch gemeinsames vorsätzliches Zusammenwirken mehrerer, wenn auch in unterschiedlichen Beteiligungsformen, alle an der Tat Beteiligten solidarisch für den Gesamtschaden haften.
Die - wie in der Berufung zutreffend kritisiert - vom Erstgericht unterlassene Vernehmung gemäß § 245 Abs 1a StPO wurde beim Gerichtstag vom Obersten Gerichtshof nachgeholt.
Die (seitens der Staatsanwaltschaft unangefochten gebliebene) Entscheidung gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO auf Absehen vom Widerruf der bedingten Entlassung des Robert P***** zum AZ 138 BE 9/08v des Landesgerichts für Strafsachen Wien war aus dem Ersturteil zu übernehmen (§ 16 StPO) und schließlich die Vorhaftanrechnung dem Erstgericht zu überlasssen
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Angeklagten Robert P***** und Franz H***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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