Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin bezog nach der Geburt ihres ersten Kindes am 20. 7. 2006 vom 29. 8. 2007 bis 19. 1. 2009 Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 14,53 EUR täglich. Sie hatte mangels einer Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf Wochengeld.
Ab 10. 2. 2009 war sie als Dienstnehmerin beschäftigt. Im Februar 2009 wurde festgestellt, dass sie schwanger ist. Der voraussichtliche Geburtstermin wurde mit 30. 8. 2009 errechnet. Aus medizinischen Gründen wurde am 2. 3. 2009 ein individuelles Beschäftigungsverbot für die Dauer von zunächst sechs Wochen ausgesprochen, das schließlich bis zum Beginn der regulären Schutzfrist verlängert wurde. Das Einkommen der Klägerin aus dem Beschäftigungsverhältnis betrug für den Zeitraum vom 10. 2. 2009 bis 27. 2. 2009 862,51 EUR netto.
Mit Bescheid vom 20. 4. 2009 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Wochengeld in einem höheren Ausmaß als 11,21 EUR täglich anlässlich der voraussichtlichen Entbindung am 30. 8. 2009 ab. Begründend führte sie aus, dass für die Berechnung des Wochengelds ausschließlich der Arbeitsverdienst der Klägerin vom 10. 2. 2009 bis 27. 2. 2009 zu berücksichtigen sei. Dieser sei gemäß § 162 Abs 3 ASVG auf den auf einen Kalendertag in den letzten drei Kalendermonaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls entfallenden Verdienst umzurechnen und um 17 % für die Sonderzahlungen zu erhöhen. Dies ergäbe ein tägliches Wochengeld von 11,21 EUR.
Das Erstgericht wies das auf Zahlung von Wochengeld in Höhe von 25,74 EUR täglich gerichtete Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin mit ausführlicher Begründung nicht Folge. Es teilte nicht die Ansicht der Klägerin, in die Bemessungsgrundlage sei nicht nur ihr im Februar 2009 erzielter Arbeitsverdienst einzubeziehen, sondern gemäß § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG auch das im Dezember 2008 und bis 19. 1. 2009 bezogene Kinderbetreuungsgeld, weil sie nicht gemäß § 162 Abs 5 Z 3 ASVG vom Anspruch auf Wochengeld ausgeschlossen sei. Aus dem Wortlaut des § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG, aus der Systematik dieser Ausnahmebestimmung und aus der mit ihr verfolgten Absicht des Gesetzgebers folge, dass eine Versicherte, die - wie die Klägerin - auch bei einem angenommenen Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft während ihres Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes keine um 80 % erhöhte Leistung (Wochengeld) erhalten hätte, nicht in den Genuss der sie begünstigenden Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes nach § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG gelangen solle. Nur ein Kindergeldbezug nach einer Erwerbstätigkeit führe bei einer Schwangerschaft während des Kindergeldbezugs zu einem Wochengeldanspruch und nach Ende des Kindergeldbezugs zu seiner Berücksichtigung innerhalb des dreimonatigen Beobachtungszeitraums.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 162 Abs 3 Satz 4 ASVG in der im Anlassfall gegebenen Konstellation nicht vorliege.
Die von der Klägerin gegen diese Entscheidung erhobene und von der beklagten Partei beantwortete Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin macht geltend, das Kinderbetreuungsgeld liege in sozialpolitischer Hinsicht zwischen Geldleistungen zur Abgeltung von verringertem Erwerbseinkommen und reinen Transferleistungen. Dies werde durch § 162 Abs 3a Z 2 ASVG bestätigt. Der Zweck der Abgeltung von verringertem Erwerbseinkommen sollte demnach auch bei der Bemessung des Wochengeldes Ausdruck finden. Nur in jenen Fällen, in denen dem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld kein Anspruch auf Wochengeld aus einer eigenständigen Erwerbstätigkeit oder einer daraus abgeleiteten Leistung nach dem AlVG vorangegangen sei, werde der Anspruch „auf das aus dem Kinderbetreuungsgeld abgeleitete Wochengeld“ ausgeschlossen. Dadurch solle Müttern, die ausschließlich die Teilversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 1 lit f ASVG hätten und die demnach vor, während und nach dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen seien, ein sozialpolitisch nicht zu rechtfertigender Vorteil durch einen Wochengeldanspruch bei neuerlichen Schwangerschaften innerhalb dieser Teilversicherung verwehrt sein. Die Klägerin werde durch die Bemessung des Wochengeldes allein auf Basis ihrer Erwerbstätigkeit „trotz grundsätzlich ähnlich gelagerter Sachverhalte schlechter gestellt als Anspruchsberechtigte, die zB nur aufgrund einer Versicherung gemäß § 19a ASVG Anspruch auf Wochengeld gemäß § 162 Abs 3a Z 1“ hätten.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu wurde erwogen:
Das Wochengeld bezweckt den Ersatz für den im Zusammenhang mit der Entbindung stehenden Verlust des Arbeitsverdienstes. Der Gesetzgeber entschied sich dabei für das Durchschnittsprinzip, das vergangene Werte berücksichtigt, und nicht das Ausfallsprinzip, das die in Zukunft voraussichtlich zu erwartende Entwicklung in Rechnung stellt. Er nimmt daher in Kauf, dass die Versicherte trotz des Wochengeldes einen Verdienstausfall erleiden kann (10 ObS 287/02g = SZ 2002/140 = SSV-NF 16/116 = RIS-Justiz RS0117195).
Im vorliegenden Fall ist die Höhe des Wochengeldes strittig.
Die Höhe des Wochengeldes bemisst sich gemäß § 162 Abs 3 Satz 1 ASVG nach dem Durchschnitt des in den letzten dreizehn Wochen (drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft (hier: am 2. 3. 2009; siehe § 120 Z 3 ASVG; 10 ObS 287/02g) gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge. Dabei gilt nach § 162 Abs 3 vierter Satz ASVG idF SRÄG 2005, BGBl I 2005/71, für Zeiten des Bezugs einer Leistung nach dem KBGG, nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 oder nach dem Karenzgeldgesetz, soweit diese Zeiten in den für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebenden Zeitraum fallen, als Arbeitsverdienst jenes Wochengeld, „das aufgrund des Abs 3a Z 2 iVm Abs 5 Z 3, des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 oder des Karenzgeldgesetzes beim Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft während des Leistungsbezugs gebührt hätte.“
Nach dem in dieser Gesetzesstelle bezogenen § 162 Abs 3a Z 2 ASVG in der im Anlassfall anzuwendenden Fassung, vor der Novellierung durch Art 8 Z 1 BGBl I 2009/116 gebührt das Wochengeld - abweichend von § 162 Abs 3 ASVG - den Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld in der Höhe des um 80 % erhöhten Kinderbetreuungsgeldes. § 165 Abs 5 Z 3 ASVG - die am 1. 8. 2009 in Kraft getretene Einschränkung des Ausschlusses durch die 70. ASVG-Novelle BGBl I 2009/84 ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung - schließt Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld, die gemäß § 8 Abs 1 Z 1 lit f ASVG in der Krankenversicherung teilversichert sind, vom Anspruch auf Wochengeld für eine Neugeburt aus, die mangels früherer Erwerbstätigkeit jedoch anlässlich der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, keinen Anspruch auf Wochengeld hatten (10 ObS 133/06s = SSV-NF 20/69 mwN; 10 ObS 189/06a).
Der Klägerin hätte gemäß § 165 Abs 5 Z 3 ASVG kein Wochengeld gebührt, wäre der Versicherungsfall der Mutterschaft während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld eingetreten. Nach dem klaren Wortlaut des § 162 Abs 3 vierter Satz ASVG kann daher ein um 80 % aufgestocktes Kinderbetreuungsgeld für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes im maßgebenden Zeitraum nicht herangezogen werden. Dieses Ergebnis entspricht der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers des SRÄG 2005. Zeiten des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld sollen nur dann in die Bemessungsgrundlage für Wochengeld einfließen können, wenn schon aufgrund der dem Bezug von Kinderbetreuungsgeld zugrundeliegenden Entbindung Anspruch auf Wochengeld bestand und zwar auch dann, wenn nach dem Ende des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld in einem neuen Versicherungsfall der Mutterschaft Wochengeld aus einer nach dem Ende des Bezugs aufgenommenen Erwerbstätigkeit gebührt (EB RV 944 BlgNR 22. GP 6).
Der von der Klägerin angestrebten Berechnung der Höhe des gebührenden Wochengeldes fehlt die gesetzliche Grundlage. Im Übrigen ist das ihr zustehende Wochengeld in Höhe von 11,21 EUR täglich höher als jenes, das im Jahr 2009 einer nach § 19a Abs 6 ASVG als Pflichtversicherte geltenden Selbstversicherten gemäß § 162 Abs 3a Z 1 ASVG gebührt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 und Z 2 lit b ASGG.
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