OGH 6Ob134/10i

OGH6Ob134/10i1.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei O***** KG, *****, vertreten durch Putz & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 21.500 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 4.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2010, GZ 1 R 269/09z-12, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 8. Oktober 2009, GZ 2 Cg 61/09w-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.470,24 EUR (darin 245,04 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Benachteiligung vertragsfremder Dritter durch AGB-Klauseln im Rahmen einer Verbandsklage geltend gemacht werden kann.

Gegenstand des Verfahrens ist die von der Beklagten, einem Inkassobüro, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel: Die Kosten der außergerichtlichen - gemäß Verordnung Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten BGBl. 141/1996 § 3 Abs. 1 - 6 - und gerichtlichen Betreibungen werden im Namen des Auftraggebers gegen den Schuldner geltend gemacht. Die klagende Partei ist ein nach § 29 KSchG klageberechtigter Verband und begehrt die Unterlassung der Verwendung dieser oder ähnlicher Klauseln durch die Beklagte im geschäftlichen Verkehr.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Beklagte verwende die inkriminierte Klausel in ihren Vertragsbeziehungen zu ihren Auftraggebern (den Gläubigern der zu betreibenden Forderungen), die klagende Partei behaupte jedoch eine Benachteiligung Dritter (der Schuldner dieser Forderungen).

Die klagende Partei meint in ihrer Revision dagegen, die inkriminierte Klausel berühre die „Rechtsstellung des Schuldners (also des Vertragspartners des Auftraggebers der Beklagten) ganz maßgeblich“. § 879 Abs 3 ABGB könne deshalb nicht so eng verstanden werden, dass darunter nur eine von zwei unmittelbar am Vertragsschluss beteiligten Personen zu verstehen wäre; nach dieser Auffassung wäre § 879 Abs 3 ABGB nicht einmal auf Mehrparteienverträge anwendbar.

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt. Der Grund dafür, dass in dieser Bestimmung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter abgestellt wird, liegt in der zwischen Verwendern derselben und ihren Vertragspartnern typischerweise vorzufindenden Ungleichgewichtslage (Krejci in Rummel, ABGB³ [2000] § 879 ABGB Rz 234). Die besondere Inhaltskontrolle schützt den in der Regel schwächeren Teil gegen einen Missbrauch der Privatautonomie durch einen typischerweise überlegenen Vertragspartner (Apathy/Riedler in Schwimann, ABGB³ [2006] § 879 Rz 30 mwN). Die von den Vorinstanzen gefundene Auslegung des § 879 Abs 3 ABGB dahin, dass er nur zwischen Vertragspartnern zur Anwendung kommen und sich daher auch die Klageberechtigung der klagenden Partei nur auf diesen Bereich beziehen kann, begegnet daher keinerlei Bedenken des erkennenden Senats. Sie ist im Übrigen auch durch eine grammatikalische Auslegung des § 879 ABGB in seiner Gesamtheit gedeckt, spricht doch dessen Absatz 1 ausdrücklich vom „Vertrag“. Auch der Umstand, dass § 879 Abs 3 ABGB auf die „beiderseitigen Leistungen“ abstellt, spricht für das von den Vorinstanzen erzielte Auslegungsergebnis und nicht - wie die klagende Partei in ihrer Revision meint - dagegen: gerade der Begriff „beiderseitig“ weist auf die Bedachtnahme der Leistungen und Verpflichtungen der Vertragspartner (auch bei Mehrparteienverhältnissen), nicht auf jene Dritter hin.

Einer Beurteilung der Frage, inwieweit die inkriminierte Klausel überhaupt gegen § 1333 Abs 2 ABGB verstößt, bedarf es angesichts dieser Überlegungen nicht mehr.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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