OGH 8ObS8/10z

OGH8ObS8/10z22.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter (§ 11a Abs 3 Z 1 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F***** S*****, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei IEF-Service GmbH, Geschäftsstelle Wien, 1150 Wien, Linke Wienzeile 246, wegen 1.876,39 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Mai 2010, GZ 10 Rs 42/10k-10, mit dem der Rekurs („Berufung“) der klagenden Partei gegen den Beschluss („Urteil“) des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 19. Jänner 2010, GZ 26 Cgs 200/09f-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung von Entgeltdifferenzen als Insolvenzentgelt von der Beklagten. Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage gemäß § 67 Abs 2 iVm § 73 ASGG.

Das Erstgericht wies mit „Urteil“ die Klage zurück. Der angefochtene Bescheid vom 2. 6. 2009 sei dem Klagevertreter am 4. 6. 2009 zugegangen. Am 2. 7. 2009 habe der Klagevertreter elektronisch eine Mahnklage eingebracht. Nach telefonischem Verbesserungsauftrag habe der Klagevertreter neuerlich eine Mahnklage am 7. 7. 2009 eingebracht. Über einen zweiten Verbesserungsauftrag habe er erst am 15. 7. 2009 eine zur Geschäftsordnung gemäßen Behandlung geeignete Klage eingebracht. Diese sei jedoch erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 67 Abs 2 ASGG bei Gericht eingelangt, sodass die Klage als verspätet zurückzuweisen gewesen sei. Darüber hinaus führte das Erstgericht auch aus, aus welchen rechtlichen Überlegungen die Klage inhaltlich abzuweisen gewesen wäre.

Dieses „Urteil“ wurde dem Klagevertreter am 8. 3. 2010 zugestellt.

Das Rekursgericht wies das am 24. 3. 2010 zur Post gegebene, als „Berufung“ bezeichnete Rechtsmittel des Klägers gegen diese Entscheidung als verspätet zurück.

Für die Beurteilung der Frage, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliege, sei nicht die tatsächlich gewählte, sondern die im Gesetz vorgesehene Entscheidungsform maßgebend. Aus der Begründung der Entscheidung des Erstgerichts ergebe sich unzweifelhaft, dass dieses die Klage zurückweisen wollte. Die Zurückweisung der Klage habe mit Beschluss zu erfolgen. Die vom Erstgericht getroffene Entscheidung sei daher ungeachtet ihrer Bezeichnung als „Urteil“ tatsächlich ein Beschluss. Das dagegen vom Kläger erhobene Rechtsmittel sei deshalb - ebenso ungeachtet seiner Bezeichnung als „Berufung“ - als Rekurs zu behandeln. Die Frist zur Erhebung des Rekurses betrage gemäß § 521 Abs 1 ZPO in der hier anwendbaren Fassung BGBl I 2009/30 14 Tage. Sie sei im Zeitpunkt der Einbringung des Rekurses bereits verstrichen gewesen, weshalb der Rekurs als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs des Klägers.

Die Beklagte beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Richtet sich ein Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss, der im anhängigen Verfahren - wie hier - auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einer Klage hinausläuft, so ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels § 519 Abs 1 Z 1 ZPO analog anzuwenden (Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 519 Rz 21 mwN). Der Beschluss des Rekursgerichts ist daher ungeachtet des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage mit „Vollrekurs“ anfechtbar.

2. Der Rekurswerber führt zusammengefasst aus, dass Fehler des Gerichts nicht zu Nachteilen für die Parteien führen dürften. Das Erstgericht habe seine Entscheidung eindeutig als Urteil bezeichnet und darin auch inhaltliche Ausführungen zur Rechtsfrage gemacht. In einem solchen Fall müsse jedoch für das Rechtsmittel des Rekurses die für Rechtsmittel gegen Urteile gesetzlich vorgesehene Frist zur Verfügung stehen. Der Gesetzgeber habe den Fall, dass irrtümlicherweise zur Rechtsform des Urteils gegriffen werde, offenbar nicht bedacht, sodass eine planwidrige Lücke des Gesetzes vorliege.

3. Dem sind die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Rekursgerichts entgegenzuhalten, auf die gemäß den §§ 528a iVm 510 Abs 3 ZPO verwiesen werden kann. Ergänzend ist lediglich auszuführen:

3.1 Dass sich das Erstgericht in der Entscheidungsform vergriffen hat und seine Entscheidung trotz ihrer unrichtigen Bezeichnung einen Beschluss darstellt, ist in Wahrheit nicht mehr strittig. Die Ausführungen in der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, dass - wäre keine Zurückweisung erfolgt - die Klage abzuweisen gewesen wäre, können daran nichts ändern.

Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des gegen die Entscheidung erhobenen Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0036324). Nichts anderes gilt für die gegen die Entscheidung offen stehende Rechtsmittelfrist. Rechtsmittelfristen sind Notfristen, die gemäß § 128 Abs 1 ZPO auch durch das Gericht nicht verlängert werden können (RIS-Justiz RS0036235 [T7]). Auch Gerichtsfehler können nicht zu ihrer Verlängerung führen (vgl zur unrichtigen Rechtsmittelbelehrung RIS-Justiz RS0036701; zum Unterbleiben der Übersendung einer Rechtsmittelbelehrung RIS-Justiz RS0006992). Die vom Rechtsmittelwerber behauptete planwidrige Lücke des Gesetzes liegt daher nicht vor. Das Erstgericht konnte daher durch das Vergreifen in der Entscheidungsform die unerstreckbare gesetzliche Rechtsmittelfrist gegen seine als Beschluss zu wertende Entscheidung nicht verlängern (1 Ob 254/09y; 6 Ob 714/85).

4. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens liegen nicht vor, sodass schon aus diesem Grund ein ausnahmsweiser Kostenzuspruch an den Kläger nach Billigkeit im Sinn der zitierten Gesetzesstelle nicht in Betracht kommt.

Stichworte