Spruch:
Der Beschluss des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz vom 2. Februar 2010, AZ 5 Ns 3/10w, verletzt § 43 Abs 4 StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Senatspräsident des Oberlandesgerichts Linz Dr. B***** und Richterin des Oberlandesgerichts Linz Dr. E***** sind von der Entscheidung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 22. Dezember 2009 ausgeschlossen.
Dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz wird aufgetragen, gemäß § 45 Abs 2 dritter Satz StPO jene Richter zu bezeichnen, denen die Sache übertragen wird.
Text
Gründe:
In der Strafsache gegen Ludwig L***** wegen des Verbrechens des des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB ua strafbarer Handlungen, AZ 40 Hv 19/08f des Landesgerichts Salzburg, entschied das Oberlandesgericht Linz unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. A***** und unter Mitwirkung der Richter des Oberlandesgerichts Dr. B***** und Dr. E***** - die zuvor bereits an mehreren Entscheidungen des Oberlandesgerichts Linz über Rechtsmittel dieses Beschuldigten in diesem Verfahren als Richter tätig waren (vgl ON 135, 157, 161, 226, 243) - mit Beschluss vom 13. März 2008, AZ 8 Bs 62/08m, 8 Bs 63/08h (ON 269 der Hv-Akten), unter einem über den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 21. Jänner 2008, Zl 5 St 159/05d (ON 240), und über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 13. Februar 2008 auf Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 254).
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 10. Juli 2008 (ON 371) wurde Ludwig L***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 26. März 2009, AZ 12 Os 10/09a (ON 444), erwuchsen diese Schuldsprüche in Rechtskraft.
Über die Berufung des Angeklagten entschied das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 7. September 2009 (ON 477).
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 (ON 495) wies das Landesgericht Salzburg den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ab.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten wurde dem Oberlandesgericht Linz vorgelegt. Als Vorsitzender des zuständigen Senats zeigte Senatspräsident des Oberlandesgerichts Dr. B***** am 22. Jänner 2010 an, dass sowohl er als auch die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. E***** ausgeschlossen seien.
Mit Beschluss vom 2. Februar 2010, AZ 5 Ns 3/10w (ON 500), stellte der Präsident des Oberlandesgerichts Linz fest, dass Senatspräsident des Oberlandesgerichts Dr. B***** und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. E***** von der Entscheidung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss auf Abweisung seines Wiederaufnahmsantrags nicht ausgeschlossen sind, weil § 43 Abs 4 StPO nur jene Richter erfasse, die im Grundverfahren in erster Instanz oder als Rechtsmittelrichter die Tat- und Schuldfrage nach eigener Beweiserhebung (mit-)entschieden haben. Die sonstige Mitwirkung an einer vorangegangenen Rechtsmittelentscheidung, die (nur) die Prüfung der damaligen Verdachtslage umfasst habe, entfalte jedoch keine Ausgeschlossenheit für die Überprüfung einer weiteren, auf einer neu bzw ergänzend ermittelten Tatsachengrundlage ergangenen Folgeentscheidung der Vorinstanz.
Mit Beschluss vom 18. März 2010, AZ 8 Bs 19/10s (ON 502), gab das Oberlandesgericht Linz unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. B***** und unter Mitwirkung der Richterin des Oberlandesgerichts Dr. E***** der oben angeführten Beschwerde des Verurteilten nicht Folge (ON 502).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz vom 2. Februar 2010 steht - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit § 43 Abs 4 StPO nicht im Einklang.
Gemäß § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist. Das gilt (nunmehr) auch für Rechtsmittelrichter uneingeschränkt, also unabhängig davon, ob sie die Tat- oder die Schuldfrage unmittelbar selbst entschieden haben (vgl Lässig, WK-StPO § 43 Rz 32; iS eines solchen generellen Ausschlusses auch Fabrizy StPO10 § 43 Rz 14; EBRV StPORefG 25 BlgNR 22. GP 61).
Wenngleich aus der auch in diesem Zusammenhang gebotenen inhaltlichen Betrachtungsweise folgt, dass Verfügungen rein formeller Art nicht ausschlussbegründend sind, so führt doch jede im (Grund-)Verfahren erfolgte Befassung eines Richters mit der Sache selbst dazu, dass er in Ansehung einer Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen ist. Die Mitwirkung an einem Beschluss sowohl über den Einspruch gegen die Anklageschrift als auch über eine Beschwerde gegen die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft umfasst eine solche die Ausschließung begründende richterliche Tätigkeit, weil diese Entscheidungskonstellationen eine inhaltliche Prüfung der (betreffend die Untersuchungshaft: dringenden) Verdachtslage zum Gegenstand haben (vgl RIS-Justiz RS0125149).
Die Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz, welche die Ausgeschlossenheit zweier Richter von der Entscheidung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abweisenden Beschluss verneinte, obwohl diese im Verfahren bereits als Rechtsmittelrichter bei der Entscheidung über den Anklageeinspruch und eine Haftbeschwerde tätig gewesen waren, steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Da nicht auszuschließen ist, dass dieser Gesetzesverstoß dem Verurteilten zum Nachteil gereicht (Art 83 Abs 2 B-VG), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst im Sinne der Feststellung der Ausgeschlossenheit dieser beiden Richter zu erkennen.
Damit ist dem folgenden Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 18. März 2010, AZ 8 Bs 19/10s (ON 502), das Fundament entzogen. Daher sah sich der erkennende Senat fallaktuell nicht veranlasst, auch diesen spruchmäßig aufzuheben.
Das Oberlandesgericht Linz wird somit nach der vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz vorzunehmenden Bezeichnung jener Richter, denen die Sache zur Entscheidung übertragen wird (§ 45 Abs 2 dritter Satz StPO), über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 22. Dezember 2009, GZ 40 Hv 19/08f-495, neuerlich zu entscheiden haben.
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