OGH 12Os10/09a

OGH12Os10/09a26.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Böhm als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ludwig L* wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 10. Juli 2008, GZ 40 Hv 19/08f‑371, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:E90521

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche enthaltenden Urteil wurde Ludwig L* des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (A./), des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1Abs 2 erster Fall StGB (B./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1105 Abs 1106 Abs 1 Z 1 StGB (C./), des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1, Abs 2 Z 2 StGB (D./) und des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15 Abs 1, 127 StGB (E./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von „teils schweren Betrügereien" eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mehrere Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese oder andere mit einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, nämlich

1./ am oder nach dem 7. Dezember 2004 (a./) sowie nach dem 23. Februar 2005 (b./) in zwei Angriffen Maria P* durch die Vorgabe, ihr Kapital gewinnbringend anzulegen, zur Ausfolgung von insgesamt 36.700 Euro;

2./ Maria P* als Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin der I* GmbH durch das Versprechen, er werde für die Benützung der Infrastruktur dieser Gesellschaft entsprechende monatliche Pauschalzahlungen leisten und die Kosten für einen Pkw tragen,

a./ in der Zeit vom Jänner 2005 bis zum Mai 2005 zur Bereitstellung von Büroräumen samt Infrastruktur im Gegenwert von mindestens 2.250 Euro und

b./ am 27. Dezember 2004 zum Abschluss eines Leasingvertrags für einen BMW X3 um 3.139,12 Euro sowie

3./ in der Zeit vom 27. April 2007 bis zum 12. Juli 2007 in sechs Angriffen Angestellte mehrerer Beherbergungsbetriebe durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Gast zu sein, zur Überlassung von Hotelzimmern im Gegenwert von insgesamt rund 5.800 Euro;

B./ in der Zeit vom 3. November bis zum 2. Dezember 2004 die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Aktiendepot der Maria P* zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und dieser einen 3.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, dass er in vier Angriffen insgesamt 40.000 Euro von dem Depot behob und für sich verwendete;

C./ in der Zeit vom 26. Mai bis zum 2. Juni 2005 Maria P* durch die wiederholt geäußerten Drohungen, er werde ihre Existenz zerstören und Nacktfotos von ihr veröffentlichen, zur Rücknahme der gegen ihn erstatteten Anzeige zu nötigen versucht;

D./ in der Zeit vom April bis zum Herbst 2007 Maria P* durch zahlreiche SMS, Fax‑Nachrichten, Briefe, Postkarten und E‑Mails in einer Weise verfolgt, die geeignet gewesen ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, sowie

E./ am 23. Mai 2005 drei Tintenpatronen im Gesamtwert von 47,70 Euro dem Unternehmen S* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5, 5a, 9 lit b und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 1 des § 281 Abs 1 StPO nimmt der Beschwerdeführer Bezug auf den Beschluss des Präsidenten des Landesgerichts Salzburg vom 9. Juli 2008, AZ 31 Ns 58/08w (ON 367), mit welchem der - wiederholten (vgl das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 29. Mai 2008, ON 326, S 162 f) - Ablehnung des Vorsitzenden des Schöffengerichts nicht entsprochen wurde. Mit der dazu unsubstantiiert erhobenen Behauptung, die Nichterledigung oder die verzögerte Erledigung von - in der Beschwerde nicht näher bezeichneten - Beweisanträgen weise sehr wohl auf eine Voreingenommenheit des Richters hin, die dessen Ausgeschlossenheit zur Folge hätte, kommt er dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Nichtigkeit begründenden Umstände nicht nach.

Soweit der Rechtsmittelwerber einen Verstoß gegen § 157 Abs 1 Z 1 StPO durch unvollständige Belehrung der Zeugin Maria P* über ein ihr wegen Selbstbezichtigungsgefahr zukommendes Zeugnisverweigerungsrecht in der Hauptverhandlung vom 10. Juli 2008 rügt (Z 3), übersieht er, dass - im Gegensatz zu § 152 Abs 1 Z 1 StPO aF - diese Vorschrift nicht mehr mit Nichtigkeit bewehrt ist (§ 159 Abs 3 zweiter Satz StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 176).

Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung folgender in der Hauptverhandlung gestellter Beweisanträge:

„Vernehmung der an einer Anschrift in Abu Dhabi zu ladenden Zeugen Salim S. Ai S*, Werner B* und Kevin S* im Rechtshilfeweg zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte im Zeitraum 5. bis 10. Dezember 2004 und 24. Dezember 2004 bis 4. Jänner 2005 jeweils in Dubai aufgehalten habe" (ON 370, S 114 f);

„Einholung der bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach befindlichen Rufdatenrückerfassung betreffend den Telefonanschluss des Angeklagten in der Zeit von 21. Februar bis 5. März 2005 zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte in diesem Zeitraum an anderen Örtlichkeiten in Deutschland aufgehalten habe" (ON 370, S 314);

„Durchsuchung der Konten und Beschlagnahme der für die Strafsache bedeutsamen bankmäßigen Unterlagen betreffend die in ON 239a (im Ermittlungsverfahren schriftlich eingebrachter Beweisantrag) im Einzelnen angeführten Konten der Maria P* und Auskunft darüber, zum Beweis dafür, dass Maria P* die vom Angeklagten erhaltenen Gelder auf private Konten von sich bzw ihrer Tochter einbezahlt habe" (ON 326 S 202 f).

Nach § 55 Abs 1 StPO ist der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren berechtigt, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen, wobei Beweisthema, Beweismittel und jene Informationen, die für die Durchführung der Beweisaufnahme erforderlich sind, zu bezeichnen sind und, soweit dies nicht offensichtlich ist, zu begründen ist, weswegen das Beweismittel geeignet sein könnte, das Beweisthema zu klären. Unzulässige, unverwertbare und unmögliche Beweise sind nicht aufzunehmen. Im Übrigen darf eine beantragte Beweisaufnahme nur unterbleiben, wenn das Beweisthema offenkundig oder für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist, das beantragte Beweismittel nicht geeignet ist, eine erhebliche Tatsache zu beweisen oder das Beweisthema als erwiesen gelten kann.

Diese Grundsätze gelten auch für in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge (§ 238 Abs 1 StPO; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 300).

Dem Beschwerdevorbringen zuwider konnten die begehrten Beweisaufnahmen ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben.

Der auf Zeugenvernehmung im Rechtshilfeweg gerichtete Antrag legt - obwohl dies keineswegs offensichtlich ist - nicht dar, aufgrund welcher Umstände oder Verbindungen zum Angeklagten die genannten Personen in der Lage sein sollten, dessen lückenlosen Aufenthalt im Ausland in den angeführten Zeiträumen zu bestätigen. Dieses Begehren zielt somit auf eine unzulässige Erkundung zu einem Alibi betreffend die Geldübergabe am 7. Dezember 2004 (Schuldspruch A./1./a./) und die seinerzeitige Veranlassung des Abschlusses eines Leasingvertrags über ein dem Nichtigkeitswerber - unbestrittenermaßen - überlassenes Fahrzeug am 27. Dezember 2004 (Schuldspruch A./2./b).

Die verlangte Beischaffung des Ergebnisses einer in Deutschland für den Zeitraum 21. Februar bis 5. März 2005 angeblich durchgeführten Rufdatenrückerfassung betreffend ein nicht näher bezeichnetes Mobiltelefon war zur Entlastung des Angeklagten in Ansehung der Geldübergabe am 23. Februar 2005 (A./1./b./) von vornherein ungeeignet, weil sich wegen der Möglichkeit der Überlassung eines Mobiltelefons an einen anderen selbst aus einer - im Antrag aber nicht einmal behaupteten - Standortermittlung keine verlässlichen Rückschlüsse auf den Aufenthaltsort des Angeklagten ziehen lassen.

Wie vom Erstgericht zutreffend erkannt, lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für die weiters angestrebte Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte des Tatopfers Maria P* nicht vor. Gemäß § 116 Abs 2 Z 1 StPO ist nämlich die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte nach § 109 Z 3 lit b StPO nur zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Geschäftsverbindung einer Person mit dem Kredit- oder Finanzinstitut mit der Begehung der strafbaren Handlung im Zusammenhang steht und entweder der Kontoinhaber selbst verdächtig ist, die Tat begangen zu haben, oder zu erwarten ist, dass eine der Tat verdächtige Person eine Transaktion über das Konto abgewickelt hat oder abwickeln werde. Der Nachweis für eine strafrechtlich selbst nach dem Vorbringen des Nichtigkeitswerbers unbedenkliche Verfügung des mutmaßlichen Tatopfers über eigenes Geld kann auf diesem Weg nicht erlangt werden.

Dem Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider blieb die Feststellung, wonach Zahlungseingänge auf dem Privatkonto von Maria P* bei der Raiffeisenbank B* im November 2004 nicht aus Mitteln des Angeklagten erfolgten (US 55), keineswegs unbegründet. Die Tatrichter stützten sich diesbezüglich vielmehr auf die für glaubwürdig befundene Aussage des Tatopfers und verwarfen die derartige Leistungen seinerseits behauptende Verantwortung des Rechtsmittelwerbers (US 54, 55). Die Beschwerdeausführungen beschränken sich insofern auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Unter dem Aspekt tätiger Reue nach § 167 StGB rügt die Beschwerde zum Schuldspruch A./2./a./ ein Übergehen der Aussage der Zeugin Maria P* betreffend die Zahlung von 3.500 EUR „für die Tätigkeit der I* GmbH für die Firma A*" (ON 23, S 311 f). Abgesehen davon, dass auch dieser Aussage die behauptete Widmung der Zahlung nicht zu entnehmen ist, betrifft sie keine entscheidende Tatsache. Bei einer auf einen einheitlichen Willensentschluss des Täters zurückgehenden Faktenmehrheit kommt dem Täter das Privileg tätiger Reue nach § 167 StGB nämlich nur bei Gutmachung des gesamten Schadens zu (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 167 Rz 66 ff), sodass selbst bei einer allfälligen Widmung der Überweisung als Gutmachung für einen von mehreren (über einen einheitlichen Willensentschluss des Täters zusammenhängenden) Schadensfällen dieser Teilzahlung keine strafaufhebende Wirkung zukommen würde. Dass fallbezogen die im Zusammenhang mit der vom Angeklagten angestrebten Etablierung der Firma A* begangenen Betrügereien zum Nachteil der Maria P* (Schuldspruch A./2./a./ und b./) auf einem solchen einheitlichen Willensentschluss beruhten, geht indes aus den Urteilsannahmen hinreichend deutlich hervor (US 15 bis 19).

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unrichtige Lösung der Schuldfrage qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie es die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (vgl RIS‑Justiz RS0118780). Ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial bloß aus Erwägungen der Tatrichter Bedenken abzuleiten, ermöglicht die Tatsachenrüge nicht (vgl RIS‑Justiz RS0119424).

Die Beschwerde unterlässt jedoch die zur Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes notwendigen konkreten Verweise auf aktenkundige Beweismittel, welche derartige Bedenken hervorrufen könnten, weil sie zum Schuldspruch C./ lediglich - ohne Angabe einer Fundstelle in den umfangreichen Akten (vgl 13 Os 83/08t, EvBl‑LS 2009/7; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 303) - auf eine „Selbstanzeige des" - in der Hauptverhandlung die vorgeworfene versuchte Nötigung leugnenden - „Angeklagten bei der Staatsanwaltschaft Traunstein" verweist und zu den Schuldsprüchen A./1./ und 2./ sowie B./ weitwendige eigene Beweiswerterwägungen zur Aussage der Zeugin Maria P* anstellt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) ist nicht deutlich und bestimmt ausgeführt, weil sie ohne methodische Ableitung aus dem Gesetz lediglich behauptet, dass ein Täter bei fehlender, respektive nicht nachweisbarer Widmung einer der Schadensgutmachung dienenden Zahlung für eine von mehreren deliktisch begründeten Schulden in den Genuss des Strafaufhebungsgrundes tätiger Reue nach § 167 StGB für alle diese inkriminierten Schadensfälle komme (vgl dazu im Übrigen Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 167 Rz 66 ff). Darüber hinaus übergeht der Rechtsmittelwerber - neuerlich - den konstatierten einheitlichen Willensentschluss des Angeklagten zur Ausführung der den Schuldsprüchen A./2./a./ und b./ zu Grunde liegenden Straftaten.

Die Sanktionsrüge (Z 11), welche eine Bedachtnahme nach §§ 31, 40 StGB auf ein Urteil des Amtsgerichts München vom 27. September 2005 reklamiert, scheitert daran, dass der Angeklagte im vorliegenden Fall auch wegen mehrerer nach dem vorgenannten Urteilszeitpunkt begangener Taten verurteilt wurde (vgl Fabrizy StGB9 § 31 Rz 10a).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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